„Dreyer war populärer als Klöckner“

Zum Abschluss des Saartalks gilt es traditionell für die Gäste der Sendung, vorgegebene Sätze schnell und möglichst spontan zu ergänzen.

 Der Trierer Politikprofessor Uwe Jun und Wahlforscher Nico Siegel von Infratest dimap im Gespräch mit den Chefredakteuren Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ; von links).

Der Trierer Politikprofessor Uwe Jun und Wahlforscher Nico Siegel von Infratest dimap im Gespräch mit den Chefredakteuren Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ; von links).

Foto: Becker&Bredel

Herbst : Waren die Wahlen in Rheinland-Pfalz , Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt Abstimmungen über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel?

Jun: Sie waren es zumindest größtenteils. Die Flüchtlingspolitik war das größte Thema des Wahlkampfs, landespolitische Themen rangierten weit dahinter. Insofern hat insbesondere die AfD davon profitiert, dass es eine Reihe von Wählergruppen gibt, die mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung nicht einverstanden sind.

Herbst : Wird die Kanzlerin ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik ändern?

Jun: Ich denke, nein. Sie wird allenfalls kleinere Modifikationen vornehmen. Sie weiß, dass sie ihre Popularität bei den Wählern in erster Linie ihrer Vertrauens- und Glaubwürdigkeit verdankt. Wenn sie jetzt davon abweicht, würde das erheblich Vertrauen kosten.

Klein: In einem Jahr wird im Saarland gewählt. Reicht es dort für eine große Koalition - Stand heute?

Siegel: Prognosen sind alles andere als einfach. Ein Jahr in die Zukunft zu sehen, in einem Bundesland, das im Moment eine noch relativ hohe Konzentration von CDU und SPD hat, ist doch ein sehr langer Zeithorizont. Maßgeblich wird es davon abhängen, was beim Thema Flüchtlinge passiert und ob die AfD es schafft, die Partei flächendeckend und professionell zu führen.

Herbst : Ist die AfD auf dem Weg zur Volkspartei?

Jun: Ich denke, nein. Sie ist im Moment noch eine Protestpartei, die noch sehr viele unterschiedliche Wählergruppen vereint, die aber nur ein einigendes Band hat und das ist der Protest.

Klein: CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner lag in Rheinland-Pfalz in Umfragen lange vorn. Woran ist sie gescheitert?

Jun: Zum einen an der noch größeren Popularität der amtierenden Regierungschefin, Malu Dreyer , die gerade im Schlussspurt gezeigt hat, wie populär und sympathisch sie ist. (. . .) Auch Dreyers Kompetenzwerte waren nicht schlecht. (. . .) Das zweite ist, dass einige potenzielle CDU-Wähler ihr Kreuz bei der AfD gemacht haben.

Siegel: Malu Dreyer hat es im TV-Duell und in den Tagen danach hervorragend verstanden, die Landesmutterrolle entsprechend herzlich zu geben. Sie galt als sympathischer und bodenständiger. Sie hat auch versucht, Julia Klöckner wegen deren Abgrenzung zur Kanzlerin vorzuwerfen, einen populistischen Wahlkampf zu führen. Das kommt in einem bodenständigen Land eher schlecht an.

Klein: Julia Klöckner galt als Kronprinzessin in Berlin. Ist Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt Ersatzprinzessin?

Siegel: (. . .) Es gibt Spitzenpolitiker im Bund, die durchaus herbere Niederlagen bei Landtagswahlen einstecken mussten als Julia Klöckner .

Jun: Julia Klöckner ist in der Parteihierarchie deutlich vor Annegret Kramp-Karrenbauer . Sie ist stellvertretende Bundesvorsitzende. Die saarländische Ministerpräsidentin ist auf Bundesebene bisher nicht so stark in Erscheinung getreten.

Klein: Geht insgesamt der Trend in Deutschland zu Koalitionen mit mehr als zwei Parteien?

Jun: Das hängt jetzt auch davon ab, wie die AfD sich in den nächsten Jahren präsentieren wird. Ob sie ein dauerhafter Konkurrent im Parteiensystem sein wird. Wenn die AfD das schafft und weiterhin als nicht koalitionsfähig angesehen wird, dann werden wir vielfältige, auch ungewöhnliche Konstellationen erleben.

Herbst : Die Führungsspitze der AfD Saar hat für einige Tage ihre Ämter ruhen lassen wegen Kontakten zum rechtsextremen Milieu. Schadet das der Partei?

Jun: Im Moment schadet es ihr wenig, weil die Partei hauptsächlich auf Protest geeicht ist und dann eben auch verbale Fehlschläge (. . .) beim Wähler kaum ankommen. Er wählt ja primär gegen die etablierte Politik und nicht für eine Partei. Wenn sie sich dauerhaft etablieren will, dann kann es ihr schaden.

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