Ein „Säufer-Stück“ mit Wahrheiten

Saarbrücken · In der Sowjetunion wurde Wenedikt Jerofejews Stück „Die Reise nach Petuschki“ sofort verboten. Seinen Siegeszug auf die Theaterbühnen konnten die Zensoren dennoch nicht verhindern.

 Fabelhafte Gestalten bringen Laura Linnenbaum, Michaela Kratzer und Julica Schwenkhagen (von links) auf die Bühne der Sparte 4. Fotos: Oliver Dietze

Fabelhafte Gestalten bringen Laura Linnenbaum, Michaela Kratzer und Julica Schwenkhagen (von links) auf die Bühne der Sparte 4. Fotos: Oliver Dietze

 Ohne Maske: Das Regie-Team hat für „Die Reise nach Petuschki“ nicht nur fabelhafte Köpfe gebaut, sondern auch sämtliche Koffer aus dem Theaterfundus benutzt.

Ohne Maske: Das Regie-Team hat für „Die Reise nach Petuschki“ nicht nur fabelhafte Köpfe gebaut, sondern auch sämtliche Koffer aus dem Theaterfundus benutzt.

. Ein Autor, der sich in Moskau mit viel Wodka in den Zug setzt, um seine Geliebte zu besuchen und mit steigendem Alkoholpegel über das marode Sowjetsystem sinniert? Solcherart Literatur passte den russischen Zensoren 1969 gar nicht, weshalb sie "Die Reise nach Petuschki" denn auch gleich mal verboten.

Wenedikt Jerofejews Poem, das es dann über den Umweg Israel doch noch zur Karriere - nicht nur - im russischen "Underground" schaffte, passt natürlich wunderbar in die Sparte 4. Dort hat es am 23. Mai mit drei männlichen Darstellern Premiere.

Die das "Säufer-Stück" auf die Bühne bringen, sind ausgerechnet - drei Frauen. Merkwürdig? Laura Linnenbaum lacht. Was sie an dem Stück gereizt habe, sei ja nicht das Saufen, sondern das Thema des Künstlers, der an seiner Gesellschaft scheitere, erzählt die junge Regisseurin. "Die Zugfahrt ist ein Versuch, einen Ort zu erreichen, an dem man den Ich-Erzähler versteht", erklärt sie. Unterwegs hält er der Gesellschaft den Spiegel vor. So wenig wie er es schafft, am Ziel anzukommen, schafft er es, ihr das mitzuteilen. Und dieses Anliegen, dieses Scheitern, sei ja nicht nur ein russisches Thema, sondern universell, findet auch Bühnenbildnerin Julika Schwenkhagen.

Um die Unbeweglichkeit, das Nicht-vom-Fleck-Kommen des Protagonisten deutlich zu machen, hat sie die ganze Bühne mit Koffern zugestellt. "Um die 60 Stück, wir haben dafür den Theaterfundus komplett leergeräumt", erzählt sie schmunzelnd. Warum drei Darsteller? "Wir haben den Ich-Erzähler aufgesplittet", sagt die Regisseurin, "in den Autor, der erzählt, den Wenedikt, der fährt und sagt, wir schaffen es, und den Wenedikt, der bezweifelt, dass er ankommen wird".

Im Text, der auf viele literarische Traditionen und Dichter anspielt, wird der alkoholisierte Reisende von allerlei Erscheinungen - Engelschöre und sonstige Gestalten - heimgesucht. Und da kommt die Kostümbildnerin Michaela Kratzer ins Spiel. Sie hat Masken geschaffen, die durch ihr Glitzern unter anderem auf die russische Ikonenmalerei anspielen. Mit Puppen, wie angekündigt, arbeite man nicht, betont Regisseurin Linnenbaum. Man lasse vielleicht mal ein Akkordeon "atmen" oder erwecke eine Stehlampe durch kleine Bewegungen kurz zum Leben. Wo die drei Frauen leben? Da müssen sie wieder lachen: Immer da, wo sie gerade ein Theater-Projekt haben. "Durch unseren Job sind wir selbst auch Reisende", sagt Linnenbaum. "Die halbe Fassung hab ich auf Zugfahrten geschrieben, und das meiste haben wir Drei in Telefonkonferenzen besprochen".

Premiere: "Die Reise nach Petuschki" am 23. Mai, 20 Uhr, in der Sparte 4, der Werkstattbühne des Staatstheaters in der Eisenbahnstraße (Garelly-Haus). Nächste Aufführungen am Mittwoch, 28. Mai, und Freitag, 6. Juni, jeweils 20 Uhr. Karten an der Vorverkaufskasse des Staatstheaters,

Tel. (06 81) 3 09 24 86.

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