„Ein absoluter Vorzeigemann“

Saarbrücken · Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen AfD-Spitzenkandidat Rudolf Müller, weil der in seinem Antiquitätenladen auch Hakenkreuz-Orden verkauft hat. Die AfD Saar stellt sich hinter Müller, Kritik an ihm gibt es kaum.

 Rudolf Müller ist in der AfD Saar unumstritten. Seine Gegner sitzen im Bundesvorstand. Foto: B&B

Rudolf Müller ist in der AfD Saar unumstritten. Seine Gegner sitzen im Bundesvorstand. Foto: B&B

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Rudolf Müller , der Spitzenkandidat der AfD für die Landtagswahl, kann sich auf seine Partei verlassen. "Die Partei - und ich an erster Stelle - steht hinter ihm", sagte AfD-Landeschef Josef Dörr gestern. Müller sei "ein ehrenwerter Mann" und "ein absoluter Vorzeigemann". Am Mittwoch war durch Recherchen des "Stern" und des ARD-Magazins "Panorama" bekannt geworden, dass Müller (65) in seinem Antiquitätengeschäft in der Saarbrücker Innenstadt neben Möbeln und Schmuck auch NS-Orden mit Hakenkreuzen und sogenanntes "Lagergeld" aus dem KZ Theresienstadt verkauft. Die Objekte, die aus Nachlässen stammten, machten nur einen ganz kleinen Teil des Angebots aus, sagte der AfD-Politiker , der darin "grundsätzlich kein moralisches und erst recht kein strafrechtliches Problem" sieht. Auch Landeschef Dörr (78), der nach eigenem Bekunden schon mehrmals in Müllers Laden war, aber dort nichts gekauft hat, sagte gestern: "Soviel ich weiß, hat Herr Müller nach Recht und Gesetz gehandelt."

Genau dies wird nun die Staatsanwaltschaft Saarbrücken prüfen. Nach Paragraf 86a des Strafgesetzbuches wird mit Geldstrafe oder bis zu drei Jahren Haft bestraft, wer Kennzeichen von NS-Organisationen verbreitet oder verwendet oder diese zur Verbreitung oder Verwendung herstellt, vorrätig hält, einführt oder ausführt. Nach Ansicht des Saarbrücker Strafrechtsprofessors Marco Mansdörfer hat Müller gegen diesen Paragrafen verstoßen. Dessen Wortlaut sei eindeutig, sagte Mansdörfer der SZ. Das antiquarische, historische oder künstlerische Interesse trete in den Hintergrund, wenn es gezielte Anfragen nach Hakenkreuz-Orden gebe. Laut Müller gibt es "eine gewisse Szene", aus der ab und an Anfragen kommen, etwa von Franzosen und Amerikanern ("Do you have Hakenkreuze?"). Mansdörfer sagte, genau dies wolle der Gesetzgeber verhindern. Müller könne sich daher auch nicht auf die Berufsfreiheit in Artikel 12 des Grundgesetzes berufen. Dass Müller angeblich zunächst nichts von dem Verkaufsverbot wusste und später erklärte, die Hakenkreuze würden bei einer öffentlichen Präsentation abgeklebt, sei "eine typische Kaskade von Schutzbehauptungen".

In der AfD gab es, wie nun zu hören ist, schon länger Gerüchte, dass man in Müllers Laden "unter der Theke" NS-Devotionalien bekomme. Müller verteidigt sich, die Objekte dienten der Aufklärung und der Erinnerung an die NS-Zeit. Man finde sie auf jedem Flohmarkt und in vielen Antiquitätengeschäften.

Innerparteiliche Kritik gibt es kaum an Müller. Zwar verlangte der Vize-Vorsitzende des Kreisverbandes Saarbrücken , Mirko Welsch, von Müller, auf die Spitzenkandidatur zu verzichten und vom Vorsitz der Saarbrücker AfD zurückzutreten. Doch Welsch ist in der AfD Saar isoliert, die übergroße Mehrheit steht hinter Dörr und Müller.

Dörrs und Müllers Gegner sitzen im Bundesvorstand. Parteichefin Frauke Petry bekräftigte zuletzt, sie stehe zu dem (im Eilverfahren zunächst wieder aufgehobenen) Beschluss, den Landesverband Saar wegen Kontakten in die rechte Szene aufzulösen. Schon vor Monaten hatte sie über "monatelange Vetternwirtschaft" im Umfeld des Landesvorsitzenden Josef Dörr geklagt. Auch den Dörr-Vertrauten Rudolf Müller hat der Bundesvorstand seit Längerem auf dem Kieker. Die Saar-AfD ist wiederum auf Petry nicht gut zu sprechen, Müller hatte ihr beim Bundesparteitag Ende April in Stuttgart vor tausenden Mitgliedern Mobbing vorgeworfen. Petrys Co-Vorsitzender Jörg Meuthen legte gestern auf "stern.de" nach: Müllers Verhalten sei "mit der Mitgliedschaft in der AfD nicht vereinbar".

Meinung:

Nicht gerade ehrenwert

Von SZ-Redakteur Daniel Kirch

Die Häme der Konkurrenz, nun sei endlich bewiesen, dass AfD-Spitzenkandidat Rudolf Müller ein Rechtsextremist ist, kommt zu reflexhaft. Müller ist ein Populist mit großem Ego, der die etablierten Parteien und die Medien ohne jedes Maß für so ziemlich alles verantwortlich macht, was schiefläuft. Aber nach allem, was man über ihn weiß, ist er kein Nazi.

Unproblematisch ist sein Verhalten dennoch nicht, im Gegenteil. Dass Müller in seinem Geschäft auch Hakenkreuz-Orden verkauft, ist nicht gerade ehrenwert. Müller ist nicht irgendein beliebiger Antiquariatshändler, sondern Spitzenkandidat einer Partei, die jede Nähe zu Radikalen bestreitet und sich den angeblichen "Altparteien" moralisch überlegen fühlt. Deshalb hat die AfD jetzt ein Problem, unabhängig davon, wie das Ermittlungsverfahren ausgeht.

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