Hier müssen Franzosen leider draußen bleiben

Saarbrücken · Dürfen Menschen für die Taten ihrer Landsleute kollektiv bestraft werden? Was für Rechtsstaaten undenkbar wäre, ist in einer Saarbrücker Diskothek Türpolitik. Im A8 am Ludwigspark heißt es für alle Franzosen am Eingang: "Sorry, Sie nicht".

 Sicherheitsleute der Diskothek A8 kontrollieren die Ausweise der Gäste. Foto: Becker&Bredel

Sicherheitsleute der Diskothek A8 kontrollieren die Ausweise der Gäste. Foto: Becker&Bredel

Saarbrücken. Yann Loup Adam wll mit Freunden feiern gehen. Der Student freut sich auf ein Wiedersehen mit Freunden vom Deutsch-Französischen Gymnasium und aus Großblittersdorf. "Wir sehen uns nicht mehr so häufig, da wir alle an verschiedenen Universitäten studieren", erzählt der 20-Jährige. Am Eingang erwartet sie das bekannte Prozedere. Passt das Outfit? Ist keiner zu betrunken? Keiner unter 18 Jahre? Yann Loup wird durchgewunken, seine Freundin muss ihren Personalausweis zeigen und kann passieren. Als sich Yann Loup dann nach seinen Freunden umdreht, ist niemand mehr da. Er geht zurück zum Eingang. Keiner seiner Freunde aus Großblittersdorf durfte passieren. "Statt nur nach dem Alter, wurde auf dem Perso nach der Nationalität geschaut", sagt Yann Loup.Stefan Stöber ist der Geschäftsführer der Diskothek Discoplex A8, vor der Yann Loups Freunde abgewiesen wurden. Das A8 am Ludwigspark hieß früher mal Eishaus. "Damals gab es viele Schlägereien. Vor der Tür und in der Disko. An 90 Prozent der Fälle waren Franzosen beteiligt", sagt Stöber. Er erklärt, dass man nach dem Umbau zum A8 viel Geld investiert habe und wegwollte von der alten Klientel. Deshalb schließe man Franzosen aus, zumindest die zwischen 18 und 24 Jahren, sagt Stöber. "Durch den schlechten Ruf mussten wir einfach reagieren und extreme Maßnahmen ergreifen." Seitdem sei Normalität eingekehrt. Wo früher Massenschlägereien häufig vorkamen, seien die alltäglichen Probleme vom Sicherheitsdienst gut lösbar. Stöber sagt, dass er sich die Entscheidung nicht einfach gemacht habe. Er habe sich mit der Burbacher Polizei zusammengesetzt. "Die haben uns für unser Durchgreifen gelobt", sagt Stöber. Der Geschäftsführer betont, dass hier keine Ausländerfeindlichkeit oder Ähnliches eine Rolle spielt. "Wir haben mit dem Discoplex A65 in Kandel eine Dependance, die ebenfalls im Grenzgebiet zu Frankreich liegt. Dort haben wir überhaupt keine Probleme mit Franzosen, und damit auch keine Sanktionen wie in Saarbrücken."

Yann Loup Adam ist noch Tage später anzusehen, dass ihn die Abfuhr an der Tür empört. "Wir waren alle gut angezogen und gepflegt. Nicht betrunken, was man von vielen anderen, die reinkamen, nicht behaupten konnte. Dass uns so etwas in einer Stadt passierte, die sich als Brücke der deutsch-französischen Freundschaft sieht, habe ich nicht für möglich gehalten." Adam hält solch eine Türpolitik für Irrsinn: "Meine Freunde arbeiten teilweise in Saarbrücken, ich bin auf das Deutsch-Französische Gymnasium gegangen, meine Mutter ist Deutsche, mein Vater, Marcel Adam, ist Franzose und ich bin in Saarbrücken geboren. Ich kann selbst nicht sagen, ob ich deutsch oder französisch bin. Und trotzdem darf ich nicht in Saarbrücken in die Disko, weil mein Personalausweis sagt: Franzose?"

Bei der Polizeiinspektion in Burbach bestätigt der stellvertretende Dienststellenleiter Thomas Kolz, dass es vor der Eröffnung Gespräche mit den Verantwortlichen der Disko gab. Dort seien über Rauschgift, übermäßigen Alkoholgenuss, Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gesprochen worden. Probleme mit Franzosen seien nicht Gegenstand des Gesprächs gewesen. "Ich kann auch nicht bestätigen, dass es speziell in unserem Bereich Probleme mit Franzosen gibt. Ich kann daher nur sagen: Deren Stress ist nicht unser Stress", sagt Thomas Kolz. Der Polizist nennt dann als Beispiel das komplizierte Bezahlsystem im A8. Das würden viele nicht verstehen. Da vom Personal dort wenige oder keiner Französisch spricht, kann den französischen Gästen nur schlecht erklärt werden, wie es zu der Summe kommt, die er am Ende für Getränke und Ähnliches bezahlen soll. Da hätten viele Franzosen Klärungsbedarf.

Auch der Blick in die Polizeistatistik kann die Argumentation des A8-Chefs Stefan Stöber nicht bestätigen. Von allen in Saarbrücken 2011 erfassten Straftaten, bei denen Tatverdächtige ermittelt wurden, waren 32 Prozent Ausländer. Von den ausländischen Verdächtigen waren ein Fünftel Franzosen. Gerade in den Delikten, die man in Diskos erwartet, wie Körperverletzung, Nötigung oder Bedrohung, liegen die von Ausländern begangenen Taten zwischen 20 und 25 Prozent. Davon wiederum sind nur zwischen 4,3 und 15,4 Prozent Franzosen.

Also doch kein Franzosen-Problem in Saarbrücken? "Nein", lässt Joachim Clemens, Geschäftsführer der Kufa, ausrichten. "Nein", sagt Mike Henning, der seit Anfang des Jahres für das Nachtwerk verantwortlich ist. Henning sagt, zwar müsse jeder selbst schauen, wie er in seinem Laden für Ordnung sorge, und sicher sei es manchmal auch notwendig, der Umwelt klarzumachen, was geht und was nicht, aber die Entscheidung, alle Franzosen auszuschließen, halte er "für stark bedenklich".

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Meinung

Da gibt es keine Ausflüchte,

das ist Rassismus!

Von SZ-RedakteurFabian Bosse

Die Haut- oder Haarfarbe eines Menschen entscheidet an deutschen Diskotüren über Einlass oder Ausschluss. Dabei haben Betroffene nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) durchaus Chancen, zivilrechtlich gegen diese Form des Rassismus vorzugehen. Das Amtsgericht Bremen hat beispielsweise 2011 einen Diskobetreiber zu 300 Euro verdonnert, weil seine Türsteher einem Mann mit dunkler Hautfarbe den Zutritt verweigert hatten. Doch die Beweispflicht ist oft schwierig und die Prozesskosten müssen von Betroffenen erst einmal aufgebracht werden. Ob sich die Betreiber des Discoplex A8 mit ihrer Türpolitik zivilrechtlich falsch verhalten, müssen Gerichte entscheiden. Moralisch gesehen macht sich der Betreiber mit jeder einzelnen Abweisung schuldig. Wer wegen seiner Nationalität und seiner Hautfarbe abgewiesen wird, der wird zutiefst gedemütigt. Er muss vor einer großen Gruppe den Rückweg antreten. Für ihn kann die Identifikation mit Saarbrücken noch so groß sein, dort wird ihm gesagt: "Du kannst machen, was Du willst, Du gehörst doch nicht dazu." Saarbrücken ohne Franzosen? Dieser Gedanke passt nicht zu der Stadt, die so eng verwoben ist mit Frankreich. Sie passt auch nicht zu Menschen hier, die jeden Tag das Gegenteil leben. Mit dem Franzosen-Verbot sind die Diskobetreiber in die Rassismusfalle getappt. Das ist inakzeptabel. Alles andere als die Rücknahme des Verbots ist nicht tolerierbar.

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