Ein Programm gegen die Raserei

Dudweiler · Berufsschüler sind jung, überdurchschnittlich abenteuerlustig und sie haben oft schon das Geld, um sich leistungsstarke Autos zu kaufen. In den Unfallstatistiken sind sie die Hauptrisikogruppe. Seit zehn Jahren bemüht sich die Polizei mit ganz spezieller Verkehrserziehung um sie.

Berufsschüler sind aus Sicht der Verkehrspolizei eine heikle Gruppe. Zunächst einmal gehören die meisten von ihnen zu den 18- bis 24-Jährigen. Diese jungen Leute fallen ohnehin in allen deutschen Unfallstatistiken dadurch auf, dass sie als Verursacher und Geschädigte das höchste Risiko tragen, im Straßenverkehr zu Schaden zu kommen. Berufsschüler gelten darüber hinaus als überdurchschnittlich risikobereit. Sie legen verstärkt Wert auf Abenteuer-Hobbys und Autos. Mit denen gehen sie erfahrungsgemäß emotional und impulsiv um, und da Berufsschüler meist schon über Barmittel verfügen, haben ihre Fahrzeuge mehr PS als die anderer Fahranfänger.

Die saarländische Polizei , begleitet von ADAC und Fahrlehrerverband, wendet sich seit zehn Jahren mit der Initiative "Verkehrssicherheit-jetzt!" an diese ganz besondere Gruppe. Erklärtes Ziel: weniger Tote, Schwer- und Leichtverletzte im Straßenverkehr durch Unfallverursacher aus der Gruppe der sogenannten jungen Fahrer.

Wie Clemens Gergen von der saarländischen Verkehrspolizei unserer Zeitung berichtete, sind an den saarländischen Berufsschulen seit 2004 zwei polizeiliche "Verkehrssicherheitsberater" eingesetzt, die in der zurückliegenden Dekade insgesamt 57 000 Schülerinnen und Schüler über die Unfallgefahren aufklärten. Das Bemühen werde im Rückblick als erfolgreich, wenn auch nicht ganz einfach betrachtet.

Oberkommissar Ernesto Hoffmann weiß aus Erfahrung: "Die am stärksten Gefährdeten outen sich in den Unterrichtsgesprächen meist selbst durch markige Sprüche und Prahlerei im Bezug auf das Autofahren. Manche haben schon Bußgelder wegen Geschwindigkeitsverstößen zahlen müssen. Wenn man sie ernst nimmt und Fakten darlegt, sind sie fast immer einsichtig und kommen ins Grübeln. Wenn sie dann auch noch beim Fahrsicherheitstraining die Erfahrung machen, dass sie ihr Fahrzeug gar nicht perfekt beherrschen, haben wir unser Ziel erreicht." Sein Kollege Polizeioberkommissar Alfred Erbel hat Ähnliches erlebt: "Vor allem die jungen Männer halten sich für unverwundbar. Ein aufgemotztes Auto ist für viele ein Mittel, um das weibliche Geschlecht zu beeindrucken. Wir raten den jungen Frauen, sich genau zu überlegen, zu wem sie ins Auto steigen. Wir sensibilisieren sowohl Fahrer als auch Mitfahrer für die Themen Alkohol und Drogen. Wenn die Jungs merken, dass die Mädels nicht auf Raserei stehen, können Verhaltensänderungen stattfinden."

Der ADAC und der Saarländische Fahrlehrerverband ergänzen die - obligatorischen - Unterrichtsveranstaltungen der Polizisten mit einem freiwilligen praktischen Teil. Auf dem Verkehrsübungsplatz in Dudweiler können die Schüler an einer begleiteten Fahrt mit einem Fahrlehrer, der sogenannten Feedbackfahrt, teilnehmen. Das anschließende Fahrsicherheitstraining zeigt die persönlichen und die Grenzen der Fahrphysik auf dem Parcours auf. Auf der bewässerten Drehscheibe merkt so mancher, wie schnell das Fahrzeug auf regennasser Fahrbahn außer Kontrolle gerät. Die gefahrene Geschwindigkeit ist hier die maßgebliche Stellgröße, um das Fahrzeug in Extremsituationen noch beherrschen zu können.

16 000 Schülerinnen und Schüler haben bis heute auf freiwilliger Basis daran teilgenommen. Polizeioberrat Ralf Geisert, Leiter der Zentralen Verkehrspolizeilichen Dienste, will das Programm an den Berufsschulen fortführen: "Es ist für uns als Polizei wichtig, den unmittelbaren Kontakt zu dieser Risikogruppe zu halten", sagt er.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort