Einsteigen zum Flüchtlingstheater!

Saarbrücken · Das muss erst mal einer können: ein bitter ernstes Thema so erzählen, dass Platz zum Lachen, zur Freude am Grotesken bleibt. Flüchtlingen, die in Saarbrücken neu anfangen, ist das gelungen. Das verdanken sie ihrem Bühnentalent. Und dem Mut, einen Bus zur Bühne zu machen.

 Mitglieder des Guerilla-Theaters stimmten die Fahrgäste durchs Megaphon und durchs Mikro auf die Spezialbusfahrt ein. Foto: Oliver Dietze

Mitglieder des Guerilla-Theaters stimmten die Fahrgäste durchs Megaphon und durchs Mikro auf die Spezialbusfahrt ein. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

"Wir proben live mit euch ein Theaterstück. Ihr seid nicht nur Zuschauer. Ihr seid integriert." Der Herr im Anzug trägt eine blonde Perücke. Durch ein weißes Megafon begrüßt er die Passagiere der Linienbus-Sonderfahrt. Etliche Neugierige sind eingestiegen. "Bitte alle Platz nehmen! Wir starten." Am quietschbunten Bus steht in großen Lettern "Das Guerillatheater".

Der Blonde schmettert seine Anweisungen durch das Megafon, die Stimmung ist heiter und gut. "Wir sind froh, dass ihr alle zu unserem Experiment gekommen seid, Theater live in einem Bus zu spielen." Das Projekt "Morgen ist schöner" über Neuanfang und über Europa, mit Amateurschauspielern, die größtenteils aus Syrien und Eritrea geflohen sind, hatte im September Premiere im Theater im Viertel. Jetzt verlegte "Das Guerillatheater" die Aufführung in einen Linienbus.

Dessen Sonderfahrt startet holprig. Wer von den Schauspielern steht, fällt in den Mittelgang. "Ich bin so müde", ist über eine portable Mikrofonanlage aus dem Heck zu hören.

Von den vorderen Sitzen antwortet jemand. Ein Dialog über das Angenommen- und Abgelehntwerden und über Freiheit fliegt mühelos zwischen Sitzreihen umher. Das Publikum amüsiert sich sichtbar, immer wieder gibt es Lacher. Wohl auch, weil die Schauspieler in einem fahrenden Bus vor andere Schwierigkeiten gestellt werden als auf einer Theaterbühne. Abruptes Bremsen, Martinshorn und Blaulicht, Straßenverkehr sind Widrigkeiten, denen sich die Schauspieler des Guerillatheaters meisterlich stellen. Während eine utopische "Gestalt eins" auftritt und sich in dezentem Befehlston nach dem Wohlergehen der Passagiere erkundigt, rumpelt der Bus vor sich hin. Zum Römerkastell, zum Hauptbahnhof, zum E-Werk und zurück zum Hansahaus.

"Es sind nicht die besten Zeiten, aber es sind unsere Zeiten", zitiert jemand Jean-Paul Sartre . Das Zitat könnte auf das Experiment Theaterbus nicht besser passen.

Bunt, laut, mit einem Hauch von Chaos, irgendwie schrill, und trotzdem mit dem Ziel, politisches Theater zu spielen, kommt das Ensemble unter der Regie Eugen Georgs daher.

Abwechslungsreich außerdem, mal zeigen die Darsteller ihr spielerisches Können, mal singen sie in ihrer eigenen Sprache oder tanzen den Mittelgang entlang. Langeweile empfindet wohl keiner der Passagiere . "Morgen wird schöner" ist das Ausgangsstück der Gruppe für das Theaterbus-Experiment, das natürlich seinen ganz eigenen Reiz und Charme hat. Fühlen sich Szenen auf der Theaterbühne beklemmend und einengend an, betrachtet man sie im fahrenden Bus, auf der Straße, freier und entspannter. Und das, obwohl die Themen sich nicht geändert haben. "Sometimes I wonder, if God is a killer or a dictator", proklamiert ein Schauspieler, wirft damit Fragen auf.

Trotz Trubel, viel Spaß und einer Menge Improvisation ist das Spiel aller Darsteller authentisch und geht unter die Haut. Ein Experiment, das in allen Punkten gelungen ist und zur Wiederholung taugt.

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