Die Zwei-Ämter-Affäre

Saarbrücken · Für sein Sozial- und sein Jugendamt hat der Regionalverband in aller Stille bei einer Firma der Stadt ein Gebäude gemietet, das erst gebaut werden muss. Jetzt gab der Regionalverband bekannt, was er an Miete zahlt und erntet unerwartete Wut.

 War für Sozial- und Jugendamt des Regionalverbandes im Gespräch: die alte Oberpostdirektion in der Klausener Straße in Saarbrücken. Foto: Becker & Bredel

War für Sozial- und Jugendamt des Regionalverbandes im Gespräch: die alte Oberpostdirektion in der Klausener Straße in Saarbrücken. Foto: Becker & Bredel

Foto: Becker & Bredel

Stinksauer auf den Regionalverband (RV) sind die saarländischen Unternehmer, die gemeinsam die Immobilienverwaltung Poststraße Saarbrücken (IPS) betreiben. Grund für ihre Wut ist ein Mietvertrag im Gesamtwert von rund 27 Millionen Euro mit einer Laufzeit von 15 Jahren. Diesen Vertrag hat der RV mit der Giu geschlossen - der Gesellschaft für Innovation und Unternehmensförderung der Stadt Saarbrücken .

Damit hat der RV erstmals ein Gebäude gemietet, das noch nicht existiert. Die Giu soll es nach Maßgaben des RV hinter dem Eurobahnhof bauen, der RV will dort ab Dezember 2017 sein Jugend- und sein Sozialamt einquartieren.

Die IPS hatte ebenfalls ein Gebäude für diese Ämter angeboten, allerdings eines, das bereits steht: die alte Oberpostdirektion (OPD) in der Klausener Straße in Malstatt. Die IPS wollte das Haus umgestalten und durch Anbauten so erweitern, dass es den Bedürfnissen des RV entsprochen hätte. Die IPS erklärt, darüber habe sie lange und intensiv mit dem RV verhandelt.

Dann aber beschloss die Regionalversammlung am 25. Juni, dass der RV bei der Giu unterschreibt. Die Entscheidung fiel in geheimer Sitzung - so erläutert der RV - weil neben dem Angebot der Giu auch zwei Angebote von Privatfirmen vorlagen, das Angebot der IPS und ein weiteres. Die Versammlung folgte einer Empfehlung des Regionalverbandsausschusses. Der wiederum stützte sich auf eine Empfehlung der Verbandsverwaltung, von Sozialamt, Jugendamt, Personalvertretung und dem Immobilienmanagement des Hauptamtes.

Weil die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, kannte die IPS das Angebot ihres Konkurrenten Giu nicht und ging nach der Entscheidung davon aus, dass die Giu eben billiger war. Doch am 25. November gab der RV bekannt, dass er bei der Giu ab Dezember 2017 monatlich Miete und Nebenkosten von rund 150 000 Euro zahle - für rund 10 000 Quadratmeter - und das 15 Jahre lang.

Jetzt konnte die IPS vergleichen. Sie wollte dem RV rund 7900 Quadratmeter vermieten und je nach Bedarf weitere Räume anbauen; Vertragslaufzeit: 20 Jahre. Der Giu-Vertrag läuft nur 15 Jahre. Bei ihrem Vergleich berechnete die IPS nun ihre Miete und Nebenkosten für rund 7900 Quadratmeter in der OPD und für rund 2000 Quadratmeter im noch zu erstellenden Anbau - für die ersten 15 Jahre. Ergebnis: Der RV - so behauptet die IPS - hätte allein in den ersten 15 Jahren bei der IPS rund 6,7 Millionen Euro im Vergleich zur Giu gespart.
Preis nicht entscheidend?

Die SZ ging mit diesen Zahlen zum RV und fragte, warum die Verwaltung die Giu empfohlen hatte. Dezernent Werner Jenal, Fachdienstleiter Oliver Kleineher und Pressesprecher Lars Weber erläuterten: Der Vorwurf und die Vergleichsrechnung der IPS seien falsch. Das alte OPD-Gebäude habe große bautechnische Nachteile. Damit die Ämter dort genauso effektiv arbeiten können wie im Neubau der Giu, hätte die IPS das OPD-Gebäude um rund 4500 Quadratmeter erweitern müssen.

Dann hätte der RV dort 12 400 Quadratmeter mieten müssen - und nicht nur 10 000 wie bei der Giu. Und die 12 400 Quadratmeter bei der IPS hätten pro Monat noch rund 44 000 Euro mehr gekostet als die 10 000 Quadratmeter bei der Giu. Also empfahl die Verwaltung den Giu-Vertrag.

Der Preis sei aber nur ein Kriterium von vielen gewesen, - und auch nicht das entscheidende. Der Giu-Neubau werde nach Maßgaben des RV gestaltet und sei deshalb wesentlich effektiver. Dass er auch das billigste Angebot war, sei eher Zufall gewesen. Mietverträge unterliegen nämlich nicht dem Vergaberecht . Also ist die öffentliche Hand - wenn sie etwas mieten will - in ihrer Entscheidung frei und nicht dazu verpflichtet, das billigste Angebot zu nehmen.

Der Europäische Gerichtshof hat allerdings am 10. Juli 2014 entschieden: Wenn die öffentliche Hand ein Gebäude mietet, das noch gebaut werden muss - und wenn die öffentliche Hand dabei entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung des geplanten Gebäudes ausübt - dann unterliegt auch dieser Mietvertrag dem Vergaberecht . Das heißt: Es muss eine Ausschreibung geben, und der billigste Bieter muss den Auftrag bekommen.

Die SZ konfrontierte den RV und die Giu mit dem Urteil. Darauf erklärte RV-Dezernent Werner Jenal: "Das Urteil betrifft unser Geschäft nicht. Der RV hat lediglich einen Raumbedarf angemeldet, ansonsten baut die Giu, wie sie will." Giu-Chef Jürgen Schäfer bestätigte Jenals Darstellung.

Meinung:
Anrüchiger Geheim-Quatsch

Von SZ-RedakteurJörg Laskowski

Das ist der typische Fall von: alles korrekt - aber irgendwie stinkt's doch. Einige Kommunen haben die geheimen Sitzungen über Mietverträge , die nicht unters Vergaberecht fallen, dazu benutzt, um Mietverträge zu schließen, die eigentlich verdeckte Bauaufträge waren. Weil die Kommunen sagten: Wir mieten das nur, wenn das so und so gebaut wird. Aber weil ja alles geheim war und offiziell als Mietvertrag bezeichnet wurde, brauchte man keine Ausschreibung - und dem Missbrauch waren Tür und Tor geöffnet. Das kam vor mehrere Gerichte. Zuletzt urteilte der Europäische Gerichtshof am 10. Juli 2014 und sagte: Schluss damit. Und am 25. Juni 2015 beschließt die Regionalversammlung auf Empfehlung ihrer Verwaltung, ein Gebäude zu mieten, das nach den Maßgaben des Regionalverbandes gebaut werden soll. Ja, was ist denn das?

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