Ein Zuhause auf Zeit

Saarbrücken · Manche sind erst 14 Jahre alt, viele schwer traumatisiert: Es sind junge Frauen, die den Mut hatten, alleine aus ihrem Heimatland zu fliehen. Seit Montag kommen sie nach der Registrierung übergangsweise in Saarbrücken unter. Es ist ein langsamer Schritt zurück ins Leben.

Tulpen , Honig und Marmelade in einem hellen Raum. Links ein buntes Sofa, rechts oben ein Fernseher. Wer nicht genau hinsieht, könnte meinen, er befinde sich in einer Jugendherberge. Und das ist gar nicht so abwegig. Denn auch hier kommen Jugendliche übergangsweise unter. Mal in Doppelzimmern, mal alleine. Doch das Elisabeth-Zillken-Haus in der Dudweiler Landstraße ist kein Ort für Freizeitausflüge. Seit Montag ist das Haus, für das der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) zuständig ist, eine Schutzstation für unbegleitete Mädchen , die aus Ländern wie Eritrea, Syrien oder Afghanistan geflohen sind. "Viele haben sexuelle Gewalt erfahren. Hier werden sie darauf vorbereitet, keine Angst mehr vor Männern oder allgemein vor dem Leben zu haben", sagte gestern Sozialministerin Monika Bachmann , die im Erdgeschoss der Einrichtung das Konzept der neuen Clearing-Gruppe vorstellte. "Clearing" (zu Deutsch: Klärung) heißt in diesem Fall, dass die Mädchen vier bis sechs Wochen lang in der Einrichtung bleiben, bis die weiteren Schritte geklärt sind. "Sie sollen spüren, dass sie hier willkommen sind. Aber auch wieder loslassen können", sagt Barbara Klein, Leiterin des Elisabeth-Zillken-Hauses. Seit Anfang dieser Woche betreut ihre Einrichtung die ersten zwei Mädchen . Sie stammen aus Afghanistan und Eritrea, sind jeweils 14 und 17 Jahre alt.

Maximal fünf junge Frauen kann das Elisabeth-Zillken-Haus gleichzeitig aufnehmen. Was bisher vor allem eine Anlaufstelle für Frauen ohne geschützten Wohnraum war, ist nun zusätzlich ein Schutzort für Mädchen mit Fluchterfahrung. Das Geld für die Maßnahme stellt das Sozialministerium. Wie viel genau, könne noch nicht mitgeteilt werden, heißt es auf Anfrage.

Eine solche Zwischenstation für weibliche Geflüchtete hatte es im Saarland bisher nicht gegeben. Nötig geworden sei sie, so Bachmann, vor allem deshalb, weil die Zahl der weiblichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Jahr 2016 deutlich angestiegen sei. Während es in den Jahren 2014 und 2015 kaum Fälle gegeben habe, seien seit Februar 2016 von 586 Flüchtlingen dieser Gruppe 67 weiblich. Also 13 Prozent. Aus Schutzgründen habe das Ministerium beschlossen, diese Mädchen auch von der Verteilung in andere Bundesländer auszunehmen. "Eine Weiterreise wäre für die teilweise schwer traumatisierten Frauen nicht zumutbar", sagte Bachmann.

Bisher wurden die jungen Frauen im Vorclearinghaus am Schaumberger Hof in Tholey zunächst registriert und ärztlich untersucht, anschließend direkt in Wohngruppen untergebracht. Seit Anfang dieser Woche ist das anders: Nach maximal zwei Tagen in Tholey sollen die Mädchen ins Elisabeth-Zillken-Haus ziehen. Das Jugendamt stellt ihnen eine Vormundin zur Seite. "Es gibt auch eine Kooperation mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie", sagt Klein. Einige bedürfen dringend einer Psychotherapie. Andere sind schwanger. Der Aufenthalt in der Zwischenstation soll helfen, auf die individuellen Bedürfnisse der Mädchen einzugehen. Und was geschieht danach? In Frage kommen betreutes Wohnen, Jugendwohngemeinschaften, eine eigene Wohnung oder auch die Aufnahme in eine Gastfamilie. Das Gastfamilienprogramm des Ministeriums beschränkte sich aufgrund des Bedarfs bislang auf männliche Geflüchtete. Jetzt sollen auch junge Frauen in Gastfamilien unterkommen.

Eine weitere Herausforderung: die deutsche Sprache. Die meisten stammen aus Eritrea, in aller Regel sind sie zwischen 14 und 17 Jahre alt. Ihre Muttersprache, die nur wenige beherrschen: Tigrinya. Deshalb sollen sie auch im Elisabeth-Zillken-Haus Schritt für Schritt ihr Deutsch verbessern, einen geregelten Tagesablauf haben. Wäsche waschen. Einkaufen gehen. Jeden Morgen gemeinsam frühstücken. Und das in einem hellen Raum mit Tulpen , Honig und Marmelade.

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