Ein seltsam gestimmter Gesellschaftsabend

Saarbrücken · Solide, aber brav geriet der jüngste SR-Gesellschaftsabend. Wegen der Terroranschläge in Paris wurde die Sendung nicht live übertragen, sondern wird erst zu einem späteren Zeitpunkt gesendet.

Wie soll man einen Kabarettabend machen nach diesem Freitag, 13. November 2015, mit den durch IS-Terroristen begangenen Anschlägen in Paris und mehr als 120 Toten? Das fragten sich Alfons und der Redakteur des SR-Gesellschaftsabends Steffen Kolodziej und bekräftigten auf der Bühne, man wolle sich nicht in seiner Arbeit beeinflussen lassen, obwohl man lange über eine Absage diskutiert habe. "Dann leben wir wirklich nicht mehr in einer freien Gesellschaft, genau das wollen die Terroristen, dann haben sie gewonnen", sagt Alfons. Allerdings wird die Hörfunksendung nicht wie gewohnt live, sondern erst eine Woche später übertragen.

Ein merkwürdiger Kompromiss, wie überhaupt der ganze Abend solide, aber brav gerät. Kabarett sei ein Symbol für Freiheit, da könnten Künstler Unliebsames sagen. Die machten davon überraschend wenig Gebrauch. Timo Wopp zeigte sich unbekümmert ob Deutschlands Flüchtlings-Aufnahmekapazitäten. 1989 habe das Land binnen weniger Minuten 17 Millionen in Strickpullis und stinkenden Plastikfahrzeugen verdaut, das ging auch. Als Prenzlauer-Berg-Mutti-geschädigter Jungvater gibt er sich gender-unsensibel und beleidigungs-offensiv. Ähnlich Nils Heinrichs wortstarke Leiden junger Väter. Lieder und Anekdoten aus dem Kuchen-to-go-Imbiss mit mundfaulen Backblech-Bachelors machen lachen.

Glamourös divenhaft parliert frech Sven Ratzke und singt mit großer Stimme Brechts "Salomon Song" und hinreißend eigen David Bowies "Heroes", am Piano exzellent begeleitet von Charly Zastrau.

Alfons will Positives in dieser "Scheißsituation heute" erzählen, vom Konzern Unilever und der missglückten Verlegung seiner Teebeutelfabrik nach Polen, dank aufständischen Arbeitern, die die Fabrik erst lange besetzten, später gar übernehmen durften. Eine feinfühlige Geschichte von Ausdauer, Mut und Initiative an einem seltsam gestimmten Abend, der genau das braucht, um nicht im Unentschiedenen zu verharren.

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