Eklat bei Frankreich-Mahnwache

Saarbrücken · Islamkritik gibt es nur bei Rechten? Falsch, bei einer Kundgebung auf dem Ludwigsplatz stellte eine Rednerin der linken Aktion 3. Welt einen Zusammenhang zwischen Islam und den Morden von Frankreich her. Viele Besucher verließen den Platz.

 Mit dem Slogan “Ich bin Charlie„ bekundeten Menschen am Samstag auf dem Saarbrücker Ludwigsplatz ihr Mitgefühl mit den ermordeten Journalisten des Satire-Magazins “Charlie Hebdo„.

Mit dem Slogan “Ich bin Charlie„ bekundeten Menschen am Samstag auf dem Saarbrücker Ludwigsplatz ihr Mitgefühl mit den ermordeten Journalisten des Satire-Magazins “Charlie Hebdo„.

Foto: Becker&Bredel

Sie waren zu Hunderten zum französischen Generalkonsulat gekommen, um ein Zeichen der Solidarität mit Frankreich zu setzen. Doch Gertrud Selzer wollte es dabei nicht belassen. Das Vorstandsmitglied der Aktion 3. Welt hielt bei einer Kundgebung am Samstag vor dem Konsulat eine islamkritische Rede, die im Eklat endete. Viele Zuhörer verließen den Ludwigsplatz, es gab "Aufhören!"-Rufe.

Was war geschehen? Die Aktion 3. Welt, die autonome Antifa Saar und die Kurdische Jugend hatten nach den Morden in Frankreich zu einer Mahnwache mit dem Titel "Solidarität mit Charlie Hebdo - Islamismus und Rassismus bekämpfen" aufgerufen. Auf dem Ludwigsplatz versammelten sich laut Polizei zeitweise tausend Menschen, weil sich zur gleichen Zeit viele Bürger - auch viele Franzosen - in das Kondolenzbuch des Konsulats eintragen wollten.

Dass viele schnell wieder gingen, hing damit zusammen, dass Gertrud Selzer von der Aktion 3. Welt in ihrer Rede recht bald von der "islamistischen Blutspur" in der Welt auf den Islam als solchen zu sprechen kam: "Angesichts dieser täglichen Blutspur bin ich fassungslos, wenn Erklärungen verabschiedet werden, die sich von der Bluttat in Paris distanzieren, um im gleichen Atemzug den Islam ratzfatz weißzuwaschen. Blut ist nicht weiß. Das Blut der Ermordeten ist rot." Und an die "lieben multikulturellen Freunde" gerichtet, appellierte Selzer: "Hört endlich auf, so zu tun, als hätten diese Morde nichts mit dem Islam zu tun! Hört endlich auf, die Opfer mit euren Relativierungen noch nachträglich zu verhöhnen!"

Einige Zuhörer gaben später auf Facebook an, sie hätten sich wie bei einer Pegida-Kundgebung gefühlt. Doch von dieser Bewegung hatte sich Selzer in ihrer Rede distanziert: Es sei richtig, sich dem Rassismus und Antisemitismus von Pegida entgegen zu stellen. "Aber man kann das von Pegida-Brandstiftern gelegte Feuer nicht mit islamistischem Benzin und nicht mit falscher multikultureller Toleranz bekämpfen." Selzer attackierte auch die Islamverbände: "Keinen interreligiösen Dialog, solange ein Bekenntnis aller Teilnehmer zur individuellen Freiheit fehlt!"

Ungewohnte Worte für einen Verband, der seit seiner Gründung 1982 bestens im linken und linksalternativen Spektrum des Landes vernetzt ist und in dessen Beirat Politiker wie Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD ) und der Bundestagsabgeordnete Thomas Lutze (Linke) sitzen. Selzer sagte, sie trete ein für "eine linke, aufgeklärte Islamkritik - ohne Scheuklappen und ohne multikulturellen Wohlfühlfaktor".

Generalkonsul Frédéric Joureau und Forbachs Bürgermeister Laurent Kalinowski verließen vorzeitig den Platz, auch die SPD-Politikerin Elke Ferner ging nach Hause. "Ich wollte meine Betroffenheit kundtun. Aber hier wird eine Religion für Terror verantwortlich gemacht. Dabei sollte man keiner Religion pauschal Schlechtes unterstellen", sagte Ferner. Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann von der Evangelischen Kirche sagte: "Wir machen nicht den Islam für den Terror verantwortlich. Der Islam ist nicht der Islamismus , das werden wir auch in den kommenden Gottesdiensten thematisieren."

Generalkonsul Joureau sagte: "Ich bin beeindruckt, dass sich so viele Menschen ins Kondolenzbuch eingetragen haben und dafür Schlange standen. Das zeigt die große Solidarität der Mitbürger im Saarland." Das Buch werde er persönlich nach Paris bringen.

Eintragungen ins Kondolenzbuch sind noch heute und morgen von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 17 Uhr im französischen Generalkonsulat am Saarbrücker Ludwigsplatz möglich.

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