Ein „lyrischer Sopran“ aus Island

Saarbrücken · In der Reihe „Frauen in außergewöhnlichen Berufen“ begeisterte Herdís Anna Jónasdóttir ihr Publikum.

 Herdís Anna Jónasdóttir als Maria in der „West Side Story“ – die letzte Vorstellung ist am 20. Mai um 19.30 Uhr. Fotos: Staatstheater/Bettina Stöß

Herdís Anna Jónasdóttir als Maria in der „West Side Story“ – die letzte Vorstellung ist am 20. Mai um 19.30 Uhr. Fotos: Staatstheater/Bettina Stöß

Schon nach den ersten Sekunden sind die Zuschauer und Zuschauerinnen in der Frauengenderbibliothek von diesem Gast in der Reihe "Frauen in außergewöhnlichen Berufen" völlig begeistert. "Oh meine müden Füße, ihr müsst tanzen in bunten Schuhen", hebt Herdís Anna Jónasdóttir a capella an zu singen und gibt so eine Kostprobe ihres Könnens, bevor sie sich zum Gespräch niederlässt, um von ihrem Beruf als Opernsängerin zu erzählen. Ein "lyrischer Sopran mit leichter Koloratur", beschreibt die junge Isländerin später ihr Stimmfach. Denn hier im Publikum, so zeigt sich, sind viele Fans, die alles ganz genau wissen wollen.

Also beginnt Jónasdóttir mit ihrer Kindheit auf dem isländischen Dorfe, die für die Tochter eines Komponisten und einer Pianistin erfüllt war von Musik. Schon mit acht sang die kleine Herdís mit ihrer besten Freundin im Duett auf Dorffesten und spielte, wenn die Familie dreimal im Jahr vom Theaterbesuch in der weit entfernten Hauptstadt zurückkehrte, die Stücke zu Hause nach. Als die Sängerin gesteht, dass sie ursprünglich lieber Schauspiel studieren wollte, quittiert das eine Zuschauerin mit Genugtuung: "Andere können nur singen, aber nicht spielen, bei Ihnen merkt man, dass sie richtig Spielfreude haben". Schon in der Ausbildung wurde Jónasdóttir zur Nomadin, erst studierte sie in Reikjavik, dann in Salzburg, in Berlin, ging zum Opernstudio in Zürich. Auch im Beruf bleibe das so: Wo man wohne, hänge immer davon ab, wo man eine feste Stelle bekomme. Auch die Arbeitszeiten sind für ein Familienleben nicht sehr günstig: Von zehn bis zwölf und dann wieder von 18 Uhr bis 22 Uhr. Den Gedanken an Kinder stellt Jónasdóttir deshalb auch zurück. "Man weiß, ja nie, wo man bleibt". Immerhin: Vorerst bleibt die Sängerin in Saarbrücken, zusammen mit Judith Braun und drei Kollegen, die unkündbar sind, berichtet sie. Zur großen Erleichterung ihrer Fans im Publikum, die nicht müde werden, Fragen zu stellen. Wie lernt man Rollen in fremden Sprachen? Die Antwort ist einfach: Lernen. Hilfe dabei bieten die Repetitoren am Piano und notfalls auch Muttersprachler als Zusatz-Lehrer. Jónasdóttir nimmt es genau: "Ich muss jedes Wort verstehen, muss wissen, ob es eine Konjunktion ist oder ein Pronomen". Zwei Jahre Vorlauf seien optimal zum Vorbereiten auf eine Rolle. Fünf Rollen musste sie in dieser Spielzeit einstudieren: Sie sang im Tannhäuser, im Freischütz, im Liebestrank und ist am 20. Mai noch ein letztes Mal im Musical "West Side Story" zu hören.

Meist sei nicht die Premiere die beste Vorstellung, sondern die letzte, weil man viel lockerer sei, verrät die Sängerin den staunenden Zuhörern und macht einen pfiffigen Vorschlag: "Eigentlich müsste es ein Dernièren-Abo geben". Neben der Frage, ob Singen anstrengend ist ("Es ist sehr körperlich, und man schwitzt sehr viel") bewegte das Publikum auch die Frage nach den Perspektiven im Alter. Ein nicht so schönes Kapitel: Ab 60 sei es als Sopranistin schwer, eine Rolle zu bekommen, und man verlege sich deshalb meist aufs Unterrichten. Aber auch vorher habe man es nicht leicht. Denn bis auf Mozart hätten fast alle Opern überwiegend Männerrollen, gleichzeitig gebe es viel mehr Sängerinnen als Sänger.

 Herdís Anna Jónasdóttir

Herdís Anna Jónasdóttir

"West Side Story", Staatstheater, 20. Mai, 19.30 Uhr

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