Eine (un)endliche Geschichte

Saarbrücken · Spätestens vom 1. Januar 2016 an soll die Notrufnummer 112 zentral auf dem Winterberg abgefragt werden. Das Tauziehen um die Integrierte Leitstelle für das Saarland soll heute nach acht Jahren ein Ende haben.

 Die Rettungsleitstelle auf dem Winterberg nimmt künftig landesweit alle 112-Notrufe an. Foto: ZRF

Die Rettungsleitstelle auf dem Winterberg nimmt künftig landesweit alle 112-Notrufe an. Foto: ZRF

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Am Vormittag des 29. November 2006 knallten im Landtag zwar nicht gerade die Sektkorken, aber die Abgeordneten waren der Meinung, dass sie gerade ein ziemlich gutes Gesetz beschlossen hatten. Die damalige Innenministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU ) sagte, die geplante gemeinsame Leitstelle für Rettungsdienst und Feuerwehren mit der zentralen Notrufnummer 112 sei ein "ganz großer Schritt" und ein "Quantensprung" für die Sicherheit. Heute, am 20. Mai 2015, wird der Landtag ein neues Gesetz beschließen - weil das 2006 beschlossene Projekt einer Integrierten Leitstelle (ILS) nach acht Jahren Verhandlungen in einem Desaster endete.

Die Integrierte Leitstelle, so stand es im Gesetz, sollte spätestens zum 1. Januar 2009 ihren Betrieb aufnehmen, an zwei Standorten: in der Haupteinsatzzentrale der Berufsfeuerwehr im Saarbrücker Hessenweg und in der Rettungsleitstelle auf dem Winterberg. Die Träger der ILS, die Stadt Saarbrücken mit ihrer Berufsfeuerwehr und der Rettungszweckverband (also die Landkreise) mit der Leitstelle Winterberg, sollten sich in einem Vertrag über die Einzelheiten einig werden. Dass das Zwei-Standorte-Modell wegen der erforderlichen Standleitung pro Jahr 500 000 Euro teurer würde als ein Ein-Standorte-Modell, nahm man in Kauf, um des lieben Friedens willen.

Doch dieser Friede zwischen Stadt und Rettungszweckverband trat nicht ein. Im Gegenteil, von 2006 an führten beide Seiten einen beispiellosen Kleinkrieg gegeneinander. Die im Gesetz geforderte Vereinbarung kam nie zustande. Beide Seiten stritten über Personal, Technik, Zuständigkeiten und Kosten. So verstrich der 1. Januar 2009, an dem die ILS eigentlich starten sollte. Es verstrichen auch die Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013. In einer vom Innenministerium moderierten Arbeitsgruppe gifteten sich die Wortführer regelmäßig an, Sitzungen mussten unterbrochen werden, Kompromisse wurden nach kurzer Zeit widerrufen. Protokolle und Schreiben füllen mehrere Dutzend Aktenordner.

Kurz zusammengefasst warf die Stadt dem Zweckverband vor, er schaffe einseitig Fakten mit dem Ziel, die ganze ILS an seinem Standort auf dem Winterberg aufzubauen. Der Zweckverband wiederum hielt der Stadt vor, das gemeinsame Projekt zu torpedieren, um am Ende alles zu bekommen. Die Frage, welche Seite schuld ist, war praktisch nicht zu klären. "Ein Bock stößt nicht allein", sagte einer, der die Verhandlungen aus der Nähe mitverfolgt hat.

Am 8. Oktober 2014, als die Nerven bei allen blank lagen, wurde das Zwei-Standorte-Modell für gescheitert erklärt. Der CDU-Innenpolitiker Günter Becker , der schon 2006 am Gesetz mitgearbeitet hatte, beklagte im Landtag, "dass persönliche Befindlichkeiten oder ein Gesichtsverlust beziehungsweise der Kampf um Pfründe in den Vordergrund gestellt werden". Es gehe aber einzig und allein um die Rettung von Menschen.

Damit war nun, nach 2006, der Landtag wieder am Zug. CDU und SPD entschieden nach dem Scheitern des Zwei-Standorte-Modells: Alleiniger Träger der ILS wird der Rettungszweckverband, der inzwischen Zweckverband für Rettungsdienst und Feuerwehralarmierung (ZRF) Saar heißt. Die Stadt Saarbrücken ist damit raus.

Alle 112-Notrufe sollen spätestens vom 1. Januar 2016 an auf dem Winterberg angenommen werden; derzeit landen einige Notrufe aus dem Regionalverband je nach Netz des Anrufers noch bei Polizei oder Berufsfeuerwehr. Der ZRF soll auch gesetzlich zuständig werden für die Feuerwehr-Alarmierung im gesamten Land. Im Regionalverband, wo bislang die Berufsfeuerwehr gesetzlich zuständig ist, soll diese nur noch als Dienstleister des ZRF eingebunden werden - was einen Vertrag beider Seiten voraussetzt. Kommt dieser nicht zustande, kann das Innenministerium die Berufsfeuerwehr komplett rausdrängen. Eine Blockade, heißt es in der Koalition, sei damit, anders als nach 2006, nicht mehr möglich. Zwar stemmte sich die Stadt Saarbrücken gegen diesen Passus, doch die große Koalition wollte ihren Gesetzentwurf nicht mehr ändern.

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