Drogensucht ist Gefängnisalltag

Saarbrücken · Über 50 Prozent der rund 750 Häftlinge in Saar-Gefängnissen haben Probleme mit Drogen. Ob der Aufenthalt hinter Gittern hilft, die Sucht zu überwinden, ist jedoch ungewiss. Mancher leidet eher.

 Gefängniszellen werden bundesweit (hier in der Justizvollzugsanstalt Waldheim in Sachsen) mit Drogenhunden kontrolliert. Foto: Peter Endig/dpa

Gefängniszellen werden bundesweit (hier in der Justizvollzugsanstalt Waldheim in Sachsen) mit Drogenhunden kontrolliert. Foto: Peter Endig/dpa

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Die Schwester eines drogenabhängigen Insassen eines saarländischen Gefängnisses macht sich große Sorgen um ihren Bruder. "Er leidet sehr. Er hat extreme Schlafstörungen, kalten Schweiß und Schüttelfrost", sagt die Schwester, die aus Sorge vor möglichen Folgen für ihren Bruder lieber anonym bleiben will. Der Bruder, seit mehr als 20 Jahren heroinabhängig, sitzt seit einem Jahr hinter Gittern, wegen Drogenbeschaffungskriminalität.

Wegen seiner Drogensucht sei er auf das Drogenersatzmedikament Subutex angewiesen, so die Schwester. Da dieses jedoch im Gefängnis nicht verabreicht werde, habe er sich Subutex illegal besorgt. Das sei aufgeflogen - mit einschneidenden Folgen. "Er sitzt jetzt 23 Stunden in der geschlossenen Zelle ohne Fernsehen. Nur noch einmal im Monat darf ich ihn besuchen. Duschen darf er nur noch einmal in der Woche, die private Kleidung musste er abgeben", berichtet die besorgte Schwester. Die zudem fürchtet, dass ihr Bruder aus Verzweiflung einen Suizidversuch unternehmen könnte. Der Anwalt des drogenabhängigen Häftlings bestätigt, dass er für seinen Mandanten einen Antrag bei der Gefängnisleitung gestellt habe, dass dieser mit dem Medikament Subutex versorgt werde. In anderen Bundesländern werde das auch so gehandhabt, sagt der Anwalt.

Der drogenabhängige Häftling ist beileibe kein Einzelfall. Von den etwa 750 Häftlingen im Saarland "haben etwa 420 Gefangene eine Drogenproblematik", erklärt Dennis Zahedi, Sprecher von Justizminister Reinhold Jost (SPD ), der SZ auf Anfrage. Dabei werde zwischen Abhängigkeit und "schädlichem Gebrauch" unterschieden. Von den Betroffenen würden folgende Erkenntnisse über deren Suchtmittel vorliegen: 26 seien abhängig von Heroin, 62 von Cannabis, zwei von Hypnotika, 20 von Kokain, einer von Halluzinogenen, zwei von Lösungsmitteln, 34 von anderen Stimulanzien, und bei der Masse von 215 Häftlingen liege ein Missbrauch von mehreren Drogenarten vor. Bei 57 weiteren Gefangenen sei der Suchtstoff noch nicht ermittelt.

"Aktuell erhalten in saarländischen Haftanstalten 31 Häftlinge Drogenersatzmedikamente. Zur Anwendung kommen überwiegend Polamidon und Subutex, Diazepam und in Einzelfällen opiodhaltige Schmerzmittel", erklärt Zahedi. Die Verordnung erfolge durch die Anstaltsärzte im Rahmen einer "schrittweisen Entgiftung Opiatabhängiger oder einer Substitution". Für diese Verabreichung von Drogenersatzmedikamenten seien die Richtlinien der Bundesärztekammer maßgeblich. "In der Praxis ist der in diesen Richtlinien normierte Verzicht auf den Konsum anderer Stoffe das häufigste Ausschlusskriterium", betont Zahedi. Auf die Frage, ob es drogenabhängige Gefangene im Saarland gebe, denen die Vergabe eines Drogenersatzmedikamentes verwehrt werde, sagt Zahedi, dass die Voraussetzungen für die Anwendung nach suchtmedizinischen Kriterien geprüft würden. "Die Anwendung wird durchgeführt, sofern eine medizinische Indikation besteht", sagt Zahedi. Ziel der Suchtkrankenhilfe im Vollzug sei es, den Inhaftierten ein Leben ohne Drogen zu ermöglichen. Dieses Ziel sei aber "nicht für jeden Inhaftierten während der Haftzeit zu erreichen".

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