„Es gibt Alternativen zu Glyphosat“

Saarbrücken · Der Pflanzengift-Experte des Bundes Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in Berlin, Tomas Brückmann, wird auch bei der Anhörung des Saar-Landtages am 22. Januar ab 9 Uhr zum Thema Glyphosat-Verbot dabei sein. SZ-Redakteur Dietmar Klostermann sprach mit Brückmann über dessen Einschätzung des umstrittenen Pflanzengifts.

UN-Onkologen haben das Pflanzengift als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft. Welche Kräfte in der EU verhindern, dass der Einsatz des Herbizids verboten wird?

: Das ist insbesondere die Efsa, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit in Parma, die die Risiken beurteilt, die von Pestiziden auf Lebensmittel ausgehen. Die hat trotz der klaren Studien der Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation WHO entschieden, die Zulassung zu verlängern. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat der Efsa die Einschätzung geliefert. Das BfR gab die Empfehlung an die Efsa, die Genehmigung für Glyphosat um weitere zehn Jahre zu verlängern. Das ist für uns unvorstellbar. Aber es gibt noch keine Verlängerung durch die EU-Kommission um zehn Jahre, sondern nur eine zeitweise bis Mitte 2016, weil die EU-Kommission jetzt selbst prüfen will. Aufgrund der WHO-Vorwürfe ist man auch in Brüssel vorsichtiger geworden.

Gibt es Belege dafür, dass die Hersteller-Lobby Einfluss auf die EU-Entscheidung über ein Glyphosat-Verbot nimmt?

Brückmann : Es gibt klare Informationen, dass die Lobby Einfluss auf das Glyphosat-Verbot nimmt. Das sind Monsanto , dessen Lizenz auf Glyphosat im Jahre 2000 abgelaufen ist, Syngenta und Bayer. Die haben zahlreiche Lobbyisten in Brüssel. Vertreter dieser Firmen sprechen regelmäßig bei der EU-Kommission vor. Das sagt die EU-Kommission auch selber . . .

Diese Gespräche sind nicht öffentlich, nicht transparent?

Brückmann : Nein. Und wir haben die Belege für die Einflussnahme in dem neuen Bericht von dem Corporate Europe Observatory. Darin wird auch deutlich die Einflussnahme der Chemie-Konzerne auf die Efsa belegt. Da wird ein Experte genannt, der in der Brustkrebs-Arbeitsgruppe mitarbeitete. Der hat auch für Chemie-Firmen gearbeitet. Des Weiteren haben einige Mitglieder der Efsa-Arbeitsgruppe die notwendige Erklärung nicht ausgefüllt, in welchen Aufsichtsgremien oder Beiräten der Industrie sie sitzen. Es gibt auch entsprechende Abhängigkeiten von BfR-Mitarbeitern zur Industrie.

Kann der Landtag des Saarlandes im Alleingang den Einsatz von Glyphosat verbieten?

Brückmann : (lacht) Das Saarland kann den Einsatz von Glyphosat nicht verbieten. Der Wirkstoff wird von der EU europaweit verboten oder zugelassen. Die Präparate, also der Wirkstoff Glyphosat und weitere Beistoffe, werden vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) genehmigt. Dort hat das Saarland keine Einflüsse. Doch das Pflanzenschutzgesetz hat zwei Ebenen: Die Kontrolle des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln obliegt den Bundesländern. Das bedeutet, man kann starke Kontrollen aufbauen. Zudem dürfen Pflanzenschutzmittel laut Gesetz nicht eingesetzt werden auf Nicht-Kulturland, das sind Brachflächen und Wege. Und nicht auf versiegelten oder teilversiegelten Flächen. Auf jeder Straßeneinfahrt, auf jeder Terrasse, auf jedem gepflasterten Weg, auch mit Rasengitter, dürfen Pestizide nicht als Unkrautvernichter eingesetzt werden. Jeder Einzelanwender auf diesen Flächen würde strafbar handeln. Für den gewerblichen Einsatz gibt es jedoch Sondergenehmigungen. Und das ist Ländersache. Wenn ich eine Kommune, eine Wohnungsbaufirma oder eine Gartenbaufirma bin, habe ich einen Sachkundenachweis für den Umgang mit Pestiziden. Deren Sondergenehmigungen für den Einsatz von Pestiziden kann das Land erteilen. Deshalb kann das Land von heute auf morgen sagen: Nein, wir wollen kein Glyphosat mehr zur Unkrautbekämpfung. Das gilt aber nicht für Land- und Forstwirtschaft. Das Umweltbundesamt rechnet damit, dass sehr viel Glyphosat illegal in Kommunen verwendet wird, dafür sprechen entsprechende Glyphosat-Messungen in kommunalen Kläranlagen.

Glyphosat findet sich im menschlichen Urin und in der Muttermilch. Wie kann ich als Verbraucher verhindern, dass ich Glyphosat über die Nahrung aufnehme?

Brückmann : Bei Muttermilch wäre ich vorsichtig, die Studie wird stark kritisiert. Aber im Urin von Großstädtern, die nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, findet man regelmäßig Glyphosat. Als Vorsorgemaßnahme gibt es nur einen Weg: Produkte aus dem ökologischen Landbau zu verwenden. Im Öko-Ackerbau werden gar keine Pestizide eingesetzt. Im Öko-Wein- und -Obstanbau nur in geringen Dosen, etwa Kupfer- und Schwefelpräparate. Oder ich kaufe bei einem nicht zertifizierten Bauern, von dem ich persönlich weiß, dass er keine Pestizide verwendet.

Umweltverbände wie der BUND und auch die Grünen sagen, dass auch eine landwirtschaftliche Produktion ohne Glyphosat-Einsatz möglich sei. Welche Folgen hätte das Glyphosat-Verbot für die Nahrungsmittelproduktion und die Bauern?

Brückmann : In Kommunen und für die Kleingärtner gibt es Alternativen - ein anderes Schönheitsideal. Indem man das Unkraut wachsen lässt. Oder man setzt Propangasbrenner ein und brennt das Unkraut ab. Oder man setzt Bürstentechnik ein. Das sind entsprechend ausgerüstete Straßenkehrmaschinen, die das Unkraut aus den Fugen bürsten. In der Landwirtschaft ist ein Glyphosat-Ersatz ein Problem. Aber ein lösbares. Die Bodenbearbeitung mit dem Pflug, die bis vor zwei Jahrzehnten fast ausschließlich angewendet wurde, ist die beste Unkrautbekämpfung. Dieser Pflugeinsatz ist aufgegeben worden, das bedeutet 100-prozentigen Glyphosat-Einsatz: Ich pflüge als Bauer nicht mehr unter, sondern spritze auf das aufkommende Unkraut kurz vor der Aussaat Glyphosat. Damit soll die Boden-Erosion verhindert werden, die aber in allen Flachlagen kein Problem ist. Ackern ist das Mittel der Wahl.

Welche Folgen hat der Dauereinsatz von Glyphosat auf die Böden?

Brückmann : Das sind Erkenntnisse aus Südamerika, wo Glyphosat seit 25 Jahren intensiv eingesetzt wird. Das führt nach Forschungen des Phytopathologen Professor Don Huber aus den USA und Erkenntnissen der Uni Hohenheim dazu, dass die Krümelstruktur des Bodens nach zehn Jahren Glyphosat-Einsatz verloren geht. Der Boden wird klebrig. Die Sauerstoffaufnahmefähigkeit ist verloren. Zudem tötet Glyphosat Symbionten, also Pilze und Mikroorganismen im Boden. Jeder Boden hat eine Mykorihza, das ist ein Wurzelgeflecht, welches die Bodenfruchtbarkeit erhält. Die wird auch zerstört. Der Boden wird unfruchtbarer durch Glyphosat.

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