Fluch oder Segen für die Pflege?

Saarbrücken · In der Pflege gibt es aktuell mehrere Baustellen. Neben dem Personalmangel geht es auch um ein neues Gesetz, das drei bislang eigenständige Pflege-Ausbildungsberufe zusammenlegen soll. Wie sinnvoll ist das?

 Eigenständige Ausbildungen zum Alten- oder Krankenpfleger soll es nicht mehr geben. Foto: Fotolia

Eigenständige Ausbildungen zum Alten- oder Krankenpfleger soll es nicht mehr geben. Foto: Fotolia

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Deutschland ist ein hoch entwickelter Staat mit hohen Standards, auch in der Pflege und Medizin. Aber wenn es um die Ausbildung der Pflegekräfte geht, sei Deutschland ein "Entwicklungsland", sagt Ursula Hubertus, Pflegedirektorin am Saarbrücker Caritas-Klinikum und Präsidentin des Landespflegerates. Es gebe auf der ganzen Welt kein einziges Land, in dem es getrennte Ausbildungen für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpfleger gibt.

Diese Dreiteilung soll nach dem Willen der Politik ein Ende haben. Zum 1. Januar 2018 - vielleicht auch erst 2019 - sollen die drei Ausbildungen zusammengelegt werden. Nach dreijähriger Ausbildung wird künftig der einheitliche Titel "Pflegefachmann/-frau" verliehen. Er soll das Berufsbild der Pflege insgesamt aufwerten und attraktiver machen. Zudem regelt das Gesetz, dass auch ein mindestens dreijähriges Studium mit praktischen Anteilen zum Ausbildungsziel führt. Das Saarland ist mit einem entsprechenden Studiengang an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) hier bereits bundesweiter Vorreiter.

Als Grund für die Reform nennen die Befürworter, zu denen auch die Landesregierung zählt, dass sich die Pflege und damit die Anforderungen an das Personal stark gewandelt haben: Altenpfleger müssten auch mehrfach und chronisch Kranke versorgen können; umgekehrt brauche eine Pflegekraft im Krankenhaus heutzutage auch Kenntnisse in der Versorgung Demenzkranker.

In Österreich sollen deshalb ab 2024 sogar alle Pflegekräfte an einer Hochschule studieren. "Wir müssen uns an den internationalen Standard herantasten", sagt Ursula Hubertus. "Wir müssen uns bewegen, wir können mit unserer Ausbildung nicht stehen bleiben."

Der neue einheitliche Pflegeberuf wird damit zum größten Ausbildungsberuf in Deutschland. Im Saarland absolvieren derzeit 1190 Menschen eine Ausbildung zum Altenpfleger , 1160 zum Krankenpfleger und 100 zum Kinderkrankenpfleger .

Die praktische Ausbildung soll künftig zu gleichen Teilen in Krankenhäusern sowie in stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen stattfinden. Eine Spezialisierung soll es insoweit geben, als der Azubi beim Träger seiner Ausbildung, also in seinem Krankenhaus oder seinem Altenheim, zusätzlich einen sogenannten Vertiefungseinsatz absolvieren muss. Diese Spezialisierung geht der Gewerkschaft Verdi nicht weit genug: Die Zusammenlegung ignoriere die spezifischen Anforderungen der einzelnen Berufe; besser sei eine integrierte Ausbildung, bei der sich an den gemeinsamen Start nach ein oder zwei Jahren eine Spezialisierungsphase anschließe. Unter den Beschäftigten wird die Frage heiß diskutiert: Bei einer Diskussionsveranstaltung am Mittwoch sagte eine Betriebsrätin, erst wenn es eine anständige Krankenhaus-Finanzierung, mehr Pflegekräfte und bessere Arbeitsbedingungen gebe, könne man über eine generalistische Ausbildung reden.

Grundsätzliche Kritik an der geplanten generalistischen Ausbildung ist von den privaten Altenheim-Betreibern zu hören, die fürchten, dass sich in Zukunft alles auf die Krankenpflege konzentrieren könnte, die Zahl der Ausbildungsplätze sinkt, die Bürokratie steigt und sich das Wissen der Azubis verflacht. Aus den Wohlfahrtsverbänden, die Heime betreiben, ist allerdings auch Lob zu hören. Generell wünschen sich die Betreiber von Pflegeheimen und Sozialstationen, dass auch die Ebene unterhalb der Pflegefachkräfte gestärkt wird. Statt des Pflegehelfers (einjährige Ausbildung) soll es künftig einen zweijährigen Ausbildungsgang zum staatlich geprüften Pflegeassistenten geben. Das ist auch der Plan des Saar-Sozialministeriums.

Der Deutsche Pflegerat kann die Kritik am geplanten Pflegeberufe-Gesetz überhaupt nicht nachvollziehen: Das Argument, dass die Reform zu einem Abbau der Qualität führe, sei merkwürdig, sagte Präsident Andreas Westerfellhaus am Mittwoch in Saarbrücken . Schließlich werde in allen Heilberufen zunächst generalistisch ausgebildet - auch bei den Ärzten.

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