Es muss nicht immer Plastik sein

Saarbrücken · Einkäufe in der Plastik-Einwegtasche wegzutragen, das ist für die meisten Kunden des Einzelhandels Gewohnheit. Jeder Deutsche verbraucht jährlich 71 solcher Taschen. Die EU-Mitgliedsstaaten haben nun beschlossen: Von 2017 bis 2025 soll der Verbrauch um die Hälfte sinken. Im Handel stellen sich die ersten Akteure darauf ein.

Seit etwa 20 Jahren sind es die deutschen Kunden gewohnt, für Plastiktüten im Supermarkt ein paar Cent zu bezahlen. Die Nachfrage nach den Taschen, die es je nach Größe und Tragfähigkeit meist für zehn bis 20 Cent gibt - Stofftaschen oder Gewebetaschen kosten zwischen 50 Cent und zwei Euro -, ist nach Auskunft etlicher von uns befragter Unternehmen seit Jahren etwa stabil. Nun hat die Europäische Union entschieden, den Verbrauch langfristig um fast die Hälfte zu senken.

Als Grund wird vor allem der Schutz der Meere angeführt. Hier bedroht nicht verrottender Plastikabfall die Artenvielfalt. Im Handel weiß noch keiner, mit welchen Mitteln der Gesetzgeber das hehre Ziel zu schaffen gedenkt. Die ersten Akteure beginnen deshalb aus eigenem Antrieb und meist versuchsweise damit, das Tütenwesen etwas einzudämmen.

Professor Horst Lang, bei Globus verantwortlich für den Bereich Qualitätssicherung : "Den Beschluss der EU und das geplante Gesetz zur Halbierung der Plastiktüten begrüßen wir ausdrücklich. Dünnwändige Plastiktüten setzen wir schon seit langem nur noch im Bereich Obst und Gemüse ein. An den Kassen verzichten wir bereits seit längerer Zeit auf dünnwändige Plastiktüten und setzen dort Tragetaschen ein, die vom Kunden gekauft werden und die für eine längere Nutzung bestimmt sind."

Pappkartons als Alternative

Die Frage ist allerdings, ob die Kunden dies auch tun und wo die Tüte nach der Benutzung landet: im gelben Sack, wo sie gut aufgehoben ist, oder im Hausmüll? Rewe testet derzeit in tausend deutschen Märkten die Akzeptanz von Pappkartons zum Transport schwerer Einkäufe, allerdings nicht im Südwesten; der Regionalverband bleibt außen vor. Wie unsere Zeitung von Kunden erfuhr, erkunden derzeit wohl einige Märkte der Drogeriekette dm, wie die Kunden auf das Zurückhalten der kostenlos angebotenen kleinen Abreißbeutel an der Kasse reagieren.

Das Unternehmen teilte auf Anfrage mit, dass dieser Beutel "aus Gründen der Nachhaltigkeit...immer wieder in Frage gestellt" werde. Deshalb teste man in einigen Märkten (wohl auch bei uns), "ob die kleinen dünnen Beutel noch erforderlich sind und den Kundenbedürfnissen entsprechen". Über ihre Zukunft ist noch nicht entschieden. Bei Real im Saarbrücker Saarbasar setzt man auf eine stabile Mehrwegtragetasche mit Motiv zum Preis von 99 Cent. Um sie zusätzlich attraktiv zu machen, gibt der Markt eine unbegrenzte Garantie: Sollte sie kaputtgehen, bekommt der Kunde jederzeit gratis eine neue. Außerdem im Sortiment: eine Plastiktüte für 19 Cent mit dem Emblem "Blauer Engel" aus Recyclingmaterial. Allerdings ist auch die Ökobilanz von "Biotaschen" kritisch zu sehen (www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/Tueten-aus-Plastik-Baumwolle-und-Papier-im-Vergleich ,einkaufstueten100.html).

Mini-Tüten im Zehnerpack

Bei der Drogeriekette Rossmann, die an der Saar 14-mal und in Saarbrücken dreimal vertreten ist, beobachtet man aus der Zentrale ein sehr spezifisches Verhalten der Saarländer: "Gerade in Saarbrücken greifen die Kunden besonders gerne nach den kostenlosen Mini-Tüten. Sie werden dort nach dem Einkauf wohl noch für diverse andere Dinge genutzt, zum Beispiel für das Einsammeln von Hundehäufchen.

Mitarbeiterinnen berichteten ferner, dass vor allem die Kundschaft aus dem benachbarten Frankreich die Tüten gleich im Zehnerpack abreißt. Gefühlt ist der Tütenverbrauch im Saarland deutlich höher als in anderen Bundesländern." Das mag daher kommen, dass auch in den französischen Supermärkten seit zwei Jahren Plastiktüten nur gegen Bezahlung abgegeben werden.

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