Ein kleiner Schritt zum Möbelriesen

Saarbrücken · Ein schönes Bildungsgebäude oder ein Forschungsinstitut wären der Stadt zwar lieber, aber sie kann ja keinen zum Bauen auf dem alten „Milchhof“-Gelände zwingen. Also kommt auch ein Möbelhaus gelegen. Und ganz nebenbei könnte man sich Bordelle vom Hals halten.

Ein bemitleidenswertes Bild bietet seit längerem das ehemalige "Milchhof"-Betriebsgelände in der Gersweilerstraße in Saarbrücken . Die Gebäude sind ungenutzt und verwahrlosen, die Natur hat begonnen, sich das Gewerbegebiet wieder einzuverleiben, aus den Ritzen sprießen nicht nur Gräser, sondern schon Hölzer. Allein in dem Verwaltungsbau direkt an der Straße harren noch Mitarbeiter der Messegesellschaft aus. Bald sollen sie umziehen.

Bereits vor zwei Jahren war ein großer Möbelhändler erstmals an die Stadt herangetreten. Er will hier, auf etwa 8000 Quadratmetern Fläche, alles abreißen und einen riesigen Markt mit eigenen Parkplätzen bauen (die öffentlichen gegenüber dem Messeeingang sollen bleiben).

Der Saarbrücker Stadtrat könnte dafür nun in seiner nächsten Sitzung am 14. Oktober Weichen stellen, und zwar indem er den Bebauungsplan "Zwischen Gersweilerstraße und Autobahn 620, Teilbereich Gewerbegebiet" durch Teilung ändert. Die Anhörung des Bezirksrates Mitte am Donnerstag deutete darauf hin, dass es eine Mehrheit für das Projekt geben dürfte. Die Kommunalpolitiker würden viel lieber einen Neubau der Hochschule für Technik und Wirtschaft oder dergleichen hochwertige Nutzung genehmigen. Ein Möbelhaus erscheint da nur als zweite Wahl, ist ihnen aber mangels anderer Investoren immer noch lieber als gar nichts beziehungsweise als der Verfall. Lediglich die CDU äußerte im Bezirksrat Bedenken gegen solch einen großflächigen Handel in einem Gewerbegebiet, allein schon wegen der zu erwartenden Verkehrsströme. Durch solch eine Nutzung könnte man sich was "verbauen", so Tim Zimmermann unter Verweis auf die nicht geklärte Zukunft der Saarbrücker Messe. Vielleicht, so der Gedanke, könnte die Fläche für eine neue Saarbrücker Messe noch Bedeutung haben.

Diese Zweifel äußerte übrigens auch die Industrie- und Handelskammer des Saarlandes in ihrer angeforderten Stellungnahme.

Die nun anstehende Änderung des Bebauungsplanes würde nicht nur den Boden für den Möbelhandel bereiten. Sondern sie diente auch auch dazu, die rechts (östlich) vom "Milchhof"-Areal liegenden Grundstücke vor einer weiteren "Abwärtsspirale" zu schützen. Hier versucht die Stadt seit Jahren mit sogenannten Veränderungssperren, Bordelle und sonstige Vergnügungsbetriebe fernzuhalten. Die vorhandenen genießen Bestandsschutz. Das Verwaltungsgericht Saarlouis hatte diese Methodik des Bau- und Planungsdezernates im April 2013 gerügt: Es reiche nicht aus zu sagen, dass man im Gewerbegebiet kein Bordell möge, sondern die Stadt müsse positiv formulieren, wie sie das Gebiet zur Hochwertigkeit hin entwickeln möchte. Mit dem nun zur Abstimmung stehenden Änderungsbeschluss zum Bebauungsplan käme man dieser Aufforderung zumindest ein Stück entgegen, auch wenn der Möbelmarkt westlich von eben dem Gebiet gebaut wird, wo das Vergnügen bereits Fuß gefasst hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort