„Eine ganzheitliche Sportart“

Raimund Hübinger ist seit dem Jahr 2000 Präsident des Fechter-Bunds Saar. Im Gespräch mit SZ-Mitarbeiter Sebastian Zenner erklärt Hübinger, dass Fechten längst nicht mehr als elitär gelten kann und welchen Einfluss Johnny Depp auf die Mitgliedszahlen seiner Vereine hat.

Herr Hübinger, wie sind Sie selbst zum Fechten gekommen?

Raimund Hübinger: Ich habe im Alter von elf Jahren beim damaligen TV Fraulautern mit dem Fechten angefangen. Die schönen Piratenfilme, die ich damals gesehen habe, waren wahrscheinlich der Anlass. Aber fechterisch hatte es mir sehr schnell sehr viel Spaß gemacht, und ich hatte recht schnell gute Erfolge. Unsere Abteilung ist damals so gut gewachsen, dass wir 1972 den Fechtsportclub Saarlouis aus der Taufe gehoben hatten, um uns selbstständig zu machen. Damals war ich als Gründungsmitglied dabei und bin seit einigen Jahren Präsident des FSC.

Wenn Sie von Piratenfilmen inspiriert wurden - spielt heutzutage die "Fluch der Karibik"-Reihe eine Rolle in Sachen Nachwuchs-Akquise?

Hübinger: Das ist so. Man merkt das zwar nicht in Riesenmengen, aber es ist tatsächlich so, dass dadurch das Interesse am Fechten stärker geweckt wird, als das in anderen Zeiten der Fall ist.

Wie sehen Sie die Nachwuchsarbeit vor dem Hintergrund des demografischen Wandels?

Hübinger: Für uns ist es schwierig, weil wir überproportional viele Schüler von weiterführenden Schulen in unseren Vereinen haben - vor allem viele Gymnasiasten, die sich auf das Abitur vorbereiten. Gerade da sind die Anforderungen durch G8 deutlich gestiegen. Nach dem Abitur verlassen unsere Fechter das Saarland oft wegen eines Studienplatzes. Uns fehlt also in der Altersstruktur quasi die Mittelschicht so ab 19, 20 Jahren. Früher gab es noch ein Schüler-Kadertraining, das mittags gegen 15 oder 16 Uhr begann. Das geht nicht mehr, und deshalb müssen wir uns auf andere Trainingszeiten einstellen. Trotzdem haben wir zusätzlichen Nachwuchs gefunden. Dafür sind aber andere Gründe verantwortlich - beispielsweise ein guter Landestrainer, den wir in Pavel Jacak gefunden haben.

Fechten ist nicht gerade die günstigste Sportart. Sehen Sie den finanziellen Aspekt als Hemmschuh bei der Mitgliederentwicklung?

Hübinger: Eigentlich nicht, weil die Fechtvereine im Großen und Ganzen so ausgerichtet sind, dass sie die Ausrüstung zu Beginn zur Verfügung stellen können. Bei weitergehendem Interesse sind die Vereine auch bereit, unterstützend tätig zu werden. Mein Verein hat es früher beispielsweise so gehandhabt, dass die Waffen dem Verein gehörten und von den Mitgliedern genutzt werden konnten. Das ist heutzutage vielleicht nicht mehr ganz so üblich, aber nach meinem Dafürhalten ist eine Ausrüstung in der Relation auch nicht mehr so teuer wie früher. Es gibt sicher Sportarten, die teurer sind.

Also ist Fechten nicht nur für besser Betuchte interessant?

Hübinger: Richtig. Es ist nicht mehr so wie früher, als das Bürgertum qua seiner Jahrhunderte alten Tradition eine Fechtausbildung begonnen hat. Das Bürgertum im alten Sinne gibt es ohnehin nicht mehr. Unser Nachwuchs ist kunterbunt gemischt und kommt aus allen Schichten.

Wie sind die Fechtvereine im Saarland infrastrukturell aufgestellt?

Hübinger: Wir brauchen in dem Sinne ja nicht allzu viel. Wir können im Prinzip in jeder Halle trainieren - sofern sie nicht zu glatt und rutschig ist. Im Moment ist mir nicht bekannt, dass es in diesem Bereich irgendwelche Schwierigkeiten gäbe.

Gibt es einen Bereich, in dem Sie sich Verbesserungen wünschen?

Hübinger: Es ist schwierig, gute Trainer hierher zu bekommen, weil gute Trainer letztendlich teuer sind. Und mit guten Trainern stehen und fallen Erfolge. Ein kleiner Verband wie unserer kann sich so etwas nur schwerlich leisten. Wir haben derzeit mit Pavel Jacak einen sehr guten Landestrainer, der allerdings so gut ist, dass ihn der Deutsche Fechterbund quasi abgeworben hat. Er führt bei uns noch das Kadertraining im Florettfechten durch, ist aber ansonsten überwiegend in Bonn. Man muss sehen, wie lange das noch gut geht.

Wie steht es um die finanzielle Situation der Vereine?

Hübinger: Die Vereine stehen immer unter einem erheblichen finanziellen Druck. In Sachen Sponsoring hat es das Fechten schwer, weil es keine Massen- beziehungsweise Breitensportart ist und auch, was Fernsehaufnahmen angeht, etwas schwerer darzustellen ist wie andere Einzelsportarten. Von daher findet man eigentlich keinen, der bereit ist, ein ständiges Sponsoring zu machen, von dem man sich beispielsweise besondere Trainerkapazitäten leisten könnte. Das ist sicherlich unser größtes Hindernis, in der Breite weiter nach vorne zu kommen und auch, was den Leistungssport betrifft.

Gibt es im Saarland Fechtvereine, die sich in Vergangenheit oder Gegenwart besonders verdient gemacht haben?

Hübinger: Da gibt es zum einen die FSG Dillingen, die schon mehrere deutsche Meisterinnen und Meister und mit Christiane Weber sogar eine Olympiasiegerin hervorgebracht hat. Auch der FSV Klarenthal hat immer hervorragende Leute in seinen Reihen - wie beispielsweise die Braun-Brüder (siehe Text unten) oder Hans Jürgen Hauch, der mittlerweile Landestrainer beim Württembergischen Fechtbund in Heidenheim ist. Auch die TG Rohrbach feierte schon tolle Erfolge, zum Beispiel als Emanuel Flierl 2005 in Österreich Kadetten-Weltmeister wurde. Auch der Fechterring Hochwald-Wadern gehört zu den erfolgreichsten Saar-Vereinen.

Warum sollten sich junge oder ältere Menschen ausgerechnet für Ihre Sportart entscheiden?

Hübinger: Weil diese Sportart mehr als andere alles Mögliche von einem fordert. Sie erfordert Disziplin, körperliche Ausbildung, durchaus auch Krafttraining, ein großes Reaktions- und Koordinationsvermögen und vor allen Dingen auch einen geistigen Einsatz, weil man immer wieder mit unterschiedlichen Situationen zurechtkommen muss. Das Fechten ist eine Sportart, die einen Menschen ganzheitlich fordert und ausbildet und nicht einseitig, wie das in vielen anderen Sportarten der Fall ist.

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