Eine Reise von Couch zu Couch

Saarbrücken · Was tun, wenn das Zimmer im Studentenwohnheim nicht mehr zur Verfügung steht, man aber jobbedingt einen Schlafplatz in Saarbrücken benötigt? Informatiker Stefan Tombers hatte eine Lösung: einen Monat lang bei Freunden unterkommen.

 Stefan Tombers mit Rucksack im Wohnzimmer seiner letzten Gastgeberin Barbara. Foto: Klasen

Stefan Tombers mit Rucksack im Wohnzimmer seiner letzten Gastgeberin Barbara. Foto: Klasen

Foto: Klasen

Nach einem Monat Vagabundenleben lässt Stefan Tombers seinen ständigen Begleiter, einen großen Wanderrucksack, auf den Boden sinken. Die Mission "Couchsurfing in Saarbrücken " ist geglückt. Den kompletten Oktober lebte der 26-jährige Informatiker aus dem Rucksack und wechselte fünfmal den Schlafplatz. Dabei konnte er die unterschiedlichsten Wohnformen kennenlernen - vom Einzelappartement, über eine Wohnheim-Doublette bis hin zu einer Sechser-WG. Auf fremden Sofas zu nächtigen, war dem weltoffenen jungen Mann, der als Backpacker, also als Rucksack-Tourist bereits den Iran bereiste, nicht neu. Aber Couchsurfing in Saarbrücken , warum das?

Im April machte Stefan seinen Master und erhielt im Anschluss eine bis Ende Oktober befristete Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Informationssysteme an der Saar-Uni. Da er kein Student mehr war, musste er am 30. September aus dem Wohnheim ausziehen. "Die Ausgangssituation war also: Ich habe keinen Schlafplatz mehr in Saarbrücken , aber noch für einen Monat einen Job", erzählt er. "Für diesen kurzen Zeitraum eine Wohnung zu suchen, war mir zu kompliziert, zumal ich ab Januar eine neue Stelle in Frankfurt habe." Es galt also, den Oktober irgendwie zu überbrücken.

Stefans Freunden blieb seine Situation nicht verborgen. "Von vielen gingen schnell klare Signale aus, dass ich gern bei ihnen übernachten könne." Und so packte der abenteuerlustige Rheinland-Pfälzer seinen großen Wanderrucksack und begann eine Reise durch die Wohn- und Schlafzimmer seiner Saarbrücker Mitmenschen. Erste Station: Wohnheim Guckelsberg. Mit seinem ehemaligen Mitbewohner Ashkan verbindet Stefan eine enge Freundschaft. Ehrensache, dass er bei ihm übernachten durfte. "Ashkan hätte mich auch den ganzen Oktober bei sich aufgenommen. Aber das wollte ich ihm nicht antun", erklärt Stefan. "Das Rotieren hatte auch den Sinn, dass ich niemanden zu lange belaste. Denn man muss bedenken: So interessant die Erfahrung auch ist, sie war mit Stress verbunden. Die Privatsphäre aller Beteiligten wurde eingeschränkt. Wenn man sich ein Zimmer teilt, muss man immer Rücksicht nehmen und kann sich nicht so frei bewegen, wie man möchte."

Aber warum bürden sich Menschen diesen Stress freiwillig auf? Schließlich teilte sich Stefan mit fast allen Gastgebern mehrere Nächte ein Zimmer. Die 23-jährige Computerlinguistin Julia hat öfters Rucksacktouristen zu Gast und ist dem Prinzip Couchsurfing gegenüber sehr aufgeschlossen. "Das ist eine spannende Sache, bei der man viele interessante Leute kennenlernt." Etwas anders sah die Motivation bei Informatikerin Barbara (26) aus: "Stefan ist ein guter Freund. Da war das gar kein Thema. Ob ich allerdings einem Fremden meine Couch überlassen würde, weiß ich nicht."

Nachdem Stefan vier Tage bei Ashkan im Wohnheim verbrachte, ging es weiter in eine Sechser-WG in St. Johann. Da Kommilitonin Jenny während der Semesterferien nicht in Saarbrücken war, durfte er ihr WG-Zimmer nutzen. Zwei Wochen später bezog er Quartier im Einzelappartement seines Freundes Shuai. Bis Ende Oktober schlossen sich Aufenthalte auf den Sofas von Julia (Dreier-WG) und Barbara (eigene Wohnung) an.

Rückblickend meint Stefan: "Für mich war das Ganze auch eine Art Experiment: Kann ich einen Monat lang aus dem Rucksack leben, keinen festen Wohnsitz haben und trotzdem jeden Tag normal zur Arbeit gehen? Jetzt weiß ich: Ja, das klappt. Die Zeit war zwar anstrengend, aber auch sehr abwechslungsreich. Ich finde es schön, dass ich in Saarbrücken so viele tolle Freunde gefunden habe, auf die Verlass ist." Er lächelt wehmütig. "Mit dieser Aktion nehme ich also Abschied von Saarbrücken ." Aber er weiß ja, dass in der Landeshauptstadt jederzeit eine Couch für ihn frei ist, wenn er mal zu Besuch ist.

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