Ein Landkreis mit viel Natur und niedrigen Löhnen

In einem Punkt ist der Landkreis Merzig-Wadern spitze im Saarland: Mit einer Größe von 550 Quadratkilometern ist er der flächenmäßig größte Kreis im Land. Allerdings bleibt hier auch viel Platz für die Natur: Gemessen an seiner Einwohnerzahl, liegt Merzig-Wadern mit etwas über 103 000 Menschen, die hier leben, vor dem Kreis St.

 Immer wieder gerne gesehen: Die Saarschleife bei Orscholz ist der Star unter den saarländischen Fotomotiven. Foto: Sparkasse Merzig-Wadern

Immer wieder gerne gesehen: Die Saarschleife bei Orscholz ist der Star unter den saarländischen Fotomotiven. Foto: Sparkasse Merzig-Wadern

Foto: Sparkasse Merzig-Wadern

Wendel auf dem vorletzten Platz im Landesvergleich - und zählt damit zu den ländlich geprägten Gebieten im Land. Nur 12,2 Prozent sind nach den Erhebungen der Arbeitskammer bebaut oder Verkehrsfläche.

Die reizvollen Naturlandschaften zwischen den Flusstälern von Saar und Mosel und den Höhenzügen des Hochwaldes zählen denn auch zweifelsohne zu den großen Attraktionen des Kreises und machen die Region zu einem beliebten Ziel für Besucher. Der Landkreis ist die touristisch wohl am weitesten entwickelte Region im Saarland, woran wohl auch das "sehr ausgeprägte, vielfältige Kulturangebot" (Arbeitskammer-Hauptgeschäftsführer Horst Backes) seinen Anteil hat.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Gastgewerbe ist signifikant höher als im Landesdurchschnitt, auch im Handel arbeiten in unserer Region weitaus mehr Menschen als im Landesvergleich. Den wichtigen Stellenwert des Tourismus für die Region unterstreicht nach den Worten von Horst Backes auch eine andere Erkenntnis: "Merzig-Wadern besitzt die stärkste Wachstumsrate aller saarländischen Landkreise auf dem Dienstleistungssektor." Im Kreisreport heißt es: "Über 70 Prozent der Erwerbstätigen in Merzig-Wadern sind im Dienstleistungssektor tätig." Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den Branchen, die zu diesem Sektor gezählt werden, ist seit 2008 um mehr als 2700 oder 15,9 Prozent gestiegen. Allein im Handel arbeiten rund 22 Prozent aller im Kreis beschäftigten Menschen - das sind in etwa so viel wie im verarbeitenden Gewerbe. Im industriellen Sektor haben sich in den vergangenen Jahren die Arbeitsplatzverluste in der Gummi- und Kunststoffindustrie (Saargummi, Nothelfer) und in der keramischen Industrie (Villeroy&Boch) negativ bemerkbar gemacht: Zwischen 2008 und 2013 sind im verarbeitenden Gewerbe mehr als 1900 Arbeitsplätze verloren gegangen.

Der hohe Stellenwert der Dienstleistungsbranchen hat nach Einschätzung der Arbeitskammer noch eine weitere Konsequenz: Weil die Löhne und Gehälter dort in der Regel deutlich unter denen in der Industrie liegen, gibt es einen höheren Anteil so genannter Niedriglohn-Beschäftigter als im Land.

Die Arbeitskammer unterstreicht dies in ihrem Report mit konkreten Zahlen: "Während ein Arbeitnehmer im Saarland 2011 durchschnittlich auf eine Brutto-Lohn- und -Gehaltssumme von 28 683 Euro kam, erzielten Arbeitnehmer im Kreis Merzig-Wadern im Schnitt 26 841 Euro." Im Landkreis Neunkirchen lag dieser Durchschnittswert laut Arbeitskammer bei 27 009 Euro, im Nachbarkreis St. Wendel bei 25 488 Euro. "Betrachtet man nur die sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten, liegt der Landkreis Merzig-Wadern sogar auf dem letzten Platz im Saarland", konstatiert die Arbeitskammer.

Der Kreisreport im Internet unter: arbeitskammer.de/publikationen/sonderausgaben-arbeitnehmer/kreisreport-2014.html

Auch wenn der Kreis Merzig-Wadern mit seinen landschaftlichen Reizen und der interessanten Grenzlage im Dreiländereck eine schöne Gegend zum Leben ist: Wohlhabend ist der Kreis nicht unbedingt, haben die Auswertungen der Arbeitskammer ergeben.

Die Steuereinnahmekraft der sieben Kreiskommunen ist mit die niedrigste im Land - was unter anderem mit der hohen Zahl an Kreis-Einwohnern zusammenhängt, die ihre Einkommen nicht hier, sondern im benachbarten Luxemburg versteuern. Nun ist dies ein typisch saarländisches Problem, weiß Arbeitskammer-Geschäftsführer Horst Backes: "Die Steuerkraft aller saarländischen Kommunen liegt durch die Bank niedriger als im Bund." Aber: Im Grünen Kreis ist sie noch einmal etwas schwächer. Der Kreisreport 2014 bilanziert: "Nur die Kreisstadt Merzig erzielte in guten Jahren Steuereinnahmen je Einwohner, die an den Landesdurchschnitt heranreichen."

Losheim am See steht gut da

Dennoch hält die Arbeitskammer positiv fest, dass trotz der ungünstigen Ausgangssituation die finanzielle Situation der Kreis-Kommunen noch nicht ganz desaströs ist. "Trotz geringer Steuereinnahmen erhalten im Kreis nur zwei von sieben Gemeinden als Sanierungsfälle finanzielle Hilfen aus dem Kommunalen Entlastungsfond (KELF) des Landes." Die beiden "Problemkinder" sind Weiskirchen, laut Arbeitskammer "eine der am höchsten verschuldeten Gemeinden im Saarland" mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 4044 Euro (Stand Ende 2012), sowie Mettlach. Dort ist allerdings die Pro-Kopf-Verschuldung nur etwa halb so hoch wie in der Hochwald-Kurgemeinde. Die Arbeitskammer weiter: "Eine gute Lage der öffentlichen Finanzen ist in Losheim am See anzutreffen."

Perl ist relativ hoch verschuldet

Die Seegemeinde erzielt im Kreisvergleich relativ hohe Steuereinnahmen, bleibt aber deutlich unter dem Landesdurchschnitt. "Relativ günstig sieht die Finanzlage auch in der Gemeinde Beckingen aus", befindet die Arbeitskammer, da die Gemeinde recht sparsam wirtschafte. "Kreditaufnahmen erfolgen dort ganz überwiegend zur Investitionsfinanzierung."

Die Obermosel-Kommune Perl sei relativ hoch verschuldet, "allerdings besteht die Verschuldung überwiegend aus Investitionskrediten", so die Arbeitskammer. Damit stehen den Krediten auch Sachwerte gegenüber, die dadurch geschaffen werden. Dasselbe trifft laut Kreisreport auch für die Hochwaldstadt Wadern zu. Sind die hohe Zahl an Pendlern nach Luxemburg und der starke Zuzug von Luxemburger Staatsbürgern in den vergangenen 10 bis 15 Jahren ein Segen oder ein Fluch für den Kreis Merzig-Wadern? Der Kreisreport der Arbeitskammer macht zumindest auf ein Dilemma aufmerksam, das sich aus dieser Situation ergibt: "Berufspendler nach Luxemburg sorgen für eine relativ günstige demografische Entwicklung. Dies hilft aber nicht bei den Einnahmen." Die Krux ist die Versteuerung der Einkommen, die die zahlreichen Luxemburg-Pendler erzielen: Sie zahlen ihre Einkommenssteuer im Großherzogtum. Damit entgeht ihren Wohngemeinden im Kreis Merzig-Wadern der 15-prozentige Anteil an den Steuereinkünften, die ihnen zustehen würden, wenn diese Einkommen hierzulande versteuert würden. Die Arbeitskammer beziffert die Zahl der Kreis-Bewohner, die in Luxemburg Steuern entrichten, auf 5300 - verglichen mit den weiteren rund 30 000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mit Wohnsitz im Landkreis (und Arbeitsplatz in Deutschland) ein beachtlicher Anteil. Sie verstärken damit den Pendler-Überschuss, den der Landkreis ohnehin aufweist. Nach den Erhebungen der Arbeitskammer ist die Zahl der Menschen, die im Kreis leben, aber außerhalb des Kreises arbeiten, deutlich höher als die jener, die von außerhalb zum Arbeiten in den Kreis kommen. Die Differenz beträgt nach Angaben der Arbeitskammer 3700 Menschen - und das beinhaltet nur jene Arbeitnehmer mit Arbeitsplatz in Deutschland, denn nur sie sind laut Arbeitskammer in den ihr zugänglichen Quellen statistisch erfasst.

Die Nähe zu Luxemburg und die Bedeutung des Großherzogtums als Arbeitsmarkt für Menschen aus dem Kreis hat noch weitere Begleiteffekte: So liegt Merzig-Wadern beim landesweiten Vergleich der Bruttolöhne und -gehälter von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Vollzeit auf dem letzten Platz. Dieser Vergleich berücksichtigt jedoch nicht diejenigen Arbeitnehmer, die in Luxemburg arbeiten - und deren Einkommen sind in der Regel wesentlich höher als im Saarland, sagt Landrätin Daniela Schlegel-Friedrich. Es kommt also zu einer statistischen Verzerrung bei der Abbildung der tatsächlichen wirtschaftlichen Situation des Kreises.

Nicht zuletzt trägt die hohe Zahl der Luxemburg-Pendler wohl auch dazu bei, die Arbeitslosenquote im Kreis auf einem im Landesvergleich sehr niedrigen Niveau: 4,9 Prozent bedeuten den zweitniedrigsten Wert im Saarland. Und das, obwohl seit 2008 laut Berechnungen der Arbeitskammer im verarbeitenden Gewerbe rund 1900 Arbeitsplätze verloren gingen - ein Minus von fast 25 Prozent. Im Gegenzug gab es ein beachtliches Wachstum im Dienstleistungssektor, in dem nach Angaben der Arbeitskammer im Jahr 2013 fast 20 000 Menschen beschäftigt waren. Die größte Branche auf diesem Gebiet ist dabei der Handel mit etwa 6300 Beschäftigten, was mehr als einem Fünftel aller Beschäftigten im Kreis entspricht - ein Rekordwert im Vergleich aller Landkreise.

Auch wenn den Kreis-Gemeinden Einnahmen aus der Einkommenssteuer entgehen, so bringen viele der (meist gut verdienenden) Luxemburg-Pendler doch auch Kaufkraft in die Region. Darauf wies bei der Vorstellung des Kreisreports Volker Gräwe, der Geschäftsführer der kreiseigenen Gesellschaft für Infrastruktur und Beschäftigung (GIB) hin. Und auch Landrätin Schlegel-Friedrich machte darauf aufmerksam: "Das deutliche Wachstum im Dienstleistungssektor und insbesondere im Einzelhandel gerade in grenznahen Gemeinden wie Perl und Mettlach geht mit auf diesen Umstand zurück."

Zum Thema:

HintergrundDie Nähe zu Luxemburg hat im Kreis Merzig-Wadern zu einer landesweit einmaligen Entwicklung geführt: Vor allem durch den vermehrten Zuzug von Luxemburger Staatsangehörigen, die auf der Suche nach billigem Wohnraum jenseits der Grenze fündig geworden sind, ist die demografische Entwicklung hier genau entgegengesetzt wie im Land verlaufen. "Der Landkreis Merzig-Wadern ist der einzige saarländische Landkreis, in dem die Bevölkerung zwischen 1990 und 2010 gewachsen ist", hält die Arbeitskammer fest. In allen Kreis-Kommunen außer der Stadt Wadern lasse sich ein positives Wanderungssaldo feststellen - es ziehen also mehr Menschen in die Gemeinden, als von dort weggehen. Das Bevölkerungswachstum ist nach Einschätzung der Arbeitskammer vor allem "auf die sehr großen Zuzüge in die Gemeinden Perl, Losheim am See und Mettlach" zurückzuführen. Auch sei das Verhältnis zwischen Geburten und Sterbefällen im Kreis weniger ungünstig als im Landesvergleich. cbe

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