Einwanderer suchen Bildung

Saarbrücken · „Schule in der Einwanderungsgesellschaft“, darum ging es bei einer gut besuchten Veranstaltung in Völklingen. Die Botschaft: Einwanderer sind nicht gleich Einwanderer. Darauf müssten die Schulen reagieren.

 Nur mit interkulturell ausgebildeten Lehrern kann die Integration von Zuwandererkindern gelingen, sagt eine aktuelle Studie. Foto: dpa

Nur mit interkulturell ausgebildeten Lehrern kann die Integration von Zuwandererkindern gelingen, sagt eine aktuelle Studie. Foto: dpa

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Ein Klischee gefällig? Zuwanderer-Eltern haben eine distanzierte Haltung zum deutschen Schulsystem, wenig Aufstiegswillen und fördern ihre Kinder nicht genug. Diese Feststellung trifft, wenn überhaupt, nur auf eines von acht Einwanderer-Milieus zu, die die Studie "Große Vielfalt - weniger Chancen" des Düsseldorfer Bildungsexperten Professor Heiner Barz 2015 herausfilterte.

Über 1700 Befragungen und Interviews zersplitterten das Bild einer festgefügten Zielgruppe, belegten krasse Unterschiede in der Lebenshaltung, von Lebenslust- bis Status-Orientierung. Zugleich offenbart die Studie, die Barz am Dienstagabend im Interkulturellen Kompetenz-Zentrum in Völklingen-Wehrden vorstellte, eine überraschend große Übereinstimmung: Es ist dies die hohe Wertschätzung, die Bildung bei den Zuwanderern genießt. Quer durch alle Milieus sagen 96 Prozent, Bildung sei der Schlüssel zu einem gelingenden Leben. Und rund 30 Prozent der Befragten befassen sich bis zu zwei Stunden täglich mit Hausaufgaben oder anderen schulischen Dingen. Was bedeutet: Diese Familien sind für Schule zu gewinnen - wenn sie denn interkulturell offener wäre, so lautet die Barzsche Hauptthese. 92 Prozent der Einwanderer wünschen sich interkulturell ausgebildete Lehrer , doch nur 62 Prozent erleben sie in der Realität. Im Bundesschnitt sind nur rund sechs Prozent der Lehrer selbst zugewandert. Aber in Völklingen sind beispielsweise bereits 25 Prozent der Bürger Einwanderer . Wegen dieses Widerspruchs versammelten sich GEW-Gewerkschaftler, Praktiker, Zuhörer und Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD ) hinter den Barzschen Empfehlungen für eine interkulturell offenere Schule. Sie lauten: Interkulturelle Ausbildung und Fortbildung der Lehrer , mehr Lehrer mit Migrationshintergrund einstellen sowie die konsequente Einbindung der Zuwanderer-Eltern in den Schulalltag. Eine Gegenposition bezog niemand im Saal. Offen blieb, ob es überhaupt Nachholbedarf im Saarland gibt. Denn der Minister machte klar, wie viel bereits getan werde: rund 200 neue Lehrer oder sieben Millionen Euro für "Früh Deutsch lernen". Und nach Darstellung von Barbara Kiefer (Landesinstitut für Pädagogik und Medien) gibt es von Seiten der Lehrer eine hohe Fortbildungsbereitschaft. Das LPM sei am Ende der Ressourcen, was die Nachfrage betreffe. Laut Kiefer legt das LPM großen Wert auf "Haltungsarbeit". Man bilde nicht nur Sprach-Experten aus, sondern verändere die Sichtweise der Lehrkräfte auf fremde Kulturen. Und der Schulalltag? Die Podiums-Runde, die Gabi Hartmann (Arbeitskammer) moderierte, ließ wenig Zeit zur Praxis-Erkundung.

Weder Akin Aslan, Lehrer an einer Völklinger Gemeinschaftsschule, noch die Saarbrücker Schulsozialarbeiterin Nicole Schweizer - beide an Schulen mit bis zu 70 Prozent Einwanderer-Anteil - berichteten über gravierende Probleme. Aslan warnte lediglich davor, ausländische Lehrer generell in die Rolle des interkulturellen Scharniers zu zwingen. Und Schweizer brachte einen interessanten Aspekt ins Spiel: Warum die Personal- und Förderstunden-Ausstattung nicht auch nach Milieus berechnen? Denn laut Studie sei Einwandereranteil nicht gleich Einwandereranteil. Commerçon verwies auf die sogenannten "belasteten Grundschulen", die bereits besonders unterstützt würden. Sprich: In seinem Ressort läuft's rund?

Schnell ausgemacht war dann der wirkliche Knackpunkt im interkulturellen System: zu wenig Schoolworker (85) und Schul-Sozialarbeiter (60), die vom Sozialministerium und von den Kreisen finanziert werden.

"In diesem Bereich müssen wir kräftig nachsteuern", sagte Commerçon.

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Auf einen BlickIm Saarland haben laut Kultusministerium nur 142 von 8937 Lehrern eine ausländische Staatsbürgerschaft. Jedoch sagt dies nichts aus über den tatsächlichen Anteil von Lehrern mit Migrationshintergrund . Die Statistik weist doppelte Staatsbürgerschaften nicht aus. ce

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