Ende des Projekts Bürgerarbeit bereitet nicht nur Langzeitarbeitslosen Zukunftsängste

Saarbrücken/Sulzbach · Ende diesen Monats läuft die Bürgerarbeit aus. Zahlreiche Maßnahmen für Langzeitarbeitslose fallen dann ersatzlos weg. Das trifft auch einige Projekte im Saarland hart, wie das Sozialkaufhaus in Sulzbach. Die Agentur für Arbeit übt derweil Kritik an den Projektträgern.

 Die Mitarbeiter des Sozialkaufhauses in Sulzbach (von links): Anleiter Hans-Gerd Klein, Stefan Breier, Sozialarbeiter Günter Müller, Sylvia Breier, Mirjam Dörr und Bettina Sand. Foto: Rich Serra

Die Mitarbeiter des Sozialkaufhauses in Sulzbach (von links): Anleiter Hans-Gerd Klein, Stefan Breier, Sozialarbeiter Günter Müller, Sylvia Breier, Mirjam Dörr und Bettina Sand. Foto: Rich Serra

Foto: Rich Serra

Mirjam Dörr hängt eine blaue Bluse an die Kleiderstange. Sie ist gebraucht und kostet 2,50 Euro . Im Sozialkaufhaus des Diakonischen Werkes Saar (DW) in Sulzbach sind die Kleider selten teurer. Die Verkäuferinnen dort sind Langzeitarbeitslose , die das Jobcenter dem Kaufhaus im Rahmen des bundesweiten Modellprojekts Bürgerarbeit zugewiesen hat, damit sie dem regulären Arbeitsmarkt näher kommen. Wenn das Projekt Ende des Jahres ausläuft, sieht es für viele Bürgerarbeiter düster aus. Nicht alle können nahtlos in Ein-Euro-Jobs wechseln, da sie innerhalb von 5 Jahren nur bis zu 24 Monate in einer solchen Arbeitsgelegenheit beschäftigt werden dürfen.

"Für einige von uns wäre das ein finanzieller Absturz, wenn wir hier nicht weiterarbeiten könnten", sagt Verkäuferin Mirjam Dörr. "Dabei fühlen sich die Mitarbeiter hier wohl, haben hier ein soziales Netzwerk gebildet", fügt Hans-Gerd Klein, Anleiter im Sozialkaufhaus, hinzu. Auch zu den Kunden, wie Verkäuferin Sylvia Breier betont: "Viele sind einsam und kommen her, um Gesellschaft zu haben."

Zwar gibt es ein neues Förderprogramm von Bund und EU für Langzeitarbeitslose . Doch das ist kein Ersatz für die insgesamt 1400 Bürgerarbeiter im Saarland, da sie als solche sozialversicherungspflichtig gearbeitet haben.

Das Diakonische Werk beschäftigte nach Angaben der Abteilungsleiterin Bärbel Heil-Trapp bis zu 190 Bürgerarbeiter. Davon seien noch 68 übrig, 28 im Kaufhaus in der Sulzbachtalstraße. Sie arbeiten dort als Verkäufer, Sortierer, Schreiner, Fahrer. Noch bis vergangene Woche sah es so aus, als würde dem Kaufhaus Ende des Monats das Aus drohen. Doch zumindest in Sulzbach geht es sehr wahrscheinlich weiter (siehe Artikel rechts).

Schlimmer trifft es Aqa Neunkirchen, die Beschäftigungsgesellschaft des Landkreises, die verschiedenste Maßnahmen für Langzeitarbeitslose anbietet. Geschäftsführer Anton Jacob spürt die Verzweiflung seiner Mitarbeiter jeden Tag. Seit dem Frühjahr seien 45 Stellen verloren gegangen und nur 15 durch Ein-Euro-Jobs aufgefangen worden. "Jeden Tag werde ich gefragt, warum es nicht weitergeht", sagt Jacob. Sätze wie "Ich brauch' das doch, ich hab doch Familie" seien keine Seltenheit.

"Allen Teilnehmern, den Trägern und den Jobcentern, war von Anfang an klar, dass die Bürgerarbeit ein befristetes Modellprojekt ist", sagt Hans-Hartwig Felsch, Geschäftsführer der Bundesagentur für Arbeit Rheinland-Pfalz und Saarland. Felsch kritisiert, dass viele Träger die Bürgerarbeit als Projektförderung und nicht - wie vom Bund vorgesehen - als Förderung einzelner Personen betrachtet haben. "Statt zu versuchen, die Teilnehmer auf den ersten Arbeitsmarkt vorzubereiten, haben viele der 60 Träger im Saarland die Hoffnung vermittelt, einen neuen Arbeitsmarkt aufzubauen, in dem sie die Mitarbeiter halten können", so Felsch. Umso schmerzhafter sei es aber nun für die Teilnehmer, deren Hoffnungen enttäuscht würden.

Zwischen 15 und 20 Prozent der Bürgerarbeiter hier wurden laut Felsch in ein festes Arbeitsverhältnis vermittelt, zwischen 500 und 700 sind ab Januar wieder arbeitslos. Rund 273 000 Euro hat die Landesregierung den Sozialkaufhäusern jüngst zugesichert (wir berichteten). Das Geld ist für Mietkosten oder Nebenkosten vorgesehen. Dadurch sollen Arbeitsplätze in den 20 Sozialkaufhäusern im Saarland erhalten bleiben. Doch reicht das, um die Kaufhäuser zu retten? "Das ist davon abhängig, wie das Geld an die Häuser verteilt wird und wie die Häuser damit auskommen", sagt Michael Fischer, stellvertretender Geschäftsführer der Neuen Arbeit Saar gGmbH, die das Möbellager in Saarbrücken betreibt.

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ist es noch offen, bis zu welcher Höhe ein Landeszuschuss beantragt werden kann. Das hänge davon ab, wie hoch die tatsächliche Finanzierungslücke bei den Sozialkaufhäusern ist. Diese Lücke ergebe sich etwa dadurch, dass nicht alle Bürgerarbeiter ab Januar durch Arbeitsgelegenheiten wie Ein-Euro-Jobs ersetzt werden können. Das trifft besonders die Sozialkaufhäuser hart, wo hauptsächlich Bürgerarbeiter tätig sind, wie in Sulzbach. Manche Landkreise zahlten den Trägern auch Zuschüsse pro Bürgerarbeiter. Diese fallen nun ebenfalls weg.

"Das Geld kann eine Zeitlang reichen", glaubt Helmut Paulus, Sprecher des Diakonischen Werkes Saar, das neben dem Sulzbacher noch drei weitere Sozialkaufhäuser betreibt. Doch seien nicht die Nebenkosten das größte Problem, sondern die Personalkosten, etwa für die Anleiter, die für die Langzeitarbeitslosen verantwortlich sind. Er hofft nun auf ausreichend Ein-Euro-Jobs, um das Sozialkaufhaus zu retten. "Ziel der Landesregierung ist es, den Betrieb der Sozialkaufhäuser über Ein-Euro-Jobs aufrecht zu erhalten", versichert Ministeriumssprecher Alexander Brehm. In Sulzbach werde es vermutlich mit 20 Ein-Euro-Jobbern weitergehen.

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HintergrundDas Projekt Bürgerarbeit läuft nach drei Jahren aus. Bürgerarbeit verrichten all jene, die während der sechsmonatigen Aktivierungsphase durch die Bundesagentur für Arbeit keine feste Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt bekommen haben und nun gemeinnützig arbeiten. Der Bund sowie der Europäische Sozialfonds förderten das Projekt jeweils zur Hälfte. jeb

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