Ein Schnappschuss vom Rummelplatz

Saarbrücken · Mehrere Wagen stehen schon quer, ihre Fahrer versuchen sich aus dem Crash zu winden, lenken, geben Gas, vor und zurück. Ein Mädchen in einem der Autos dreht plötzlich hektisch den Kopf, schaut zurück und noch mal nach vorne.

Sie sieht es kommen, das Auto, das von hinten heranschießt und in die Menge kracht. Der unangeschnallte Fahrer hebt sich vom Sitz und fällt hart zurück. Ein Signal ertönt, der Strom ist weg. Die Kirmesbesucher müssen aus den Autoscootern steigen.

Sie eilen zu einem kleinen Häuschen, in dem ein Mann hinter einer Scheibe sitzt. Er selbst ist kaum zu sehen, nur seine Hände, die das Geld an der Öffnung entgegennehmen. Ein Fernsehbild strahlt ihn von der Seite an, es kommt von einem Gerät, das unter einem Regal mit CDs steht. Eine Fernsehserie ist eingeschaltet. Mit neuen Plastikchips ausgerüstet sitzen die Jugendlichen schon wieder gespannt in den pink- und blau-metallic-farbenen Boxautos, eine Hand liegt bereits auf dem Schlitz, ein Chip schon halb versenkt, wie ein Sprinter, der auf den Startschuss wartet. Ein Beifahrer zündet sich eine Zigarette an, hält sie zwischen Daumen und Zeigefinger, als hätte er sich das aus einem Film abgeschaut, und lehnt sich lässig zurück in den harten Plastiksitz, als wäre es ein Kinosessel.

Die Sonne steht tief über dem Rummelplatz. Mütter mit Stofftieren unter den Armen schieben ihre Kinderwagen vom Platz. Jugendliche trudeln ein. Händchen haltend schlendern junge Pärchen durch den Duft von gebrannten Mandeln. Schwarz gekleidete Sicherheitsleute ziehen ihre Runden, aufmerksam, aber entspannt, mit den Händen in den Hosentaschen. "Wir sind immer in Zweierbesetzung hier, den ganzen Tag", sagt einer, "es ist immer was los". Allein durch ihre Präsenz wirken die beiden abschreckend. Hier und da bilden sich Grüppchen von Jugendlichen. Die einen spazieren als eine Einheit über den Platz, andere bleiben stehen und stellen sich kreisförmig auf. Vor allem an der Berg- und Talbahn und dem Autoscooter versammeln sie sich.

Die besonderen Fahrgeschäfte, die die Kirmes fast zu einem Freizeitpark machen, ziehen nun niemanden mehr an: Auf der Wildwasserbahn fahren die Boote unbemannt durch das Becken und auch die Überschwemmung in einem Erlebnisparcours will offenbar keiner mehr sehen. Jetzt am Abend scheint das für die Besucher nicht mehr interessant. Angesagt sind die Fahrgeschäfte, die Jugendliche wohl schon immer angezogen haben.

Schnell noch ein Selfie, bevor die Berg- und Talbahn startet. Immer schneller wird die Bahn, bis alles verschwimmt. Haare fliegen, Mädchen kreischen ihren Spaß hinaus, "wuhuuu", ein Junge schließt die Augen - ist es Genuss oder Übelkeit?

An einer Bude ist Kräftemessen angesagt. Beim Dosenwerfen bringt ein Kerl all seine Kräfte auf und feuert einen Ball auf goldene Blechdosen. Schräg hinter ihm hält ein weiterer die Treffkünste für die Ewigkeit fest. Mit einem Tablet-Computer, so groß wie ein Frühstücksbrettchen, filmt er das Kraftpaket. Gleich nebenan beginnt ein Tumult. Mehrere Jugendliche stehen im Kreis. Sie spielen ein Spiel. Einer steht in der Mitte, ein anderer haut drauf: Mit geballter Faust und zurückgezogenem Arm zielt ein Junge und schlägt auf den Oberarm eines anderen, der von zwei Halbstarken festgehalten wird. Offenbar ist der Schläger nicht zufrieden: "Du hast weggezogen", schreit er. Ein nächster Junge zeigt sich bereit, er sei jetzt an der Reihe. Nein, "jeder darf zwei Mal", schreit der Schläger.

Während das Gerangel seinen Lauf nimmt, Jugendliche statt Dosenwerfen lieber sich selbst boxen, ziehen viele andere, ohne davon etwas mitzubekommen, weiter ihre Runden. Händchen haltend und mit den Händen in den Hosentaschen. Auf dem Rummelplatz ist immer was los.

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