EIgene Kammer im Saarland? - „Schub für den Pflegeberuf“

Eine eigene Kammer für die Pflegekräfte im Saarland analog zur Ärztekammer – das ist das oberste Ziel des Landespflegerats. Dessen Präsidentin Ursula Hubertus erläutert im Gespräch mit SZ-Redakteur Daniel Kirch, warum die Pflegekammer aus ihrer Sicht notwendig ist und warum Deutschland unbedingt Krankenschwestern mit Hochschulstudium braucht.

 Der Landespflegerat spricht sich dafür aus, dass es für die Pflege von Kranken, Alten und Kindern nur noch eine Ausbildung gibt. Foto: dpa/Schulze

Der Landespflegerat spricht sich dafür aus, dass es für die Pflege von Kranken, Alten und Kindern nur noch eine Ausbildung gibt. Foto: dpa/Schulze

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Frau Hubertus, warum braucht das Saarland aus Ihrer Sicht unbedingt eine Pflegekammer?

Hubertus: Mit der Pflegekammer hätten die Pflegeberufe eine Selbstverwaltung und wären damit ein starker Partner im Gesundheitswesen. Die Einrichtung würde einen elementaren Schub in der Entwicklung des Pflegeberufs bewirken. Pflegende, als größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen, wären gleichberechtigte Partner neben Ärzten, Kostenträgern sowie Pflege- und Krankenhausgesellschaft.

Warum kann die Arbeitskammer diese Aufgaben nicht wahrnehmen?

Hubertus: Die Arbeitskammer hat eine ganz andere Aufgabe: Sie vertritt die wirtschaftlichen, ökologischen, sozialen und kulturellen Interessen aller Arbeitnehmer. Im Gegensatz dazu reguliert die Pflegekammer den Beruf und dessen Ausübung. Eine Vermischung der Aufgaben zwischen Arbeitskammer und Pflegekammer ist verfassungsrechtlich bedenklich.

Die Interessen der Pflegekräfte werden doch längst von den Gewerkschaften vertreten, vor allem von Verdi.

Hubertus: Die Gewerkschaft hat eine ganz klare Aufgabe: Sie ist für die Arbeitsbedingungen und die Tarifverträge zuständig. Das soll auch so bleiben, wir brauchen die Gewerkschaft und sind nicht gegen sie. Uns geht es um die berufspolitischen Interessen der Pflegenden: Eine Pflegekammer wäre zuständig für die Sicherung und Überwachung einer sachgerechten und professionellen Pflege.

Die Pflegebeschäftigten müssten jeden Monat einen Pflichtbeitrag zahlen. In Rheinland-Pfalz sind das 9,80 Euro. Glauben Sie, das träfe im Saarland auf Akzeptanz?

Hubertus: Ich glaube, dass eine Vollzeitbeschäftigte der Altenpflege sowie der Gesundheits- und Krankenpflege durchaus bereit wäre, einen Mitgliedsbeitrag für die Kammer zu entrichten.

Die privaten Altenheimbetreiber bezweifeln, dass der Landespflegerat auch für die Interessen der Altenpflege spricht. Zum Beispiel beim Thema generalistische Ausbildung, also der Zusammenführung der Ausbildungen von Alten- und Krankenpfleger. Warum ist Ihnen diese Reform so wichtig?

Hubertus: Die generalistische Ausbildung ist keine neue Entdeckung der Bundesrepublik Deutschland. Im internationalen Vergleich ist sie Standard. Es gibt im internationalen Vergleich keine andere Ausbildung. Auch die Ärzte werden erst mal alle generalistisch ausgebildet und machen danach ihre Facharzt-Ausbildung. Es geht um Patientensicherheit. Die Patienten sind immer älter und multimorbide. Sie kommen aus den Einrichtungen der Altenhilfe ins Krankenhaus, werden dort ganz kurzfristig medizinisch versorgt und kommen immer häufiger zum Beispiel mit aufwendigen Wundversorgungen oder einer Beatmung zurück in die Einrichtung. Umgekehrt ist auch die Gesundheits- und Krankenpflege nicht ausreichend vorbereitet, wenn demenziell erkrankte Menschen aus der Altenhilfe ins Krankenhaus kommen.

Ein Gegenargument lautet, dass eine Zusammenführung der Ausbildungswege zulasten der Tiefe der Ausbildung geht.

Hubertus: Tiefe wird im Pflegebereich sowieso über die Weiterbildung vermittelt. Da muss es ein konsequentes Umdenken in der Weiterbildung geben.

Sie setzen sich auch für die Akademisierung der Pflege ein. Wozu braucht eine Krankenschwester ein Hochschulstudium?

Hubertus: Europäische Studien belegen, dass die Mortalitätsrate von Patienten im Krankenhaus höher ist, wenn keine studierte Pflegekraft auf Station ist. Unser Berufsbild wandelt sich, es wird noch komplexer. In der Altenhilfe und der Krankenpflege ist das theoretische und praktische Wissen heute viel breiter als noch vor zehn oder 20 Jahren. Dem müssen wir gerecht werden. Wenn eine deutsche Krankenschwester ins europäische Ausland geht, wird sie nur als Assistenz anerkannt, das kann doch nicht sein. Wir brauchen nicht 100 Prozent studierte Schwestern am Krankenbett. Wir gehen davon aus, dass es zehn bis 20 Prozent sein sollten.

Zum Thema:

Der Landespflegerat (LPR) Saarland vertritt nach Angaben seiner Präsidentin Ursula Hubertus (Pflegedirektorin am Saarbrücker Caritas-Klinikum) zwischen 30 und 40 Prozent der Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege des Saarlandes. Die rund 4500 Mitglieder sind in elf Verbänden organisiert, die sich zum LPR zusammengeschlossen haben, darunter die Arbeitsgemeinschaft christlicher Schwesternverbände und Pflegeorganisationen, der Hebammenverband, der Berufsverband Kinderkrankenpflege und weitere Pflege-Organisationen. Der LPR tritt seit vielen Jahren für eine Pflegekammer ein. Mit dem Sozialministerium, das neuerdings offen für eine solche Kammer ist, hat der LPR zuletzt den "Pflegepakt Saar" auf den Weg gebracht. kir

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