Drum prüfe, wer sich ewig bindet

St Wendel · Den finanziellen Gewinn, Gemeinden zusammenzulegen, hält der kommunalpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion für verschwindend gering. Statt dessen setzt Magnus Jung auf Kooperation. So blieben auch politische Entscheidungen vor Ort.

 Einen Bund können nach dem Willen des Landes die Kommunen eingehen. Archivfoto: Patrick Pleul/dpa

Einen Bund können nach dem Willen des Landes die Kommunen eingehen. Archivfoto: Patrick Pleul/dpa

Laut Statistischem Bundesamt scheitert jede dritte Ehe in Deutschland. Trotz der wenig rosigen Tatsache wirbt Staatssekretär Jürgen Lennartz (CDU), Chef der Saarbrücker Staatskanzlei, für solche Partnerschaften - zwischen Kommunen. Es soll um Freiwilligkeit, nicht Zwang gehen. Darum macht das Saarland heiratswilligen Städten und Gemeinden Fusionen mit finanzieller Offerte schmackhaft, wie Lennartz in St. Wendel beim CDU-Heringsessen erklärte (wir berichteten). Auslöser: drückende Schuldenlast. Wie stehen die Rathauschefs im St. Wendeler Land dazu? {rahkv} St. Wendel (30 000 Einwohner): Auf die Frage, ob er sich eine Fusion vorstellen könnte, antwortet Klaus Bouillon (CDU): "Wir sind schon dabei und reden mit Oberthal." Doch dabei müsse "was Positives herauskommen". Bis dahin bliebe es bei gemeinsam zu bewältigenden Aufgaben, wie zum Beispiel bei der EDV. Wie mit anderen Nachbarn: Abwasser mit Namborn, Neunkirchen bei Computerangelegenheiten. Bei Gemeindezusammenschlüssen komme es auf die Schuldenstände der Partner an. Wenn diese nicht abgefedert seien, klappe es nicht. {rahkv} Nonnweiler (8700 Einwohner): "Wenn das jemand machen will, ist das super. Aber die Betonung liegt auf freiwillig." Indes ist für Franz Josef Barth (parteilos) klar: "Das Problem lösen wir nicht durch Fusionen." Denn auch in größeren Einheiten müsse die Infrastruktur intakt bleiben. So bei der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung. "Auch wenn immer weniger Menschen in den Dörfern wohnen, brauchen wir die Leitungen." Das bekämen Gemeinden nicht durch Zusammenschlüsse in den Griff. Barth setzt da eher auf Zusammenarbeit. {rahkv} Marpingen (10 500 Einwohner): Gegen größere Gemeindeeinheiten stellt sich Werner Laub (SPD). "Wenn wir zwei Kranke zusammenlegen, kommt kein Gesunder heraus." Er setze darauf, die "systematische Zusammenarbeit" zu optimieren. Als Vorsitzender des Zweckverbands elektronische Verwaltung für saarländische Kommunen (Ego Saar) forciere er den Ausbau gemeinsam genutzter Computerprogramme, um Kosten zu senken. Damit werde gesichert, Strukturen vor Ort zu halten. Welche Einrichtungen das sind, müsse im Einzelfall entschieden werden. Laub: "Ich bezweifle, ob es Bürgern hilft, Einheiten mit 30 000 Einwohnern zu schaffen mit zentralen Verwaltungen." {rahkv} Oberthal (6000 Einwohner): Stephan Rausch (CDU) sieht "nicht die Notwendigkeit, unsere Gemeinde ist gut strukturiert". Obwohl viele auf seine Kommune als kleinste im Land schielten. "Dann müsste die Landeshauptstadt gut dastehen", sagt er mit Blick auf Saarbrückens Schuldenberg von über einer Milliarde Euro. "Ich setze auf Kooperationsvereinbarungen, wo sinnvoll". So arbeite Oberthal mit St. Wendel bei der EDV zusammen. Rausch: "Das passt auch von der Anbindung." Ansonsten fordert er, Aufgaben für Bürger vor Ort zu lassen. Zur Fusion knapp und bündig: "Wo ist da der Vorteil?" {rahkv} Freisen (8000 Einwohner): Karl-Josef Scheer (SPD) fühlt sich alleingelassen. "Weil Gemeinden weitere Aufgaben von oben bekommen, aber keine finanzielle Hilfe für den laufenden Betrieb." Beispiel: Kindergärten - deren Bau werde bezuschusst, aber nicht das Personal. Dann rutschten Kommunen in Finanznot, der Ruf nach Fusion halle. Scheer: "Es geht um gewachsene Strukturen, die zerschlagen würden." Der Druck nehme zu: "Am Ende des Tunnels ist kein Licht. Da kommt die Schuldenbremse", die ab 2020 neue Kredite verbietet. Scheer setzt auf Zusammenarbeit, erkennt indes Hindernisse. "Bei der EDV können wir mehr machen. Denn im kleinen Saarland arbeiten wir mit unterschiedlichen Programmen." {rahkv} Tholey (12 200 Einwohner): "Es wird schwierig werden für Kommunen unter 10 000 Einwohnern, allein zu bleiben", ist Hermann Josef Schmidt (CDU) überzeugt. Es werde die Zeit kommen, "dass wir darüber reden werden, wenn kleinere Kommunen die Leistungen nicht mehr tragen können". Bis dahin müsse die interkommunale Zusammenarbeit ausgebaut werden. Schmidt nennt die Bereiche Standes-, Personalamt, Verwaltungsvollstreckung. Doch ob Kooperation oder Fusion - "das muss jeder Bürgermeister selbst entscheiden". {rahkv} Namborn (7200 Einwohner): "Sicherlich wird die Zeit kommen, aber die ist noch nicht reif", konstatiert Theo Staub (SPD). Schlössen sich Oberthal mit zehn Millionen und Namborn mit 23,5 Millionen Euro Miese zusammen, gebe es kurzfristig nur geringe Einsparpotenziale: durch den Wegfall eines Gemeinderates und Bürgermeisters. Mehr würden gemeinsame Kämmereien oder Personalämter bringen. Massiv könne langfristig beim Personal gespart werden. Staub ist wegen leerer Kassen überzeugt: "Zusammenschlüsse müssen mittelfristig kommen." {rahkv} Nohfelden (10 200 Einwohner): Einen Druck verspürt Andreas Veit (CDU) durch "die allgemeine Entwicklung hin zu immer größeren Einheiten". Ein Grund: immer weniger Einwohner, weniger Einnahmen, aber die Aufgaben blieben die gleichen. Die Folge: "Kommunen können sich auf Dauer der Bevölkerungsentwicklung nicht entziehen." In fünf bis zehn Jahren werde sich das konkretisieren, sagt Veit. Doch zurzeit sieht der Bürgermeister "trotz schwieriger Situation" keinen Grund für Fusionen. "Natürlich kann man dadurch Geld sparen, aber die Sparziele sind nicht so hoch, dass wir aus dem Schneider sind." So verlören Ortsteile in größeren Einheiten Einfluss auf den Gemeinderat. Und die bisherigen Verwaltungsgebäude wie Rathäuser müssten weiter unterhalten werden. So plädiert er ebenso für mehr Zusammenarbeit über Gemeindegrenzen hinweg. "Wenn Gemeinden freiwillig fusionieren, werden wir das unterstützen." Das Saarland mache die Geldbörse auf, kündigte Jürgen Lennartz (CDU), Chef der Saarbrücker Staatskanzlei, vor der CDU in St. Wendel an. Er legte nach: "Wenn nun Gemeinden fusionieren, können dadurch neue Synergieeffekte entstehen." All das sei sinnvoll, wenn langfristig gespart werde.

Mehr als skeptisch reagiert Magnus Jung, kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. "Eine Zusammenlegung von Gemeinden kann zwar auf lange Sicht auch zu Einsparungen führen. Zunächst ist aber der Aufwand, der dafür betrieben werden muss, so groß, dass es in den nächsten Jahren eher zu Mehrkosten als zu Einsparungen kommen würde." Dem Kasteler erscheint die Diskussion darüber "eine Alibi-Funktion zu haben". Sie erwecke den Eindruck, "dass man etwas tut, aber es kommt nichts Zählbares dabei heraus". Auch nicht für die Bürger, schätzt Jung. Denn am Beispiel möglicher Gemeindefusion St. Wendel-Oberthal sagt er: "Oberthaler sind und bleiben Oberthaler." Aber bei einer gemeinsamen Kommune bringe die heutige Gemeinde Oberthal 20, die Kreisstadt 80 Prozent ein. "Machen wir uns keine Illusionen, wo über die Belange dann entschieden wird" - sollte es dazu kommen. Erhebliche Defizite sieht er bei der interkommunalen Zusammenarbeit. Es fehle eine "systematische Organisation": Das sei insbesondere bei den Haushaltsplänen festzustellen. Hier arbeiteten die Verwaltungen mit unterschiedlichen Computerprogrammen, statt einheitlich zu verfahren. "In einer besseren Zusammenarbeit und gemeinsamer Erledigung von Aufgaben der Verwaltung steckt noch viel Einsparpotenzial Sollte es tatsächlich zu neuen Strukturen bei den Städte- und Gemeindegrenzen kommen, betrifft dies in erster Linie Einwohner. Sie müssen sich dann wie die Beschäftigten in den Rathäusern und sonstigen kommunalen Einrichtungen an neue Wege und Abläufe gewöhnen.

Darum ist auch die Meinung der SZ-Leser gefragt. Dazu richtet die St. Wendeler Zeitung auf ihrer Seite des Internetdienstes Facebook ein Diskussionsforum ein. Hier haben alle Nutzer die Möglichkeit, ihre Stellungnahmen abzugeben. Was ist zielführender - gleich Gemeinde-Ehen oder doch lieber eine engere Zusammenarbeit zwischen den Bediensteten der einzelnen Rathäuser und die Selbstständigkeit beibehalten? Oder müssen beide Wege parallel beschritten werden? Das Debattenangebot in dem sozialen Netzwerk ist für alle offen und kostenlos.

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Matthias Zimmermann

Volker Fuchs

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