Ganz schön knallig im Barock

Saarbrücken · In der Saarbrücker Eisenbahnstraße zeigt sich, dass die 1950er-Jahre es gern pastellig hatten. Ganz anders an der barocken Ludwigskirche: Da waren die Farben früher ganz schön knallig. Eine Führung zum Tag des offenen Denkmals brachte Erhellendes zutage.

 Farbtafeln mit den originalen, überraschend bunten Anstrich-Farben der Ludwigskirche halten hier Martin Dick, Alexander Maul, Denkmalpfleger Hans Mildenberger und Dieter Lindacher (von links) ins Bild. Foto: Iris Maurer

Farbtafeln mit den originalen, überraschend bunten Anstrich-Farben der Ludwigskirche halten hier Martin Dick, Alexander Maul, Denkmalpfleger Hans Mildenberger und Dieter Lindacher (von links) ins Bild. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Sieben große Farbtafeln in verschiedenen Grau-, Weiß-, Gold- und Ockertönen schmückten am Sonntagmittag die Ludwigskirche. Sie waren wichtiger Bestandteil der Führung "Historische Farben - neu untersucht", die Hans Mildenberger, Denkmalpfleger der Landeshauptstadt Saarbrücken , anlässlich des Tags des offenen Denkmals leitete.

Das Motto des diesjährigen Denkmaltags war - kurz und prägnant - die Farbe. Die Führung von Hans Mildenberger bezog sich daher auf die neuesten Farbuntersuchungen an den Fassaden der Ludwigskirche. "Bis heute heißt es im Internet, dass die Farbfassung der Ludwigskirche nicht bewiesen sei. Das wollen wir heute belegen", begann der Denkmalpfleger seine Führung. Und so erfuhren die Zuhörer, dass die Ludwigskirche nach Fertigstellung einen hellen Anstrich erhalten hatte. Das Mauerwerk war in verschiedenen Weiß- und Grauabstufungen gestrichen, die Wandvorlagen und Pilaster in kräftigen und dunkleren Ockertönen. Akzentuiert wurde die Fassade von einzelnen vergoldeten Verzierungen, wie den Flammen der Urnen, im Dachbereich.

Als Beweis dienen dem Denkmalpfleger die Gemälde aus der Zeit. "Da sieht man ganz genau, dass die Kirchtürme hell gestrichen waren", erläutert Hans Mildenberger. Dieser originale Farbanstrich ging jedoch im Laufe der Jahre verloren. "Die Farbe war nicht wetterfest. Und in den Jahren 1907 bis 1911 wurde die Kirche saniert und die letzten Farbreste wurden beseitigt".

Schon 1949 hatte Dieter Heinz, der spätere Konservator der Stadt Saarbrücken , die schwer beschädigte Fassade der Ludwigskirche nach Farbresten untersucht. Und im Jahr 1982 ist es Hans Mildenberger gelungen, an verschiedenen Stellen der Außenfassade wenige Millimeter große Farbbröckchen zu sichern. Diese Farbteilchen wurden nun im Labor der Firma Keim in Bayern untersucht. Und dort konnte die genaue Farbe der Fassaden herausgefunden werden. Überraschend kräftig war der originale Farbanstrich der Ludwigskirche. Davon kann man sich heute am Modell überzeugen, das zurzeit in der Ludwigskirche steht. Hier ist die ehemalige Farbfassung rekonstruiert. "Aber es ist nicht geplant, die Kirche wieder anzustreichen", betont Hans Mildenberger mehrfach.

Im Anschluss führte der Denkmalpfleger eine - wohl wegen der zahlreichen Verkehrssperrungen am Wochenende - eher kleine Gruppe Interessierter in die Eisenbahnstraße. Dort wurden in einem leer stehenden Geschäft Farbtafeln und Mosaike der 1950er und 1960er Jahre gezeigt, die in der Eisenbahnstraße verbaut sind. Anhand eines kleinen Teils eines Fensterrahmens konnten die Besucher nacherleben, wie sich die Farbe verändert hat und mit wie viel Akribie man die ursprünglichen Farben wieder freilegen kann. "Wir haben fast alle Farben der Fassaden in der Eisenbahnstraße untersucht. Und wir können die ursprünglichen Farben genau ermitteln", erklärte Hans Mildenberger auch hier.

Für die Besucher der Führung war es erstaunlich zu sehen, wie sehr Farben der Mode unterworfen sind. Während es zur Zeit des späten Barock gar nicht leuchtend genug sein konnte, waren die Pastelltöne der 1950er und 1960er Jahre zart, zurückhaltend und äußerst variantenreich.

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