Föderalismus-Experte Wolfgang Renzsch: Nie zuvor war eine Bund-Länder-Finanzreform so schlecht vorbereitet

Saarbrücken · Das Saarland kämpft in Berlin zurzeit um existenzsichernde Finanzhilfen, doch die Verhandlungen stocken. Professor Wolfgang Renzsch begutachtete schon einmal die Saar-Finanzen und kennt Bund-Länder-Gespräche aus eigener Erfahrung. Mit Renzsch, einem bundesweit führenden Föderalismusforscher, sprach SZRedakteur Daniel Kirch.

Die SPD-regierten Länder wollen den Soli in den Einkommensteuertarif integrieren, so dass neben dem Bund künftig alle Länder und Kommunen profitieren - ein gutes Geschäft für Länder wie das Saarland?
Renzsch: Die Integration des Soli in den Einkommensteuertarif würde in erster Linie den Ländern mit einem überdurchschnittlichen Aufkommen bei dieser Steuer zugutekommen. Hamburg, Hessen, Baden- Württemberg, Bayern und Nordrhein- Westfalen würden davon profitieren, benachteiligt wären insbesondere das Saarland und die ostdeutschen Länder. Diese Ungleichgewichte würden nur teilweise durch den Länderfinanzausgleich ausgeglichen. Insbesondere die nur teilweise Berücksichtigung der Kommunalsteuern im Länderfinanzausgleich würde sich nachteilig für die finanzschwachen Länder auswirken. Zudem ist dann zu befürchten, dass die von Bayern angezettelte Debatte über die angeblich zu hohen Belastungen der Zahlerländer neu befeuert wird. Nachhaltig wäre eine solche Lösung kaum. Besser keine Lösung als diese.

Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer wollte mit dem Szenario einer Länderneugliederung den Ernst der Lage in den Gesprächen verdeutlichen. Ein geschickter Schachzug?
Renzsch: Ich glaube, das war taktisch nicht klug. Es ist ja keine wirkliche Drohung. Zum einen glaube ich nicht, dass das Saarland oder Bremen das wirklich wollten. Zum zweiten ist die Frage: Wer würde das Saarland, wer würde Bremen nehmen? Ein aufnehmendes Land müsste ja auch die Schulden übernehmen, da wäre die Freude nicht sonderlich groß.

Gibt es Länder, die wirklich Interesse an einer Neugliederung hätten?
Renzsch: Da gibt es durchaus Interessen großer Länder wie Nordrhein-Westfalen und Bayern, weil dann ihr eigenes Stimmengewicht im Bundesrat (je sechs Stimmen) wachsen würde. Rheinland- Pfalz hat vier Sitze, das Saarland drei. Wenn beide zusammengehen, hätte das neue Bundesland nur noch vier. So ähnlich ist es auch bei Niedersachsen und Bremen .

Wäre es denkbar, dass die Verhandlungen scheitern?
Renzsch: Aus meiner Sicht sollte man im Moment froh sein, wenn die Gespräche scheitern, weil keine akzeptable Lösung auf dem Tisch liegt. Wenn irgendetwas von dem, was bisher bekannt geworden ist, beschlossen wird, sind wir in zwei Jahren wieder vor dem Bundesverfassungsgericht . Die ersten Stufen der Föderalismusreform 2006 und 2009 waren deutlich intensiver vorbereitet. Ausgerechnet beim schwierigsten Teil, der dritten Stufe, meinte man, das könne man im Hinterzimmer regeln. Auch die großen Finanzreformen 1955 und 1969 waren mit Gutachten, Denkschriften und umfangreichen Drucksachen der Bundesregierung vorbereitet.

Wie muss man sich die Gespräche vorstellen? Wird gepokert?
Renzsch: Es wird gepokert bis zur letzten Minute, es wird alles ausgereizt. Die Verhandlungen um den Finanzausgleich sind am Ende so etwas wie ein Handeln auf dem Basar, wo jeder rechnet: Was kostet mich das, was bringt mir das? Die Schuldenbremse hat dazu geführt, dass die Verhandlungen deutlich schwieriger geworden sind. Bis wann rechnen Sie mit einer Einigung? Renzsch: Eine Neureglung brauchen wir 2020 - das heißt, wir haben noch fünf Jahre Zeit, um eine gute Lösung zu finden. Die Vorstellung der Bundesregierung, die Verhandlungen noch in diesem Jahr abzuschließen, habe ich von Anfang an für eine Illusion gehalten. Warum sollen die Länder, die sich benachteiligt sehen, jetzt abschließen, wenn sie noch fünf Jahre Zeit haben?

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