Drei Saarbrücker von Weltrang

Saarbrücken · Wenn Saarbrücken heute den Rabbiner-Rülf-Platz einweiht, sind auch drei Saarbrücker dabei, die heute internationales Renommee genießen. Ohne Rabbiner Rülf wären sie vielleicht nicht mehr am Leben.

 Klassenfoto: Das ist die Saarbrücker Grundschulklasse von Hermann Jakob Steinke alias Tzvi Avni (hinten rechts). Mit diesem Foto sucht er nach seinen Spielgefährten von einst. Repro: SZ

Klassenfoto: Das ist die Saarbrücker Grundschulklasse von Hermann Jakob Steinke alias Tzvi Avni (hinten rechts). Mit diesem Foto sucht er nach seinen Spielgefährten von einst. Repro: SZ

Alle drei gelten weltweit als Topleute in ihren Spezialgebieten, alle drei kamen in Saarbrücken zur Welt. Und für alle drei war es lebenswichtig, wofür der Rabbiner Schlomo Rülf während seiner Saarbrücker Jahre kämpfte. Deshalb werden sie auch alle drei dabei sein, wenn die Stadt heute den Rabbiner-Rülf-Platz einweiht.

Denn der Namenspate dieses Platzes war nicht nur ein leidenschaftlicher Saarbrücker - obwohl er nicht hier geboren wurde. Er war auch ein Lebensretter. Er gehörte zu den Leuten, die im Dezember 1934 das internationale Römische Abkommen zustande brachten. Und als die Mehrheit der Saarländer im Januar 1935 für den Anschluss an Nazi-Deutschland stimmte, sorgte das Römische Abkommen dafür, dass die saarländischen Juden bis zum 29. Februar 1936 Zeit hatten, um das Land zu verlassen. Rülf selbst ging am 16. Januar 1935 nach Israel.

Zusammen mit vielen anderen folgten ihm auch die Familien jener drei, die ihm und ihrer alten Heimat nun heute die Ehre erweisen: Ury Eppstein, Tzvi Avni und Gideon Paz.

Eppstein, der älteste Ehrengast, kam im Februar 1925 in Saarbrücken zur Welt, hieß damals Ferdinand und verbrachte die ersten neun Jahre seiner Kindheit in der Petersbergstraße 30. In seinem zweiten Leben schrieb er als Journalist für die Jerusalem Post und lehrte als Professor an der Universität Jerusalem. Bis heute ist er ein international gefragter Spezialist für japanische Musik.

Fingernagelspur im Beton

Als Saarbrücker Bub entdeckte er eines Tages in der Petersbergstraße eine frisch betonierte Garageneinfahrt. Spontan ritzte er mit dem Fingernagel eine kleine Linie in eine Ecke des noch weichen Betons. Als Eppstein in den 80er Jahren anonym Saarbrücken und die Petersbergstraße besuchte, war der Ratzer noch da. Auch diesmal will Eppstein nach ihm suchen. Allerdings stehen die Chancen schlecht. Die Einfahrt wurde inzwischen saniert.

Doch die Erinnerung bleibt, und sie ist nicht die einzige. Der SZ berichtete Eppstein per E-Mail: "Ich bin in die ersten drei Klassen der Bismarck-Schule gegangen und in die vierte Klasse der 1934 gegründeten Jüdischen Schule. Ich war auch Mitglied des Bundes Jüdischer Pfadfinder. Die Mitgliedskarte habe ich noch - mit der Unterschrift von Rabbiner Rülf, der zu jener Zeit Vorsitzender war."

Der zweitälteste Ehrengast, Tzvi Avni, kam im September 1927 in Saarbrücken zur Welt und verbrachte die ersten sieben Jahre seiner Kindheit in der Sophienstraße 3, wo heute das Parkhaus der Europa-Galerie steht. Damals hieß er Herrmann Jakob Steinke. In seinem zweiten Leben wurde er Tzvi Avni und ein Komponist von Weltgeltung. Tzvi heißt Hirsch und Avni Stein.

Von seinen zahlreichen Titeln und Auszeichnungen seien hier nur zwei erwähnt: 1998 erhielt er den Kunstpreis des Saarlandes, und 2012 wurde er (direkt nach Willi Graf) Ehrenbürger von Saarbrücken. Hier ging er als Knirps 1933 erst in eine französische Grundschule und ab April 1934 in die Jüdische Schule. Dort hatte er denselben Religionslehrer wie Eppstein: Rabbiner Rülf.

Avni weiß noch, dass er mit der Straßenbahn zur französischen Schule in St. Johann fuhr. An einige Klassenkameraden kann er sich auch erinnern und an die Lehrerin Madame Marrat. Er hat sogar noch ein Klassenfoto - und bittet seine Mitschüler, sich zu melden.

Steine hüpften auf der Saar

Er erinnert sich daran, wie er sonntags mit seinen Eltern am Deutschmühlenweiher spazierenging - und an seinen Freund Helmut, den Nachbarssohn. Mit dem und anderen Kameraden ließ er Steine über die Saar hüpfen. Er weiß noch, dass auch Helmuts Vater eine Armbinde mit Hakenkreuz trug, und er weiß, dass er sich bedroht fühlte, als in der Trierer Straße die Nazis aufmarschierten. Aber Saarbrücken ist heute für ihn die wichtigste Stadt außerhalb von Israel.

Der dritte Ehrengast, Gideon Paz, kam 1932 in Saarbrücken zur Welt und verbrachte seine ersten drei Jahre am Ilseplatz. Seine Eltern waren der Rechtsanwalt Dr. Kurt Voss und dessen Frau Irma. In seinem zweiten Leben wurde Paz Kulturmanager, sammelte zahlreiche Titel, unter anderem Generaldirektor der Amerikanisch-Israelischen Kulturstiftung.

Eppstein, Avni und Paz kommen als Gäste der Christlich-Jüdischen Arbeitsgemeinschaft nicht nur, um den Rabbiner-Rülf-Platz einzuweihen. Sie werden außerdem am Mittwoch, 13. November, ab 18 Uhr im Haus der Stiftung Demokratie Saarland, Bismarckstraße 99, öffentlich aus ihrem ereignisreichen Leben berichten, um danach miteinander und mit ihrem Publikum zu diskutieren.

 Tzvi Avni in der Sophienstraße, dort verbrachte er seine ersten Kinderjahre. Foto: Honk

Tzvi Avni in der Sophienstraße, dort verbrachte er seine ersten Kinderjahre. Foto: Honk

Foto: Honk

Zum Thema:

Auf einen BlickHeute ab 14 Uhr weiht Saarbrücken den Rabbiner-Rülf-Platz und die Skulpturengruppe "Der unterbrochene Wald" von Ariel Auslender feierlich ein. Zu Gast ist dabei auch die Tochter von Rabbiner Rülf, Yedida Kaouly-Rülf. Eine Ausstellung über Rabbiner Rülf eröffnet heute um 16 Uhr im Hauberrissersaal des Rathauses St. Johann. fitz

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