Geschenkte Lebensjahrzehnte

Saarlouis/St Barbara · Horst Cavelius lebt seit 20 Jahren mit einer Spenderniere. Das sei auch heute noch überdurchschnittlich lange, sagt sein Arzt in Saarlouis, Dr. Carsten Schürfeld. Cavelius hofft, dass sich wieder mehr Menschen zur Organspende bereit erklären.

 Der 74-jährige Horst Cavelius (links) mit Dr. Carsten Schürfeld am Dialysegerät. Foto: Hartmann Jenal

Der 74-jährige Horst Cavelius (links) mit Dr. Carsten Schürfeld am Dialysegerät. Foto: Hartmann Jenal

Foto: Hartmann Jenal

Ein fremdes Organ, eine Niere, trägt Horst Cavelius, 74, in sich, "aber das merke ich gar nicht". Vor genau 20 Jahren, im Januar 1994, wurde dem damals 54-Jährigen aus St. Barbara die Niere eines gleich alten Mannes eingesetzt. "Ich bin ihm dankbar, dass er seine Organe gespendet hat."

20 Jahre mit einer transplantierten Niere sei immer noch etwas Besonderes, sagt sein Arzt, der Internist und Nephrologe Dr. Carsten Schürfeld, im Gesundheitszentrum Vauban in Saarlouis. Ein Schwerpunkt hier liegt auf der Dialyse. Fünf Jahre nach der Transplantation arbeiteten noch 70 Prozent, zehn Jahre danach noch 50 Prozent dieser Organe, erläutert Schürfeld. Cavelius plädiert für Organspenden: "Wenn man ein bisschen nachdenkt, ob die Organe mal auf den Friedhof gehen und nichts mehr nützen oder spendiert werden, dann bin ich für spendieren." An seiner Meinung haben auch die 2012 bekannt gewordenen Fälle von illegalem Organhandel in Deutschland nichts geändert. "Schwarze Schafe gibt es überall." Schürfeld stimmt zu. "Unter Ärzten ist das Unverständnis über ein solches Verhalten vermutlich noch größer." Er selber habe seit seinem 18. Lebensjahr einen Organspender-Ausweis. "Mein Vertrauen in die Transplantationsmedizin habe ich nicht verloren."

Er weiß auch um Ängste, dass Organe womöglich entnommen werden könnten, obwohl der Mensch noch gar nicht tot sei. "Wer einmal erlebt hat, wie die Feststellung des Todes vor Organentnahmen geschieht, der weiß: Der Patient ist tot. Das Vertrauen habe ich."

Nach den Skandal-Berichten ging deutschlandweit die Spender-Bereitschaft deutlich zurück, sagt Schürfeld. Rund 1500 Nieren seien 2013 transplantiert worden, einige Jahre zuvor seien es noch 2300 gewesen. Acht Jahre warte ein Dialyse-Patient im Schnitt auf ein Organ. Schürfeld: "Früher konnte ich Patienten schon nach fünf Jahren leise Hoffnung machen, das geht jetzt nicht mehr."

In der Dialyse übernimmt eine Maschine die Entwässerung und Entgiftung des Körpers, die die Niere nicht mehr leisten kann. Fünf Jahre wurde Cavelius in einer Praxis dialysiert, drei Stunden jeden zweiten Tag. "Ich war daheim und doch nicht daheim. Ich lebte nicht in der Familie, es war bloß ein Mitleben." Nichts ging mehr. Am Tag nach der Dialyse sackte der Kreislauf weg, Folge eines raschen Entzuges großer Mengen Wasser. Heute belaste der Wasserentzug weniger, flicht Schürfeld ein, man strecke ihn auf bis zu fünf Stunden.

Am Tag drauf ging's Cavelius besser, aber da ging es auch schon wieder zur Dialyse. Mit 49 wurde der Elektroschweißer verrentet, "mit Mindestrente".

Nach fünf Jahren musste er binnen Stunden zur Transplantation nach Kaiserslautern, berichtet er. Sieben Wochen Krankenhaus, die neue Niere arbeitete sofort. Schürfeld: "Ein sehr guter Verlauf. Denn eine Transplantation birgt immer auch ein Risiko, etwa der Abstoßung des Organs oder von Infekten."

15 seiner Patienten warten aktuell auf eine neue Niere. Über die Eignung entscheidet vor allem der gesundheitliche Gesamtzustand.

In Schürfelds Dialysezentrum mit 64 Plätzen werden ständig etwa 150 Patienten betreut. 32 Plätze befinden sich im Vauban-Zentrum neben dem DRK-Krankenhaus Saarlouis, 14 in der St.-Elisabeth-Klinik und 20 in Lebach. Ohne Dialyse sterbe ein Patient in der Regel nach Monaten, vielleicht einem Jahr, sagt Schürfeld.

Cavelius hat eine Zeit lang überlegt, ob er sich bei der Familie des Spenders mal melden sollte. Er hat es aber wieder verworfen. Vielleicht rühre er da ungebeten an Erinnerungen.

Jetzt kommt er alle vier bis sechs Wochen zu Schürfeld zur Kontrolle, wie 30 andere Nierentransplantierte mit ihm.

Beschwerden habe er nicht, "ich kann wieder im Garten arbeiten", versichert Cavelius, "angeln und wandern gehen". Sein Patient achte gut auf sich, erklärt Carsten Schürfeld, vor allem auf den Blutdruck. Und bis zu 30 Jahre könne eine transplantierte Niere arbeiten. "Gute Aussichten", sagt Horst Cavelius.

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