Elf Mitarbeiter kündigen auf Intensivstation

Saarbrücken. Ist die Arbeitsbelastung auf der Notfall-Intensivstation des Klinikums Saarbrücken extrem hoch? Der SZ liegt ein Papier vor, in dem von einer "unerträglichen Überlastungs- und Spannungssituation" die Rede ist. Mehrere Mitarbeiter hätten 2011 gekündigt. Die Intensivstation verfügt nach Angaben des Klinikums derzeit über 18 Betten

 Die Arbeit auf einer Intensivstation, hier in Hannover, ist für die Krankenschwestern oft belastend. Foto: dpa

Die Arbeit auf einer Intensivstation, hier in Hannover, ist für die Krankenschwestern oft belastend. Foto: dpa

Saarbrücken. Ist die Arbeitsbelastung auf der Notfall-Intensivstation des Klinikums Saarbrücken extrem hoch? Der SZ liegt ein Papier vor, in dem von einer "unerträglichen Überlastungs- und Spannungssituation" die Rede ist. Mehrere Mitarbeiter hätten 2011 gekündigt. Die Intensivstation verfügt nach Angaben des Klinikums derzeit über 18 Betten. Dort werden schwerstkranke Patienten behandelt. Das Pflegepersonal dieser Intensivstation müsse seit April 2011 nach SZ-Informationen auch den Aufwachraum an sieben Tagen rund um die Uhr in vier Schichten betreuen. Drei Stellen habe die Klinikleitung dafür zur Verfügung gestellt. Dort würden pro Tag 30 bis 50 Patienten betreut.Durch Personalabbau und "Leistungserhöhung" seien die Mitarbeiter der Station aber an der Grenze der Belastbarkeit. Der Autor des Papiers schlägt Alarm: "Die Qualität der Patientenversorgung befindet sich im rapiden Sinkflug." Doch die Stationsleitung reagiere auf die Situation mit "Mangelbesetzung der einzelnen Schichten", die den Stress erhöhe. Erfahrenes Fachpflegepersonal werde durch Examensabsolventen ersetzt oder Pfleger von anderen Stationen versetzt.

Sonja Hilzensauer, Pflegedirektorin des Klinikums, bestätigt, dass die Fluktuation der Mitarbeiter auf der Intensivstation 2011 im Vergleich zu den Vorjahren mit zwölf Prozent auffällig hoch gewesen sei. Elf Mitarbeiter der Station hätten das Klinikum verlassen. Richtig sei auch, dass diese Tätigkeit physisch und psychisch sehr belastend und im Vergleich zu anderen Ländern schlechter bezahlt sei. Das sei aber kein Problem des Klinikums. Den Tarifvertrag handeln der kommunale Arbeitgeberverband und die Gewerkschaft Verdi aus. Vier Mitarbeiter der Station hätten das Krankenhaus in Richtung Schweiz verlassen, sagt Hilzensauer. Dort gebe es an den Kliniken mehr Geld und mehr Personal. Eine Frau habe den Beruf ganz an den Nagel gehängt und verdiene jetzt bei ZF Getriebe wesentlich mehr, erläutert Hilzensauer. Zwei Mitarbeiterinnen hätten die Station im Klinikum gewechselt.

Auch der stellvertretende ärztliche Direktor, Dr. Konrad Schwarzkopf, sieht Fehler im Krankenhaus-System, für die das Klinikum nichts kann. So sei der Gehaltsunterschied zwischen der Intensivstation und einer "Normalstation" zu gering. So verdiene eine "examinierte Pflegekraft" auf einer Normalstation im Durchschnitt monatlich 2819 Euro, auf einer Intensivstation 2889 Euro, also 80 Euro mehr, ergänzt Hilzensauer. Im Januar seien drei Stellen auf der Intensivstation nicht besetzt. Zwei davon sollen im Februar wiederbesetzt werden. Für die dritte Stelle liefen bereits Auswahlgespräche. Schwarzkopf findet den Wechsel in der Stationsbelegschaft nicht schlimm: "Zwölf Prozent Fluktuation gefallen mir nicht, null Prozent wollen wir aber auch nicht. Mit unter zehn Prozent Fluktuation wären wir zufrieden." Denn das Durchschnittsalter am Klinikum sei sehr hoch.

Entlastung für die Mitarbeiter auf der Intensivstation könnte das neue Konzept der "Zwischenstation" bringen. Wie Hilzensauer berichtet, ist diese Arbeit nicht so hart. Die Patienten würden dort überwacht, es gebe weniger Todesfälle. Dorthin könnten Mitarbeiter der Intensivstation, die extrem belastet sind, für einige Zeit wechseln. 2013 soll das Konzept umgesetzt werden.

Hilzensauer betont, das Klinikum versuche, mit flexiblen Arbeitszeitmodellen den Bedürfnissen der Mitarbeiter gerecht zu werden. 82 Pfleger werden derzeit auf 51 Stellen auf der Intensivstation eingesetzt, dazu kommen 13 Ärzte. Hilzensauer betont: "Auch die Ruhezeiten werden eingehalten." In Ausnahmesituationen sei es aber schon möglich, dass die Arbeitszeiten auf der Intensivstation auch mal überschritten würden.

Meinung

Mehr Lohn für die Schwestern

Von SZ-RedakteurMarkus Saeftel

 Die Arbeit auf einer Intensivstation ist für die Krankenschwestern oft belastend. Archivfoto: Julian Stratenschulte/dpa

Die Arbeit auf einer Intensivstation ist für die Krankenschwestern oft belastend. Archivfoto: Julian Stratenschulte/dpa

Es ist kein Geheimnis, dass die Arbeit auf einer Intensivstation besonders anstrengend ist. Doch vor allem mit der Intensivmedizin können Krankenhäuser Geld verdienen. Die Belastung wird also nicht abnehmen, im Gegenteil: Das Klinikum Saarbrücken will die Zahl der Betten sogar erhöhen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass die Klinikleitung die Kritik von Mitarbeitern ernst nimmt. Elf Pflegekräfte der Intensivstation haben 2011 dem Klinikum den Rücken gekehrt. Doch der Fehler liegt im System: Die Bezahlung ist für diesen anspruchsvollen Job zu niedrig, sagt selbst die Pflegedirektorin Sonja Hilzensauer. Das können aber nur die Tarifparteien ändern. Sie müssen dafür sorgen, dass die Schwestern ordentlich bezahlt werden. Das Klinikum sollte die offenen Stellen jetzt schnell wiederbesetzen. Das hat Hilzensauer zugesagt. Auch bei der Schichteinteilung ist es wichtig, den Bedürfnissen der Mitarbeiter entgegenzukommen. Das Konzept der "Zwischenstation" macht ebenfalls Sinn. Wenn die Schwestern nicht jeden Tag mit dem Tod konfrontiert werden, sondern Patienten betreuen, denen es jeden Tag ein Stück besser geht, kehren sie motivierter auf die Intensivstation zurück.

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