Ein Künstler verkauft Klänge per Internet

St. Ingbert/Saarbrücken. Stefan Zintel, Mitte 45, geboren und wohnhaft in St. Ingbert, ist in einem seiner Berufe Klangkünstler. Dies mit weitreichendem Erfolg: Die Performance "Tafelmusik" wird gebucht von St. Ingbert bis Berlin, von Karlsruhe bis St. Gallen; die zugehörige App "Fragments" findet gerade verstärkt Käufer bis nach Asien

 Stefan Zintel in seinem Tonstudio. Foto: Iris Maurer

Stefan Zintel in seinem Tonstudio. Foto: Iris Maurer

St. Ingbert/Saarbrücken. Stefan Zintel, Mitte 45, geboren und wohnhaft in St. Ingbert, ist in einem seiner Berufe Klangkünstler. Dies mit weitreichendem Erfolg: Die Performance "Tafelmusik" wird gebucht von St. Ingbert bis Berlin, von Karlsruhe bis St. Gallen; die zugehörige App "Fragments" findet gerade verstärkt Käufer bis nach Asien. Beides sind Koproduktionen mit Bernd Wegener, darauf legt er Wert. Die Arbeitsteilung der beiden: Wegener arbeitet "analog", entlockt als "Schlagwerker" einer Vielfalt von Gegenständen multiple Klänge. Zintel steht für die elektronischen Elemente der jeweiligen Produktionen. So weit, so unvollständig.An Stefan Zintels Arbeitsplatz ist mehr zu erfahren. Zintel ist diplomierter Künstler, Abschluss mit Prädikat, zum Meisterschüler von Professorin Christina Kubisch ernannt. Im E-Haus der Hochschule für Bildende Künste des Saarlandes (HBK) leitet er seit 1996 das Studio für akustische Kommunikation und ist Dozent in Sachen elektronische Musik. Studierende begleitet er fachlich bei ihren Projekten.

Der Besuch im E-Haus ist spannend. Jede Menge Technik rund um den Schreibtisch, ein kleines, sehr professionelles Aufnahmestudio schließt direkt an. Zintel hat für die Besucherin Produkte der letzten 20 Jahre ausgelegt; über zwei Quadratmeter Tisch bedecken sie. Langspielplatten und Singles, Musikkassetten, einige DVDs, viele CDs. Alles Zintel.

Dazwischen eine CD von "Nazareth", der Rocklegende: "No Jive". Wie das? Produziert wurde die 1991 in Schüren bei St. Ingbert, im Studio von Frank Farian. Dort hat Zintel 1989 bis 1991 gearbeitet. Persönlichkeiten des Produzenten-Olymps kennengelernt, Trevor Horn etwa (Frankie goes to Hollywood, Mike Oldfield, Grace Jones, Yes). Bis heute ist das für Stefan Zintel sehr präsent: "Mein Schlüsselerlebnis war: Man kann also von Musik leben."

Der bisherige Freizeit-Schlagzeuger setzt nun Elektronik auf seine Sounds, komponiert, schafft eigene Projekte. "Caterpillar" und "The Scan" gehören dazu; sein Techno wird richtig angesagt. Mit einer Aufnahme schafft er es früh in eine New Yorker Edition; 1997 folgt ein Plattenvertrag mit BMG. Seine Stücke erscheinen auf Samplern mit West Bam, den Bee Gees, DJ Bobo, Sabrina Setlur und anderen; Auflagen bis zu 250 000 weltweit. "Und wenn du Erfolg hast, dann ziehen andere Auftraggeber nach," erzählt er. So folgten Werbetrailer für Karlsberg, Formel 1 auf RTL, LBS, Dekra, Mercedes. Wie aber kommt Zintel zur Klangkunst? Nach Kommerz und Techno? "Es wächst sich aus," sagt er lächelnd. Schon früh habe er "parallel auch nach rechts und links geschaut. Ich suchte mehr Möglichkeiten und mehr Freiraum, und die gibt es nun einmal in der Kunst. Vor allem dort." Manchmal bewegt sich Zintel mit seinen Arbeiten zwischen diversen Stühlen. So nach einer neuen Produktion mit Orlando Circle, wo er seit Sommer 2011 für Beats, Sounds und Programmierung steht. Vertreter einer irgendwie "reinen Lehre" kritisieren das als zu kommerziell, andere finden es zu randständig. Ihm selbst ist solches Schubladendenken fremd. "Ein Künstler muss sich doch bewegen! Für Inspirationen durch andere und für neue Eindrücke brauchst du doch die weitere Welt." Außerdem: "Kunst und Musik bereichern sich gegenseitig!" Stefan Zintels ungewöhnlicher Werdegang bestätigt das.

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