„Es hilft ja alles nichts. Wir müssen darüber reden“

Saarbrücken · Ein Mensch leidet im Todeskampf. Darf man ihm helfen, den Kampf zu beenden? Und wenn ja, wie? Das hat der SZ-Ältestenrat mit der CDU-Bundestagsabgeordneten Anette Hübinger und dem Vorstandsmitglied der Liberalen Senioren, Bertold Bahner, besprochen.

 Der Vorsitzende des SZ-Ältestenrats, Rüdiger Kaldewey, links, moderierte das Gespräch mit Bertold Bahner, Mitte, und Anette Hübinger, rechts. Foto: Iris Maurer

Der Vorsitzende des SZ-Ältestenrats, Rüdiger Kaldewey, links, moderierte das Gespräch mit Bertold Bahner, Mitte, und Anette Hübinger, rechts. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

"Die meisten Menschen", vermutet Anna-Luise Hossfeld-Umlauf, "haben vor dem Tod keine Angst, aber davor, wie sie sterben." Anna-Luise Hossfeld-Umlauf ist Mitglied des SZ-Ältestenrats, eines Gremiums, das für die SZ-Stadtredaktion Dinge thematisiert und diskutiert, die ältere Menschen umtreiben. Der Tod ist so ein Thema. "Es hilft ja alles nichts. Wir müssen darüber reden", sagte ein Mitglied des Rats am Rande der jüngsten Sitzung.

So selbstverständlich ist das nicht. Nicht nur der Tod, auch das Leid werde verdrängt in unserer Gesellschaft, die auf Gesundheit und dynamische Menschen ausgerichtet sei, sagt Anette Hübinger . Deshalb werde auch verhältnismäßig viel in Therapien investiert, die Menschen heilen sollen, während es bisher kaum Geld gibt für Hospize und Palliativmedizin, sagt die Saarbrücker CDU-Bundestagsabgeordnete. Weil Sterben für die meisten Menschen aber nichts Plötzliches ist, sondern ein Prozess, müsse mehr investiert werden in Hospize , in denen Menschen in der letzten Phase ihres Lebens begleitet werden, und in Palliativstationen, die nicht mehr heilbaren Patienten helfen, möglichst ohne Schmerzen und in Würde zu leben.

Da war sich der Ältestenrat mit Hübinger und Bertold Bahner, für den als Vorstandsmitglied der Liberalen Senioren "die Selbstbestimmung im Vordergrund" steht, einig. Wobei Selbstbestimmung auch für Bahner heißt: Die Entscheidung über das eigene Sterben anderen anzuvertrauen, indem man eine Patientenverfügung unterschreibt.

"Patientenverfügung bedeutet, sich die Frage zu stellen: Wem vertraue ich mich an?", sagt Bahner. Und: Wem kann man die Entscheidung über Leben und Tod zumuten. Eine Entscheidung, die Ärzte immer wieder auch ohne Patientenverfügung treffen müssen, wie Dr. Werner Kirsch weiß. Kirsch, ebenfalls Mitglied des SZ-Ältestenrats, ist pensionierter Arzt. Die Entscheidung, eine Maschine abzuschalten, ein Medikament nicht mehr zu verabreichen, sei die schwierigste, die ein Arzt zu treffen habe. "Aber glauben Sie nicht, dass ich mich als Arzt umdrehe, wenn jemand leidet", sagt Kirsch.

Einem Patienten zwar ein Glas mit Gift hinzustellen, wie es das Gesetz erlaubt, dann aber den Raum zu verlassen, wie es das Standesrecht will, "das ist unmenschlich", findet Kirsch. Ein Arzt müsse bleiben, seinem Patienten die Hand halten dürfen.

Das könne der Arzt, sagt Hübinger. Denn wenn es sich bei dem Arzt nicht um einen bekannten Sterbehelfer handele, dann werde niemand fragen, ob der Arzt den Raum verlassen hat. Kirsch nickt. Er spricht von einer "Grauzone" und sagt: "Man kann das nicht alles juristisch regeln." Bahner formuliert es so: "In diesem Grenzbereich des Lebens sollte nicht mit dem Hammer des Strafrechts gearbeitet werden. Mitgefühl lässt sich nicht mit juristischen Mitteln messen." Sie habe wenig Ahnung von Juristerei, sagt SZ-Ältestenrats-Mitglied Ulla Karch, aber es sei doch ganz einfach: "Das Wichtigste ist, dass man die Menschen nicht alleine lässt." Neue Gesetze zur Sterbehilfe werden nicht gebraucht. Da sind sich der Liberale Bertold Bahner und die Christdemokratin Anette Hübinger im Kern einig. Was bisher erlaubt ist und was nicht, erklärt Bahner so:

Aktive Sterbehilfe , also die absichtliche, aktive Herbeiführung des Todes, ist verboten.

Die Beihilfe zum Suizid, zum Beispiel durch Beschaffung eines tödlichen Mittels, ist straflos, wenn der Betroffene das Mittel selbst einsetzt. Auch Ärzte sind straflos. Aber standesrechtliche Regelungen untersagen die Beihilfe zum Selbstmord und drohen Sanktionen für Ärzte an - bis hin zum Entzug der Kassenzulassung.

Die indirekte aktive Sterbehilfe , zum Beispiel Linderung durch Schmerzmittel, durch deren Einnahme eine Verkürzung der Lebenszeit in Kauf genommen wird, ist straflos, wenn eine Patientenverfügung vorliegt.

Die indirekte passive Sterbehilfe , das Sterbenlassen zum Beispiel durch Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen wie Sonden oder technische Geräte, ist straflos, wenn eine Patientenverfügung vorliegt.

Anette Hübinger betonte, dass sie wie viele Bundestagsabgeordnete aus allen Parteien in einem Punkt die Rechtslage ändern will: Sterbehilfeorganisationen, die mit ihrem Tun Geld verdienen, sollen per Gesetz ausdrücklich verboten werden.

Im SZ-Ältestenrat diskutierten mit Anette Hübinger und Bertold Bahner: Heribert Bernardy, Dieter Bost, Ruth Budich, Axel Egler, Günther Ersfeld, Manfred Fuhrmann , Anna-Luise Hossfeld-Umlauf, Rüdiger Kaldewey, Ulla Karch, Werner Kirsch, Carola Kleinbauer, Lore Müller; Walter Schaz und Inge Schwarz.

Zum Thema:

Hier finden Todkranke und ihre Angehörigen Hilfe:St. Jakobus Hospiz, Eisenbahnstraße 18, 66117 Saarbrücken Tel. (06 81) 92 70 00, E-Mail info@stjakobushospiz.de, www.stjakobushospiz.dePaul Marien Hospiz, Großherzog-Friedrich-Straße 44, 66111 Saarbrücken , Tel. (0681) 3 88 66 00 und 3 88 66 01, E-Mail seiberut@kreuznacherdiakonie.de, www.kreuznacherdiakonie.dePalliativstation der Caritas-Klinik St. Theresia, Rheinstraße 2, 66113 Saarbrücken , Tel. (06 81) 4 06 41 80 und 4 06 41 81, E-Mail palliativ@caritasklinik.de, www.caritasklinik.deLandesarbeitsgemeinschaft Hospiz Saarland (hier gibt es Informationen zu allen Hospiz-Einrichtungen im ganzen Land), Tel. (0681) 7 60 40 34, E-Mail lag@hospiz-saarland.de, www.hospiz-saarland.de ols

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