Fernwärmestreit: Aus für den Anschlusszwang

Saarbrücken. Diesmal ging's ans Eingemachte, diesmal war Tacheles angesagt - und am Ende herrschte tatsächlich Klarheit über mehrere grundlegende Fragen im Fernwärmestreit

Saarbrücken. Diesmal ging's ans Eingemachte, diesmal war Tacheles angesagt - und am Ende herrschte tatsächlich Klarheit über mehrere grundlegende Fragen im Fernwärmestreit. Denn sowohl Oberbürgermeisterin Charlotte Britz und Stadtwerkechef Dieter Attig als auch Jochen Starke, Chef der Fernwärmevertriebsfirma EnergieSaarLorLux (ESLL), servierten am Donnerstagabend beim Bürgertreff auf dem Eschberg überraschend deutliche Erklärungen.

Die Stadt hatte gemeinsam mit der Interessengemeinschaft Eschberger Fernwärmekunden (IEF) in den Pfarrsaal von St. Augustinus eingeladen. Rund 200 Fernwärmekunden kamen - etwa genauso viele wie bei der Versammlung am 11. Januar. Damals wollten mehrere Bürger wissen, ob sie ihre Häuser vom Fernwärmenetz abkoppeln dürfen. Und mit der Antwort eröffnete Britz die Diskussion am Donnerstag. Sie versicherte: "Die Stadt wird niemanden zwingen, dem so genannten Anschluss- und Benutzerzwang nachzukommen. Wir werden keine juristische Auseinandersetzung eröffnen und keinerlei Druck auf unsere Bürger ausüben." Laut Attig dürfen die Bürger sich jederzeit Öl- oder Pellet-Heizungen einbauen lassen. (Diese Aussage bekräftigte die Stadt am Freitag gegenüber der SZ mit einer offiziellen Stellungnahme - siehe Infokasten.)

Trotzdem warben Britz und Attig für die Fernwärme. Attig: "Wir wollen niemanden zwingen, wir wollen überzeugen." Beide bedauerten, dass momentan weder Stadt noch SWS Einfluss auf die Fernwärmepreise der ESLL haben. (Diese Preise hatten den Saarbrücker Fernwärmestreit Mitte 2009 ins Rollen gebracht - die SZ berichtete.) Aber das solle sich bald ändern, versprachen Britz und Attig und verwiesen auf die Pläne des Saarbrücker Stadtkonzerns VVS (Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft), sich sowohl bei der Wärme-Erzeugung als auch beim Vertrieb und damit bei den Preisen die Entscheidungsgewalt zurückzuerobern - oder der ESLL Konkurrenz zu liefern (die SZ berichtete).

Unabhängig davon versprachen Britz und Attig, sich als Minderheitsgesellschafter im ESLL-Aufsichtsrat dafür einzusetzen, dass für die Bewohner des so genannten Sanierungsgebietes oberer Eschberg eine Sonderregelung in den neuen ESLL-Geschäftsbedingungen getroffen wird, um die derzeitige Benachteiligung dieser Fernwärmekunden auszugleichen. Die SWS haben in den Fernwärme-Übernahmestationen dieser Häuser Wärmetauscher zur Warmwasser-Bereitung installiert (alle Übernahmestationen gehören den SWS) - und allein wegen dieser Tauscher brauchen die genannten Häuser grundsätzlich einen unverhältnismäßig höheren Fernwärme-Anschlusswert (AW) als andere. Weil 2010 durch die neuen Geschäftsbedingungen der ESLL hohe Anschlusswerte wesentlich teurer wurden, sind die Bewohner der Häuser mit Wärmetauscher nun benachteiligt. Das wollen Britz und Attig ändern.

Wie ESLL zu diesem Anliegen der Stadt steht, verriet ESLL-Chef Jochen Starke nicht. Aber er stellte klar, dass die neuen Lieferverträge, die ESLL Anfang Dezember verschickt hat, als akzeptiert und abgeschlossen gelten, sobald ein Kunde Fernwärme aus dem Netz der Stadtwerke ins Haus lässt. Das heißt: Der neue "Vertrag" läuft, auch wenn er nicht unterschrieben ist. Rechtliche Grundlage dafür ist die bundesweit geltende "Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme".

Die IEF-Sprecher Marlene Hoffmann und Stefan Mazzotta verglichen die ESLL-Preise mit den Preisen anderer Anbieter. Hoffmann mahnte, die Wohn-Nebenkosten dürften nicht die Mieten übersteigen. Mazzotta beklagte, dass die Saarbrücker - anders als bei Strom und Gas - ihren Fernwärme-Anbieter nicht wechseln können. Darauf nannte Starke gleich zwei Anbieter, die teurer sind als ESLL.

Meinung

Die Stadt macht nicht den Büttel

Von SZ-Redakteur

Jörg Laskowski

Endlich wissen wir mehr. Zunächst das Negative: Die neuen Fernwärme-Verträge, die ESLL im Dezember verschickt hat, sind gar keine Verträge im landläufigen Sinn (Abmachung zwischen zwei Parteien), sondern eher eine Art Info-Broschüre, mit der ESLL ihren Kunden die neuen Geschäftsbedingungen vorstellt. ESLL hätte manches Missverständnis vermieden, wenn da gleich zu Anfang erklärt wäre, dass jeder, der Wärme in sein Haus lässt, damit quasi unterschreibt, dass er die neuen Bedingungen akzeptiert. Und dass die juristische Basis dafür eine bundesweit gültige Verordnung ist. - Nun das Positive: Die Stadt will niemanden ans Netz zwingen. Die Stadt macht also nicht den Büttel für ESLL, falls die Kunden davonlaufen. Und die Stadt will bei der Wärmeerzeugung, bei Vertrieb, Preisen und Kundenbetreuung das Kommando zurück. Hoffentlich klappt's. Wenn nicht, will die Stadt wenigstens für benachteiligte Bürger eine Sonderregelung erkämpfen. Gut. Charlotte Britz hat Recht, wenn sie sagt: Hier sieht man, wie wichtig kommunale Betriebe sind.

Auf einen Blick

Die offizielle Stellungnahme der Stadt zum Fernwärme-Anschlusszwang: "Die Landeshauptstadt Saarbrücken (LHS) sowie die Stadtwerke (SWS) gehen davon aus, dass es keinen flächendeckenden Anschluss- und Benutzungszwang für den Eschberg gegeben hat bzw. gibt. Gleichwohl hat die LHS vereinzelt bei privatrechtlichen Kaufverträgen vor ca. 35 Jahren eine Verpflichtung zur umweltfreundlichen Energieversorgung durch die SWS festgeschrieben. Die LHS und die SWS gehen davon aus, dass eine fortdauernde Bindung einer solchen vereinzelten Verpflichtung, gerade wegen des zeitlichen Abstandes, rechtlich zumindest zweifelhaft ist. Daher sollen keine rechtlichen Auseinandersetzungen geführt werden, wobei LHS und SWS betonen, dass sie mit dieser Verfahrensweise nicht auf möglicherweise doch bestehende Rechtspositionen verzichten." fitz

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