Dörfer fern von Digital-Autobahn

Saarbrücken · Der Breitband-Ausbau kommt im Saarland langsam in Gang. Bis auf die Region Saarbrücken liegen noch viele Gemeinden abseits der digitalen Autobahnen. Sie drohen ohne schnelles Internet für Unternehmen und Bürger unattraktiv zu werden.

Ein Geldregen soll über dem Saarland herniedergehen. Im November 2015 hatte Alexander Dobrindt (CSU ), Bundesminister für Infrastruktur, eine Digital-Offensive ausgerufen: Ländliche Kommunen sollen bis 2018 in den Genuss schneller Internet-Verbindungen kommen. Dafür stellte Berlin einen Fördertopf von bis zu 2,7 Milliarden Euro zur Verfügung. 7,7 Millionen Euro davon bekommt das Saarland, um auf den Dörfern dem Breitband-Ausbau auf die Sprünge zu helfen.

Die digitalen Autobahnen sind längst so wichtig wie der Nahverkehr. "Früher war die Frage bei Neubaugebieten, wie weit die Schule weg ist. Heute heißt es, wie schnell ist dort das Internet ", sagt Thomas Haböck. Der Projektleiter managt beim Zweckverband Ego-Saar mit Vorstand Stephan Thul den Breitband-Ausbau im Saarland. Anders als in den großen Bundesländern stellen die 52 Gemeinden die Förderanträge nicht einzeln beim Bund, sondern haben sich zusammengeschlossen. Die 7,7 Millionen Euro sollen nach Bedarf in den Gemeinden investiert werden, die ohne Hilfe den Anschluss an das schnelle Internet verlieren würden. "Städte und Gemeinden müssen immer häufiger einspringen, wenn private Anbieter auf eigene Rechnung keine schnellen Leitungen verlegen wollen", sagt Haböck. Er und Thul veranschlagen die Investitionssumme auf rund 80 Millionen Euro , um in allen Gemeinden Leitungen mit einer Signalstärke von 50 Mbit zu legen. Unternehmen sind auf diese Leitungen angewiesen, um ständig Daten mit ihren Kunden auszutauschen. Familien sind über Smartphones dauervernetzt. Doch noch durchzieht ein Riss das Bundesland. Im Regionalverband Saarbrücken lebt fast ein Drittel der saarländischen Bevölkerung. Auf wenigen Kilometer Kabel können die Unternehmen mit mehreren zehntausend Kunden rechnen. Auch die Stahl- und Automobil-Industrie sorgt für eine rege Nachfrage. Hier investieren Anbieter wie Kabel Deutschland oder das saarländische Unternehmen Inexio auf eigene Faust in Breitband-Leitungen. Gut zupasskommt den Versorgern, dass in der Region vor 30 Jahren leistungsstarke Kupferkabel für das Farbfernsehen verlegt wurden. Die können auch ein Daten-Volumen von bis zu 200 Mbit pro Sekunde schaffen. Die Firmen greifen auf diese Leitungen gerne zurück. Sie haben geringe Investitionskosten, können aber auf fast alle Kundenwünschen eingehen, sagt Thul.

Das Nachsehen haben Kommunen in den Kreisen Merzig-Wadern und St. Wendel im nördlichen Saarland. Dort leben auf 556 Quadratkilometern verstreut nur 103 000 Menschen. Die Haushalte der Kommunen sind schnell durch Schul- oder Straßensanierungen erschöpft. Internet-Anschlüsse gibt es hier zwar auch, deren Bandbreite bewegt sich aber meistens unter 16 Mbit. "Wollten die Gemeinden auf eigene Kosten Glasfaser-Leitungen legen lassen, müssten sie pro Kilometer mit mit bis zu 70 000 Euro Tiefbau-Kosten rechnen", so Thul. Geld das viele Kommunen aber nicht haben. Inexio-Vorstand Thorsten Klein räumt ein, dass diese Region für Versorger schwierig ist. "Neue Leitungen müssen sich für uns wirtschaftlich rechnen", sagt er. Alles hänge davon ab, wie viele Kunden Vorverträge abschließen wollten. Etwas anderes sei es natürlich, wenn die Gemeinden mit Fördergeldern den Ausbau finanzieren können.

Für Ralph Sonnenschein vom Deutschen Städte- und Gemeindetag ist dieser Zustand nicht überraschend. In den vergangenen zehn Jahren hätte die Privatwirtschaft den Netzausbau vorangetrieben. "Seit drei Jahren herrscht aber Stillstand", sagt der Referatsleiter für Breitband-Ausbau. Ländliche Kommunen seien schlicht mit der Aufgabe allein gelassen worden, schnelles Internet zu liefern. Gebessert habe sich die Situation erst , als das Bundesministerium für Infrastruktur die Digital-Offensive ausrief. Haböck ist jedenfalls zuversichtlich mit den Fördergeldern den Breitband-Ausbau soweit vorantreiben zu können, dass Ende 2018 fast jeder Saar-Haushalt über eine 50-Mbit-Leitung verfüge.

Meinung:

Die richtige Mischung macht's

Von SZ-Redaktionsmitglied Sebastian Ostendorf

Noch rumpeln viele Orte im Saarland über schwache Leitungen durch das Internet . Doch so lückenhaft die Breitband-Versorgung im kleinsten Flächenland ist, so sehr lässt sich bereits auf erste Erfolge verweisen: 73 Prozent aller Haushalte können mit 50 Mbit über die digitalen Autobahnen düsen. Die meisten Bundesländer hinken da noch hinterher. Die Landesregierung und Gemeinden erreichen ihr Ziel, fast jeden Flecken mit Breitband zu versorgen, nur deshalb, weil sie auf den Technologie-Mix von Kupfer- und Glasfaser-Leitungen setzen. Ohne Gelder des Bundes ist dies natürlich nicht machbar. Lange hatte sich Berlin geweigert, den Ausbau von bestehenden Leitungen zu fördern. Der Sinneswandel ist für das Saarland ein Glücksfall. Doch kommt er reichlich spät.

Zum Thema:

Auf einen Blick Breitband: Unter dem Begriff fasst man schnelle Internetzugänge mit einer hohen Datenübertragungsrate zusammen. Deren Leistungsstärke wird in Megabit pro Sekunde (Mbit) gemessen. Ein System gilt dann als Breitband, wenn seine Datenübertragungsrate über zwei Mbit hinausgeht. Faktisch benötigen moderne Vier-Personen-Haushalte heute mindestens eine Verbindung von 16 Mbit. sot

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