„Eine völlig andere Kirchenerfahrung“

Saarbrücken · Wie haben die Besucher der ökumenischen „Nacht der Kirchen“ auf die vielfältigen Angebote reagiert? Die SZ machte am Sonntagabend einen Rundgang. Ergebnis: Die „andere Kirchenerfahrung“ begeisterte viele.

 Die Stadtkirche in Homburg hatte Jochen Maas für die Nacht der Kirchen in bunten Farben illuminiert. Foto: Evangelischer Kirchenkreis Saar

Die Stadtkirche in Homburg hatte Jochen Maas für die Nacht der Kirchen in bunten Farben illuminiert. Foto: Evangelischer Kirchenkreis Saar

Foto: Evangelischer Kirchenkreis Saar

Am Pfingstsonntagabend öffneten 51 Gotteshäuser im ganzen Saarland, mehr als 15 000 Besucher zählten die bei Konfessionen. Das Angebot überzeugte vor allem Kunstinteressierte und Musikfans, aber auch treue Kirchgänger. Denn das Programm räumte mit den Vorstellungen von einem eher verstaubten Gottesdienst auf. Vom mitreißenden Gospelchor über Jazzkonzerte bis hin zu bolivianischem Tanz hatten sich die katholischen und evangelischen Gemeinden einiges einfallen lassen. Doch was lockt die Besucher an diesem Abend so zahlreich in die Kirchen? Ist es der Showcharakter, die Kirche als Ort der Unterhaltung? Oder ist es die Offenheit der Kirche, die eben dadurch ausgedrückt wird?

Erster Halt auf der Kirchentour ist die Kirche der Jugend in St. Johann. Hier geben Silvia Mendez und Elisabeth Ziegler eine kurze Einführung in bolivianische Tänze, um das Publikum kurz darauf selbst zum Tanz zu animieren. Im bunten Licht des Kirchenraumes und zu den Klängen bolivianischer Volksmusik tanzen die Besucher, jung und alt gleichermaßen, bald schon schwungvoll durch die Hallen. "Die Nacht der Kirchen ist schon etwas Besonderes und eine völlig andere Kirchenerfahrung. Wir wollten eigentlich drei bis vier Kirchen besuchen, aber hier geht es so fröhlich zu, wir bleiben wohl noch ein bisschen", sagt Margarete Krayer noch etwas außer Atem vom Tanz.

Auch das nächste Gotteshaus, die evangelische Kirche am Lorenzberg in St. Johann, lädt zum Feiern ein. Schon am Eingang stehen Menschentrauben - und drinnen ist es so voll, dass man kaum noch einen Stehplatz findet. Die Besucher klatschen im Rhythmus zum Gospelchor "GosPeople" und lassen sich von der energiegeladenen Stimmung mitreißen. Auch Friederike Kihm aus Dudweiler klatscht mit und meint: "Ich bin eigentlich kein besonders religiöser Mensch, aber das hier animiert mich, vielleicht doch wieder öfter eine Kirche zu besuchen. Diese lebendige Atmosphäre regt zum Austausch an und macht die Kirche offener, einfach weltlicher."

An der Friedenskirche in Alt-Saarbrücken steht man dann vor verschlossener Tür. Im Programm wurde eine Lichtvesper und meditative Musik angekündigt. Hier sollte man "das Wort Gottes lebendig erfahren". "Wir sind umgezogen" steht im Aushang. Kein Ort der Begegnung? Doch. Das Ehepaar Henn aus Saarbrücken will sich die Kirche ebenfalls ansehen und gemeinsam geht es nun zur gegenüberliegenden Ludwigskirche. "Wir gehen öfter in die Kirche, aber nicht aus religiösen Gründen", so Anne Henn. Für das Ehepaar steht die Kirche als Sehenswürdigkeit im Mittelpunkt. Feierlich geht es dann in der Ludwigskirche mit dem Jubilate Chor Sitterswald zu. Neben Soli und einer Jazz-Pop-Kantate stimmen auch die Besucher in den Kanon "Jesus is my Salvation" ein. Überhaupt scheinen die Kirchen in dieser Nacht besonders auf Interaktivität zu setzen. Tanz, Gesang, gemeinsames Essen, alles ist zum Mitmachen und regt dazu an, mit anderen Besuchern ins Gespräch zu kommen.

Aber die Kirche ist auch ein Ort der Andacht. In der St. Jakob Kirche in Alt-Saarbrücken geht es stiller zu. Unter dem Motto "Friede in Deinen Toren" erinnert St. Jakob an den Beginn des Ersten Weltkrieges. In einer Bank sitzt Franz Becker. Er geht jeden Sonntag in die Kirche. "Ich bin ein spiritueller Mensch und lebe meinen Glauben, daher ist es eine Selbstverständlichkeit für mich, an der Nacht der Kirchen teilzunehmen. Natürlich ist es eine andere Art des Kirchgangs, die Kirche öffnet sich und man trifft Menschen, die man sonst nicht sieht", sagt er. Für ihn stehen immer noch Glaube und Spiritualität im Mittelpunkt, es gehe schließlich um die Geisterfahrung an Pfingsten. Wie auch immer: In jedem Fall regte die "Nacht der Kirchen" zum Nachdenken an - über das Christentum, die eigene Religiosität und wie wir Kirche heute erleben.

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