Ermittlungen gegen Saar-Mediziner in 50 Fällen - Ärzte wehren sich gegen Kriminalisierung

Saarbrücken · Aktuell ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft in 50 Fällen gegen Mediziner im Saarland. Beim ersten Medizinrechtstag informierte die Saar-Ärztekammer nun über rechtliche Probleme im Gesundheitswesen.

Missbrauch mit Krankenversicherungskarten, "Luftrezepte" und Abrechnungsbetrug: Gegen 190 Ärzte , 62 Apotheken und 90 andere Dienstleister im Gesundheitswesen des Saarlandes haben Polizei und Staatsanwaltschaft in den vergangenen zehn Jahren strafrechtlich ermittelt. Mit betroffen waren zudem 2500 Krankenversicherte, hieß es am Wochenende beim 1. Saarländischen Medizinrechtstag im Saarbrücker Haus der Ärzte .

Mal geht es um abgerechnete, aber nicht persönlich erbrachte ärztliche Leistungen, mal um Rezepte, für die es in Absprache mit Patienten und Apotheken Bargeld, Kosmetika oder Drogenersatzstoffe gibt - oder um falsch codierte Leistungen, die in der Arztpraxis oder im Krankenhaus besser als andere honoriert werden. "Es gibt viele Fälle, wo zu Recht ermittelt wird, aber auch viel zu viele Fälle, wo Kriminalisierung über Jahre nur vermutet wird ohne Beweise", bilanzierte der Saarbrücker Fachanwalt für Strafrecht, Joachim Giering.

Seitdem vor zehn Jahren der millionenschwere Abrechnungsbetrug einer saarländischen Ärztin einen Domino-Effekt mit einer Lawine von Ermittlungen auslöste, habe sich jedenfalls viel getan. "Wir sind seit längerem dabei, in den eigenen Reihen für Ordnung zu sorgen", betont Dr. Eckart Rolshoven vom Vorstand der Ärztekammer des Saarlandes. Er rechnet vor: Bei aktuell 50 Verfahren sind gerade einmal 2,9 Prozent der 1700 niedergelassenen Ärzte im Saarland betroffen. Das seien nicht mehr schwarze Schafe als in anderen Berufszweigen auch. "Das Gesundheitswesen ist nicht kriminell", wehrt sich Rolshoven gegen anders lautende Vorwürfe. Das Verhältnis zum Patienten lebe vom Vertrauen.

Rolf Angel, Leiter des Sachgebiets "Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen" im saarländischen Landeskriminalamt (LKA), sagt: "Der jetzige Ermittlungsschwerpunkt liegt im Bereich der Klinikärzte". Da liefen seit zweieinhalb Jahren schon 20 Ermittlungsverfahren im Saarland. Angel verkennt aber nicht die "Abgrenzungsproblematik von legaler und betrügerischer Abrechnungsoptimierung" in Arztpraxis oder Krankenhaus. Beide müssten wirtschaftlich arbeiten.

Einig waren sich die auf dem Medizinrechtstag versammelten knapp 100 Ärzte , Ermittler und Juristen auch in der Frage, dass in keinem Bundesland so intensiv gegen Kriminalisierung im Gesundheitswesen ermittelt werde wie im Saarland mit seiner Ermittlungsgruppe "Rezept". Konkret: "Wir hatten mal 32 Durchsuchungsbeschlüsse an einem Tag", berichtet der Leiter des Dezernats für Wirtschaftskrimninaität beim LKA, Christoph Hollinger: "Wir haben schon jede sechste Apotheke untersucht - und während früher das Saarland die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel hatte, liegt es jetzt im Mittelfeld der Bundesländer".

Mit dem 1. Medizinrechts tag nahm die Ärztekammer des Saarlandes auch Abkehr vom umstrittenen Sponsoring ärztlicher Fortbildung durch die Industrie. Die Kammer will künftig zweimal im Monat "klinische Wochenenden" als vom Sponsoring unabhängige Veranstaltungen anbieten, kündigte Ärztekammer-Präsident Dr. Josef Mischo an. Auf diese Weise soll auch die Unabhängigkeit der Ärzte gegenüber der Pharma-Industrie und ihrer Interessen hervorgehoben werden.

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