Historiker entlastet Röder

Die Linke will heute im Landtag die Staatskanzlei dazu bringen, die Nachkriegsgeschichte neu aufzuarbeiten. SZ-Redakteur Dietmar Klostermann sprach darüber mit Saar-Uni-Professor Dietmar Hüser vom Historischen Institut. Hüser sagt, dass die Hoffmann-Regierung geschichtspolitisch lange Zeit unter die Räder gekommen sei.

Die Linksfraktion will per Landtagsbeschluss die Landesregierung dazu drängen, die Nachkriegsgeschichte des Saarlandes besser aufarbeiten zu lassen: Ist die Landesregierung der richtige Impulsgeber für Historiker ?

Hüser: Grundsätzlich wäre ich der Meinung, dass die Regierung nicht unbedingt Geschichtspolitik betreiben und federführend dafür verantwortlich sein sollte. Wenn allerdings im öffentlichen Raum bestimmte Debatten entstehen, kann es durchaus Sinn machen, dass auch die Exekutive tätig wird. Und zum Beispiel Kommissionen einsetzt und Stipendien vergibt, um bestimmte Dinge aufarbeiten zu lassen.

Die Linksfraktion kritisiert, dass durch den Sieg der Neinsager bei der Volksabstimmung 1955 die historische Leistung der Hoffmann-Regierung 1947-55, die zum größten Teil aus Exilanten bestand, in der Forschung zu gering bewertet worden sei. Und dass gleichzeitig der Zusammenhang zwischen den Hoffmann nachfolgenden Regierungen, die größtenteils Ex-NSDAP-Mitglieder anführten, und der NS-Zeit nicht historisch aufgearbeitet worden sei. Stimmt das?

Hüser: Es gibt zwei Ebenen dabei: Das eine ist die historische Forschung, das andere ist tatsächlich die Geschichtspolitik der Landesregierungen nach 1955. Es stimmt, dass geschichtspolitisch die Hoffmann-Regierung jahrzehntelang unter die Räder gekommen ist. Was die historische Forschung anbelangt, muss man sicher sagen, dass seit gut 20 Jahren ganz differenziert gearbeitet wird über die Zeit 1945 bis 1955. Da haben wir ein ganz nuanciertes Bild, in dem die Leistungen der Hoffmann-Regierung auch gewürdigt werden. Wieviel davon ankommt in der politischen Diskussion, ist eine andere Frage.

Ludwig Linsmayer, der Chef des Landesarchivs, hat Anfang dieses Jahres beklagt, dass etwa Biografien der beiden zentralen Figuren der Nachkriegszeit Franz Josef Röder (CDU ) und Heinrich Schneider (DPS/FDP) immer noch fehlten und als Thema bei Historikern kein Interesse fänden. Dabei waren Röder und Schneider beide NSDAP-Mitglieder und auch in der ersten Volksabstimmung 1935, als mehr als 90 Prozent der Saarländer für Hitler-Deutschland stimmten, aktiv. Warum bringen Historiker heute kein Licht in das Dunkel?

Hüser: Das hat damit zu tun, dass wir bestimmte Arbeiten nicht verordnen. Für Röder gibt es eine Biografie, die jetzt gerade vorgelegt wird von Heinrich Küppers. So wie ich die Vorarbeiten von Küppers kenne, wird sie ein sehr ausgewogenes Bild zu Röder liefern. Bei dem sicher herauskommen wird, dass das, was er an demokratischer Wiederaufbauleistung nach 1955, nach 1959 dann als Ministerpräsident, geleistet hat, sehr viel höher zu gewichten ist als der frühe Eintritt in die NSDAP im August 1933. Röder und Schneider in einem Atemzug zu nennen, ist schon hart an der Grenze dessen, was ich für vertretbar halten würde. Denn ein NSDAP-Eintritt - es gab fast acht Millionen NSDAP-Mitglieder 1943 - ist noch nicht so unglaublich aussagekräftig. Es wird sicher immer um solche Abwägungsfragen gehen, zwischen denen, die aus opportunistischen Gründen NSDAP-Mitglied geworden sind und denen, die aus weltanschaulicher Überzeugung Mitglied wurden und denen, die Verbrechen begangen haben.

War Röder NS-Opportunist?

Hüser: Röder würde ich eindeutig als Opportunisten einstufen, als christdemokratischen Patrioten. Weder als Nationalisten noch als Nazi.

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