Hausbesuch ohne Arzt

Saarbrücken · Morgen ab 10.30 Uhr diskutieren Patienten und Ärzte auf dem 30. Hausärztetag (Europaallee 7-9, Saarbrücken) über die Zukunft der hausärztlichen Versorgung. Der Chef des Hausärzteverbands, Michael Kulas, sprach vorher mit SZ-Mitarbeiter Richard Salomo darüber.

Herr Dr. Kulas, der 30. Hausärztetag trägt den Titel "Hausarzt 2015, wohin?". Was kann man sich darunter vorstellen?

Kulas: Der Hausarzt im Jahr 2015 findet sich in einer Arbeitswelt wieder, die es so vor zehn, 15 oder 20 Jahren nicht gegeben hat. Die ärztliche Welt heute ist digitalisiert und voll von allen möglichen Informationstechnologien. Gleichzeitig nehmen immer weniger Kollegen die Behandlung der Patienten wahr. Das alles stellt Herausforderungen an uns, denen wir begegnen müssen.

Wie äußern sich diese Herausforderungen und wie kann man ihnen begegnen?

Kulas: Zunächst einmal haben wir weniger Ärzte , die immer mehr chronisch kranke Patienten , etwa Demenzkranke, versorgen müssen. Ein chronisch kranker Patient erfordert dabei einen höheren Betreuungsaufwand, als ein junger mehr oder weniger gesunder Mensch. Dies erfordert es in doppelter Hinsicht von uns, alte Arbeitsgewohnheiten umzustellen. Das beginnt mit der Delegation bestimmter ärztlicher Tätigkeiten an Versorgungsassistenten. Diese gehen dann auf Hausbesuchstour, insbesondere zu den chronisch Kranken, um dort den Arzt mittels bestimmter Instrumente bei Diagnostik und Therapie zu unterstützen. Das gewährleistet eine gute Versorgung, ohne, dass der Arzt bei jedem Hausbesuch selbst anwesend sein muss.

Haben wir jetzt schon ein Versorgungsproblem im Saarland?

Kulas: Wir haben ein Versorgungsproblem. Auch im Saarland. Der Kreis Merzig-Wadern etwa ist momentan von einer Unterversorgung bedroht. Dort wird aber bereits gegengesteuert. Allerdings nicht mit Telemedizin, sondern zunächst einmal dadurch, dass versucht wird, wieder mehr Kollegen anzusiedeln. Auch probiert man alternative Arbeits- beziehungsweise Anstellungsmodelle aus, die die Versorgung sicherer machen.

Warum ist in Deutschland der Berufsstand des Hausarztes so unattraktiv geworden?

Kulas: Dafür sind vor allem drei Dinge entscheidend. Zunächst einmal die hohe Arbeitsbelastung. Während die durchschnittliche Hausarztpraxis in Deutschland 57 Patienten zu behandeln hat, behandelt beispielsweise in der Schweiz oder in Schweden ein Hausarzt maximal 20 Patienten am Tag. Das ist das eine Problem. Das andere Problem ist die Bürokratie, mit der wir stark zu kämpfen haben. Für die Krankenkasse, aber auch um Regressansprüchen vorzubeugen, müssen wir alles Mögliche dokumentieren. Diese bürokratischen Aufwendungen nehmen uns die Zeit, die wir dringend für die Versorgung der Patienten bräuchten.

Als Drittes sind die Arbeitsbedingungen im Ausland einfach besser. Viele, gerade junge Kollegen haben kein Interesse mehr an der Selbstständigkeit. Das Angestelltenverhältnis ist aufgrund flexibler Arbeitszeiten vor allem für weibliche Ärzte attraktiver, da sie neben der Berufsausübung die Familienplanung begünstigen. Auch in diesem Bereich müssen wir Lösungen finden.

Was wollen Sie mit dem morgigen Hausärztetag erreichen?

Kulas: Ich möchte den Kollegen einen Impuls geben, neu zu denken. Ich möchte über Möglichkeiten diskutieren, die ärztliche Versorgung so zu organisieren, dass sie für alle Beteiligten, für Ärzte wie für Patienten , zufriedenstellend ist.

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