Ein Herz, das kann man reparier'n

Saarbrücken. Liebeskummer wird häufig als Teenager-Problem belächelt, weiß Psychotherapeutin Nelly Schu (43). "Doch auch erwachsene Menschen leiden, wenn eine Liebesbeziehung zerbricht. Bei manchen entwickelt sich daraus eine Krise, die sie an den Rand treibt." Derzeit boomen in deutschen Großstädten Liebeskummerpraxen

Saarbrücken. Liebeskummer wird häufig als Teenager-Problem belächelt, weiß Psychotherapeutin Nelly Schu (43). "Doch auch erwachsene Menschen leiden, wenn eine Liebesbeziehung zerbricht. Bei manchen entwickelt sich daraus eine Krise, die sie an den Rand treibt." Derzeit boomen in deutschen Großstädten Liebeskummerpraxen. "Allein in Hamburg gibt es 20", schmunzelt Schu, die vor kurzem aus der Hansestadt nach Saarbrücken gezogen ist. "Aber auch Saarländer haben Liebeskummer. Deswegen bin ich jetzt hier." Seit Anfang November hat sie sich für ihre "Liebeskummerpraxis" einen Raum in der "Praxis Therapeutic Touch" von Vera Bartholomay im Kultur- und Werkhof "N.N. Nauwieser Neunzehn" angemietet. Der Blick aus dem Fenster im fünften Stock lässt die Welt unten ein wenig ruhiger wirken. "Die Ruhe hier oben hilft meinen Klienten, sich auf sich zu konzentrieren. Wenn eine langjährige Beziehung scheitert, dreht sich alles um den verlorenen Partner. Der Job, die Freunde und Hobbys werden vernachlässigt. Nichts hat mehr eine Bedeutung. Der Ex-Partner nimmt, obwohl er weg ist, das ganze Leben ein. Ich helfe meinen Klienten, sich wieder ihrer selbst zu bemächtigen." Und wie kriegt man die Kontrolle zurück? "Schrittweise", sagt die Psychotherapeutin und legt Karten auf den Boden. Die Karten sind von eins bis zehn durchnummeriert und bilden eine Linie. "Das ist eine Timeline, also Zeitlinie", erklärt sie, "und macht Therapiefortschritt plakativ und räumlich sichtbar." Im Moment betreut sie eine 25-jährige Studentin. "Ihr Leben ist nur noch auf den Liebeskummer reduziert. Sie vernachlässigt die Uni, trifft keine Freunde, igelt sich nur noch zuhause ein." Dann zeigt die 43-Jährige auf die Karte mit der Ziffer eins. "Eins steht für ,Mir geht's ganz schlecht'. Die junge Frau steht noch ganz am Anfang." Doch wie kommt man einen Schritt weiter? "Ein gebrochenes Herz geht meist mit einem Tunnelblick einher. Jeder Gedanke gilt dem Ex-Partner. Ich lenke den Blick um, frage, was hat dir früher Spaß und Glück bereitet? Was ist dir wichtig? Woraus hat du Kraft geschöpft? Meist sind das ganz einfache Dinge: ein Buch lesen zum Beispiel oder einen Film gucken, zur Kosmetikerin oder zum Sport gehen." Dann tritt Schu auf der Timeline einen Schritt vor. "Wer gut zu sich ist, hat schon den ersten Schritt gemacht." Häufig würden Ex-Partner glorifiziert und die vergangene Beziehung nicht realistisch betrachtet. "In ganz seltenen Fällen kommt eine Trennung urplötzlich. In Gesprächen versuche ich, einen unverklärten Blick auf die vergangene Beziehung zu lenken. Auch das hilft", sagt sie und tritt wieder einen Schritt vor. Schu arbeitet seit über zwölf Jahren als Psychotherapeutin. In Berlin hat sie sich vergangenes Jahr bei Seminaren der bekannten Therapeutin Silvia Fauck zum Liebeskummer-Coach ausbilden lassen. "Ich glaube, dass ein gebrochenes Herz in unserem Zeitalter mit Facebook und Co. noch schwieriger zu kitten ist als früher. Bei Liebeskummer hilft Abstand. Ich rate meinen Klienten, den Kontakt zum Ex-Partner zu meiden. Kein Facebook, keine Anrufe, keine Mails. Schwierig, ich weiß, aber ein Muss." Ihre Klienten sind zwischen 25 und 50 Jahre alt. Häufiger kommen Männer. Etwa 70 Prozent. "Der Grund: Frauen sprechen offen mit ihren Müttern oder Freundinnen über ihr Seelenleben. Bei Männern ist das nicht so. Sie gehen zum Profi." Eine Sitzung bei Schu kostet zwischen 60 und 80 Euro. Krankenkassen decken die Leistungen von Liebeskummer-Praxen nicht ab.

Liebeskummer-Praxis Nelly Schu, Nauwieser Straße 19, 66111 Saarbrücken.

nelly-schu.de

"Auch Saarländer haben Liebeskummer. Deswegen bin ich jetzt hier."

Nelly Schu,

Psychotherapeutin

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