Erste Gedanken ans Aufhören

Regionalverband · Der Überfluss an Milch auf der Welt führt bei uns zu Preisen, die unter den Herstellungskosten liegen. Im Regionalverband leiden 40 Milchviehbetriebe unter den Bedingungen. So schnell aber geben Landwirte nicht auf.

 Durch die Milchkrise werden die Landwirte arg gebeutelt, gerade wenn sie kräftig investiert haben wie die Obersalbacher Landwirte Christian und Karoline Neu. Unser Bild zeigt sie mit ihrem Milchroboter. Foto: Andreas Engel

Durch die Milchkrise werden die Landwirte arg gebeutelt, gerade wenn sie kräftig investiert haben wie die Obersalbacher Landwirte Christian und Karoline Neu. Unser Bild zeigt sie mit ihrem Milchroboter. Foto: Andreas Engel

Foto: Andreas Engel

Schwer vorstellbar für jeden arbeitenden Menschen, sich Tag für Tag müde zu machen und am Ende nicht nur nichts verdient, sondern sogar noch Geld draufgelegt zu haben. Mit solch frustrierenden Bilanzen leben derzeit die Milchbauern . Denn der Milchpreis sinkt und sinkt. Bekamen die Erzeuger im April von der Molkerei noch 24,5 Cent für den Liter Kuhmilch, gibt es ab sofort nur noch 21 Cent. Vergütet wird übrigens im Folgemonat, nicht direkt bei Abholung auf dem Hof. Nach Worten von Alexander Welsch vom Bauernverband Saar seien die meisten hiesigen Milchviehbetriebe - im Saarland 165, im Regionalverband 40 - auf einen Milchpreis von 30 Cent angewiesen, um kostendeckend zu arbeiten. Anders gesagt: Derzeit sind Viehfutter, Strom und Wasser so günstig, dass sie vom Milchpreis bezahlt werden können, die Kosten für den Stall und die Versicherung aber nicht mehr. Tendenz: schlimmer. "Wenn es so weitergeht, drohen in vier Monaten die ersten Insolvenzen", befürchtet Welsch.

Milchbauer Karsten Schmeer aus Saarbrücken, der 60 Kühe im Stall hat, spricht von einer "prekären Situation. Die Milch wird derart verramscht, dass wir uns schon ein paar Mal mit dem Gedanken ans Aufhören getragen haben" - wobei Bauernfamilien solch einen Schritt meist nur dann gehen, wenn die Not existenziell groß ist. Sie verwalten oft das Erbe mehrerer Generationen und haben eine sehr emotionale Bindung zu Boden und Tieren. Eine Landwirtschaft gibt man noch schwerer auf als ein normales Geschäft oder einen Handwerksbetrieb. Schmeer ist auch Kreisvorsitzender des Bauernverbandes im Regionalverband . Nach seiner überschlägigen Rechnung fehlen in den größeren Betrieben beim jetzigen Milchpreis jeden Monat 8000 bis 10 000 Euro.

Alternativen gebe es so gut wie keine, allenfalls Aufschieben von Investitionen, Sparen an allen erdenklichen Positionen, Vorräte aufbrauchen, Maschinen selber reparieren.

Der Verband bietet Einzelberatungen an, um Einsparpotenziale zu ergründen. Oder Hilfe bei Bankverhandlungen, um Kredite am Laufen zu halten. Von heute auf morgen die Kühe abzuschaffen und dann aus dem Stand etwas ganz anderes zu machen, hört sich nur für Laien nach Alternative an: Wer kauft die Tiere, wo ist das Land für etwas anderes? Schmeer ist also entschlossen, die Milchpreiskrise auszuhalten und vertraut der Logik: "Wenn wir morgens aufstehen und den ganzen Tag arbeiten, dann gehen wir nicht kaputt. Das darf einfach nicht sein." Wie die Bevölkerung "ihren" Milchbauern helfen könnte? "Man sollte Produkte der Hochwald-Molkerei kaufen, das ist die Genossenschaft, an die wir hier unsere Milch liefern."

Landwirt Christian Neu aus Heusweiler-Obersalbach ist ebenfalls zuversichtlich, "die Durststrecke" bei der Milch auszusitzen. Er und seine Frau haben erst vor drei Jahren groß in einen neuen Stall, in zwei modernen Melkroboter sowie allerlei Komfort für die 140 Milchkühe investiert. Damals gab es noch 31 Cent für die Milch . Zum Glück erzeugt der Familienbetrieb auch noch Getreide. Wie aber bekommt man den Milchpreis wieder hoch? Verbandsmitarbeiter Welsch sagt, man bräuchte Weltfrieden und funktionierende, politisch unbeeinflusste Märkte, also kein Russland-Embargo sowie Liefermöglichkeiten in den Nahen Osten und nach Afrika mit der Garantie, dass die gelieferte Milch auch vergütet werde.

Die angekündigten Hilfen des Bundes seien nur symbolischer Art, es gebe umgerechnet nur 0,1 Cent je Liter.

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