Ex-Chefarzt zeigt Mediziner wegen „bandenmäßigen Betruges“ an

Saarbrücken/Homburg · Die Strafanzeige eines Ex-Chefarztes sorgt am Homburger Uniklinikum für Wirbel. Der frühere Chirurgiechef wirft dem Ex-Anästhesie-Chef und anderen Verantwortlichen „gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Betrug“ vor.

. Kriminalisten und Staatsanwälte zählen am Homburger Universitätsklinikum schon seit Monaten zu den Stammbesuchern. So wird etwa aktuell gegen den Chefarzt der Neurochirurgie, Professor Joachim Oertel, und mehrere Oberärzte wegen Verdachts des Abrechnungsbetrugs ermittelt. Ex-Chirurgie-Chef Professor Martin Schilling ist seit März dieses Jahres rechtskräftig wegen Korruption zu einem Jahr und zehn Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Er hat von Kassenpatienten, die von ihm persönlich operiert werden wollten, vor dem Eingriff ein Extra-Honorar in bar kassiert. Schilling hatte noch vor dem Prozess seine Zelte im Saarland abgebrochen und operiert mittlerweile in der Schweiz. Der verurteilte Ex-Chefarzt und Ex-Professor holt jetzt offenbar zum Gegenschlag aus. Der Saarbrücker Rechtsanwalt Gerhard Fritz erklärte unserer Zeitung, er habe im Auftrag Schillings den Ex-Chefarzt der Anästhesie am Uniklinikum, Professor L., dessen Assistenz- und Oberärzte sowie den ärztlichen Direktor, Professor Wolf-Ingo Steudel und weitere Verantwortliche wegen "Verdachts des gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Betruges" angezeigt. Die Staatsanwaltschaft bestätigte nur Ermittlungen gegen den früheren Chef-Anästhesisten. L., der gestern nicht zu erreichen war, ist seit 2009 im Ruhestand. Er soll klinikintern Schillings Bar-Abrechnungsmethode gerügt und angezeigt haben.

Schilling berichtet in seiner Anzeige von Interna im OP- und Klinik-Ablauf in Homburg. Er wirft seinem Ex-Kollegen vor, über Jahre hinweg Privatpatienten Leistungen in Rechnung gestellt zu haben, die er tatsächlich nicht erbracht habe. Anwalt Fritz spricht von einem besonderen "System der Gewinnmaximierung" des Narkosespezialisten. Er sei auf dem weiträumigen Klinikgelände von einem OP-Saal zum nächsten "getingelt", habe in der Regel bei den Privatpatienten die Narkose eingeleitet und kurze Zeit später die Betreuung einem Assistenten überlassen. Abgerechnet worden sein soll aber jeweils die Chefbehandlung während der kompletten Anästhesie. Wie es heißt, gab Schilling eine OP-Liste zu den Akten, wonach der Ex-Anästhesiechef sogar an einem Tag 24 Operationen an mehreren Standorten parallel betreut haben soll. Ulrich Kerle, kaufmännischer Direktor des Klinikums, erklärte, der Vorstand wisse bislang von der Anzeige nichts, werde aber den Staatsanwalt um Informationen bitten.

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