Hilfe für pflegende Angehörige

Regionalverband · Der Regionalverband Saarbrücken hat einen Praxisleitfaden für Unternehmen zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf herausgegeben. Grundlage dafür ist eine auf ein Jahr angelegte Studie des Instituts für Gesundheitsforschung und –technologie (igft) der saarländischen Hochschule für Technik und Wirtschaft. SZ-Redakteurin Dörte Grabbert hat mit Regionalverbandsdirektor Peter Gillo über die Studie gesprochen.

Herr Gillo, warum haben Sie die Studie in Auftrag gegeben?

Peter Gillo : Seit Jahren richtet sich das Augenmerk junger Familien wie der öffentlichen Hand völlig zu Recht auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dabei steht bislang in erster Linie die Schaffung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten im Fokus. Am anderen Ende der Alterskette interessiert das Thema aber auch.

Die zunehmende Alterung der Bevölkerung erfordert auch Denkansätze, die sowohl auf die Bedürfnisse alter und sehr oft pflegebedürftiger Menschen sowie auch der sie betreuenden Personen eingehen. Dabei werden in der Regel die Belange der mitten im Berufsleben stehenden Generation angesprochen. Deshalb wurde in der Studie die Problemlage sowohl aus Arbeitnehmer- wie aus Arbeitgebersicht thematisiert. Denn angesichts des immer deutlicher werdenden Fachkräftemangels in der saarländischen Wirtschaft kommt der Unternehmensbindung für bewährte Fachkräfte eine besondere Bedeutung zu.

Vor allem auch den Frauen, die dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen, weil sie sich um ihre Kinder kümmern und zunehmend auch Angehörige versorgen müssen. Das kann eigentlich nicht sein. Die Unternehmen steigen bereits in Kinderbetreuung ein. Das Problem ist erkannt. Für Mitarbeiter, die Angehörige pflegen müssen, gibt es dagegen kaum Angebote. Bis auf die Freistellung von Arbeitnehmern ohne Lohnfortzahlung. Das wird aber kaum in Anspruch genommen, denn das können sich die meisten gar nicht leisten. Deswegen ist die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ein Thema der Wirtschaft. Und uns hat interessiert, wie das Firmen im Regionalverband sehen.

Und?

Gillo: Die Studie hat festgestellt: Die Sensibilität bei Unternehmen ist dafür nicht sehr ausgeprägt. 30 Prozent der befragten Unternehmen ist überhaupt nicht bekannt, ob ihre Beschäftigten einen Angehörigen pflegen oder betreuen.

Viele Unternehmen sehen das Thema derzeit nicht als relevant an. Sie wollen im Einzelfall reagieren, statt vorausschauend zu planen. Es gibt bisher sehr wenige Maßnahmen, die in Unternehmen umgesetzt werden. Bis auf einzelne Ausnahmen. Dabei ist das ein riesiges Thema. Die am häufigsten vertretene Altersgruppe unter den Beschäftigten sind heute die 41- bis 50-Jährigen. Im Laufe der nächsten zehn Jahre wird die Gruppe 50 bis 60 Jahre alt sein. Das ist die Altersgruppe, die am häufigsten von Pflegeübernahme betroffen ist.

Aber auch schon heute sind 27 Prozent der Beschäftigten zwischen 51 Jahre und älter. Deshalb ist es wichtig, dass sich Unternehmen bereits jetzt damit auseinandersetzen, wie sie ihre Mitarbeiter unterstützen können. Die gute Nachricht ist, dass sich viele Unternehmen vorstellen können, ihren Mitarbeitern etwa in puncto Arbeitszeiten und Arbeitsorganisation oder anderen Serviceleistungen entgegenzukommen.

Womit zum Beispiel?

Gillo: Mit flexiblen Arbeitszeiten wie Gleitzeit, Arbeitszeitkonten, kurzfristigem Urlaub oder kurzfristigem Verlassen des Arbeitsplatzes in Notfällen, Pflege oder Betreuung der Angehörigen während der Arbeitszeit. Viele Firmen können sich auch vorstellen, mit externen Beratungsstellen oder Dienstleistern zusammenzuarbeiten. Einige Unternehmen kaufen sich zum Beispiel Plätze in Kitas ein, die sie den Mitarbeitern anbieten können. Warum nicht auch ein ähnliches Modell bei Anbietern von Tagesbetreuung für ältere Menschen. Das ist nur eines von vielen Beispielen. In unserem Praxisleitfaden sind viele andere erläutert.

Wie will der Regionalverband Saarbrücken das Thema weiterverfolgen?

Gillo: Die Studie angeschoben hat unser Fachdienst für Regionalentwicklung. Die Stabsstelle Gesundheit arbeitet derzeit an Konzepten, wie wir die regionalen und lokalen Strukturen in den Stadt- und Ortsteilen weiter stärken können. Dafür brauchen wir aber die Hilfe der Städte und Gemeinden. Wir als Regionalverband können nur Impulse geben.

Zum Thema:

HintergrundFür die Studie haben die Mitarbeiter des Instituts für Gesundheitsforschung und -technologie (igft) der HTW des Saarlandes an 1800 Unternehmen Fragebögen geschickt. Am Ende konnten 150 komplette Datensätze ausgewertet werden. Das ist nach Angaben des Instituts eine gute Quote. Die komplette Studie und der Praxisleitfaden stehen im Internet zum Download bereit. dögregionalverband-saarbruecken.de

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