Die verdrängten Jahre

Mettlach · „JoHo“ ist untrennbar mit der Geschichte des Saarlandes verbunden. Die KEB saar-Hochwald widmete dem früheren Ministerpräsidenten des Saarlandes einen Themenabend, zu dem auch einige Familienmitglieder Hoffmanns kamen.

 Wie verbittert damals der Kampf um das Saarstatut geführt wurde, belegen diese Plakate von 1955. „Joho“ Johannes Hoffmann wurde persönlich angegriffen, ein Wahlkampfstil, den man sich heute nicht mehr vorstellen könnte. Fotos: Archiv Porz

Wie verbittert damals der Kampf um das Saarstatut geführt wurde, belegen diese Plakate von 1955. „Joho“ Johannes Hoffmann wurde persönlich angegriffen, ein Wahlkampfstil, den man sich heute nicht mehr vorstellen könnte. Fotos: Archiv Porz

Im Verlauf des Abends stellte Bürgermeister Carsten Wiemann die eingereichten Namensvorschläge für die Mettlacher Saar-Brücke vor, verbunden mit dem Hinweis, dass nach den geltenden Gesetzen der Ortsrat für die Benennung zuständig ist.

Zu den bisherigen Vorschlägen gehören: Lutwinusbrücke, Medio-Lacus-Brücke, Untere-Saar-Brücke, Saarland-Brücke, Eichenlaubbrücke, Abtei-Brücke, Saartor-Brücke, Keuchinger Brücke, Willkommen-Brücke, Johannes-Hoffmann-Brücke oder JoHo-Brücke, Boch-Brücke (weil die erste Brücke vor der Erhebung in den Adelsstand von Eugen Boch erbaut wurde), Eugen-von-Boch-Brücke, Pont de Saar-Lor-Lux, das Jahrhundertwerk, Brücke des Friedens.

Neben nicht so ernst zu nehmenden Vorschlägen wie die Geduldige, die Engelsgeduld-Brücke, Geduld-Brücke, Vergiss-Brücke, gab es auch die Empfehlung, dass die Brücke gar keinen Namen brauche. 40 interessierte Teilnehmer konnte Anne Schuler, die Leiterin der KEB Saar-Hochwald, im Abteibrauhaus Mettlach begrüßen, darunter einige Familienmitglieder des früheren Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann. Auch Pastor Thomas Schmitt, Bürgermeister Wiemann, Ortsvorsteher Thul waren gekommen, um sich mit der Persönlichkeit von Johannes Hoffmann auseinanderzusetzen und mit jenen zehn ersten Jahren des Saarlandes (1947 - 1957), denen nach wie vor kaum Beachtung geschenkt wird. Eingeladen zu dieser Bildungsveranstaltung hatten neben der KEB Saar-Hochwald das Lutwinuswerk Mettlach, der CDU-Ortsverband Mettlach, der SPD-Ortsverband Mettlach, der BKU Bund Katholischer Unternehmer (Diözesangruppe Saar/Trier) und die KAB Katholische Arbeitnehmer-Bewegung Britten.

Hans Ludwig, Sprecher des Politischen Forums Mettlach und ebenfalls Mitveranstalter, hob in seiner einleitenden Rede die Beweggründe für eine derartige Veranstaltung hervor: So hatte das Fellenbergmuseum Merzig anlässlich seiner Ausstellung über die Saarbrücken "drunter und drüber" dazu aufgerufen, der bisher unbenannten renovierten Brücke über die Saar in Mettlach endlich einen Namen zu geben. Das Politische Forum hatte dazu den Namen Johannes Hoffmann ins Spiel gebracht, der die Brücke an Heiligabend 1951, auch als Wiederaufbauminister, dem Verkehr übergeben hatte. Es war dies die 74. Brücke von insgesamt 105, die im Saarland wieder aufgebaut worden sind, finanziert auch über Marshallplan-Gelder (siehe Bericht unten).

Die Landesregierung hatte 2007 das 50-jährige Jubiläum mit dem Titel "Saarland - schön, dass du da bist" gefeiert, ohne zu problematisieren, dass es seit 1947 bereits mit derselben Verfassung und jeweils demokratisch gewählten Regierungen existierte. Es war schließlich Oskar Lafontaine, der dem ersten Ministerpräsidenten dieser zehn vergessenen Jahre durch Anbringen seines Portraits in der Staatskanzlei Anerkennung und Würdigung vermittelte.

Aktuell wird um die weitere Existenz der Eigenstaatlichkeit des Saarlandes - wenn auch jetzt als Bundesland - gestritten, wobei dabei die fiskalische Krise des Landes im Vordergrund steht. Die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse wird bisher ausschließlich als Ausgabenbremse umgesetzt, wichtig wäre aber auch Einfluss zu haben auf die Einnahmenseite. Schließlich wurde kürzlich eine Analyse vorgelegt, wonach das Saarland von der Wirtschaftskraft her mit den anderen Bundesländern gleichauf liegt, aber bei der Steuerkraft erheblich drunter bleibt. Es muss also eine Alternative gesucht werden, die Elemente eines teilautonomen Landes wiedergewinnt, damit auch der Rückstand auf der Einnahmenseite überwunden werden kann.

Der Film des Saarländischen Fernsehens "Johannes Hoffmann und das Saarland - Europas Neubeginn" eröffnete den Reigen von Informationen. Bei vielen Zeitzeugen erweckte er Erinnerungen, bei anderen Erstaunen darüber, dass diese Zeit in ihrer schulischen Sozialisation wohl völlig ausgeblendet worden war.

Professor Heinrich Küppers, ein Biograf von Johannes Hoffmann, knüpfte an den Film an und entfaltete das ganze Leben von Hoffmann. Als 18-jähriger Theologiestudent brauchte Letzterer eigentlich nicht in den Ersten Weltkrieg. Aus Patriotismus heraus meldete Hoffmann sich freiwillig zum Militär, als ihn bei einem Ernteeinsatz im Hunsrück die Nachricht vom Kriegsausbruch erreichte. Er war im Kampfeinsatz im Elsass, im Heiligen Land in der Nähe von Betlehem, wurde verwundet und entschied sich schließlich Journalist zu werden.

Wenn er auch zunächst noch als Chefredakteur der Saarbrücker Landeszeitung (1929 bis 1934) für den Anschluss der Saar an das Deutsche Reich plädierte, wurde aus ihm dennoch ein entschiedener Verfechter und Kämpfer für den "Status Quo". Mit ausschlaggebend für diese Wende war wohl die politische Zuspitzung und Radikalisierung, als etwa der sogenannte Röhm-Putsch zur Ermordung auch führender katholischer Laien führte oder etwa die "Deutsche Front" (DF), als nationale Massenbewegung im Saargebiet, ein Sammelbecken für den Wiederanschluss aller politischen Kräfte wurde. Selbst der Bischof hatte hier alle zu Mitgliedschaft und Mitarbeit aufgerufen. Weil diese Deutsche Front aber für die Abschaffung der Pressefreiheit, der Parteien und Gewerkschaften war und die Gleichschaltung betrieb, war das mit dem Demokraten und Journalisten Hoffmann nicht zu machen. Damals keimte wohl die Idee eine autonome Saar, also nicht mehr nur eine Verwaltungseinheit, sondern einen souveränen Staat, ähnlich wie Luxemburg, anzustreben.

Mehr noch als bei Johannes Hoffmann, ist dieser Gedanke von Emigranten in der Sozialdemokratie entwickelt worden, eine Pufferzone zwischen Deutschland und Frankreich zu schaffen. Während dies bei den Sozialdemokraten eher eine Machtfrage war, war es bei Hoffmann aber eine Gesinnungsfrage. Hier sei nach Küppers eine Vorentscheidung gefallen, die später 1947 unter anderen Voraussetzungen dann politisch umgesetzt wurde. Als Idee sei so das Saarland bereits 1934 entstanden.

In dem Zusammenhang stellt und diskutiert der Referent die Frage, ob die Saarländer am 13. Januar 1935 tatsächlich in der Lage waren, frei zu wählen.

Nach seiner Emigration nach Luxemburg, im Jahre 1935, flüchtete Johannes Hoffmann (1940 und 1941) über Frankreich nach Brasilien und kehrte von dort erst 1945 wieder nach Saarbrücken zurück.

Küppers berichtete, dass von 1945 bis 1947 keine Politik für das Saarland möglich gewesen sei, genauso wenig wie für Deutschland, da die Alliierten sich noch nicht einig gewesen seien, was sie mit Deutschland anstellen sollten. Frankreich wollte an den Status von 1919 anknüpfen, also eine Art unselbständige Verwaltungseinheit, die von Frankreich vereinnahmt werden sollte. Dies sei am Widerstand der übrigen Alliierten gescheitert.

Selbst die Währungsunion musste um ein dreiviertel Jahr verschoben werden, bis die Alliierten sie genehmigten, weshalb die Saarländer für diese Zeit in den Genuss einer in Paris gedruckten Saarmark kamen.

Erst während der Außenministerkonferenz vom November 1947 haben wohl die Amerikaner und Engländer den Franzosen in der "Saarfrage" nachgegeben, wobei man auf die Zustimmung der Sowjetunion verzichtetet habe. Parallel zu dieser Entwicklung verfolgte man aber schon das Vorhaben einer verfassungsgebenden Versammlung für das Saarland (Oktober bis November 1947). Damit konnte die Saar zwei Jahre früher mit ihrem staatlichen Aufbau beginnen als die Bundesrepublik, wo das Grundgesetz erst 1949 Geltung erlangte.

Es wird der Verdienst von Johannes Hoffmann bleiben, dass er mit seiner Arbeit nicht nur eine Verwaltungseinheit, sondern einen Staat mit eigener Verfassung und demokratisch gewählter Regierung durchgesetzt hat.

Dennoch wurde Hoffmann nicht der Leiter der Verwaltungskommission, so Küppers, sondern sein Parteifreund Müller von der CVP. Als Grund dafür führt er an, dass die anderen Parteien Hoffmann wohl für zu dominant hielten. Schließlich wurde er aber Leiter der Verfassungskommission, die den Auftrag hatte, eine Verfassung auszuarbeiten. Die Verabschiedung der Verfassung erfolgte letztendlich am 5. Oktober 1947, ganz in der deutschen Verfassungstradition, und kann sich auch heute noch im Kreis der Verfassungen deutscher Länder gut sehen lassen.

Einen besonderen politischen Zündstoff ergab sich aus der von Frankreich durchgesetzten Präambel mit den Konditionen der politischen Ablösung von Deutschland, der Wirtschafts- und Währungsunion mit Frankreich und der inneren Autonomie in allen anderen Fragen, ein Zündstoff der vor allem im Zusammenhang mit der Abstimmung zum "Saarstatut" (1955) besondere Wirkungskraft entfalten sollte.

Gleichzeitig benutzten die politischen Gegner die damit verbundenen Fragen, die saarländische Regierung beim eigenen Volk unglaubwürdig zu machen. Dadurch, dass die Präambel Verfassungsrang hatte, wurden Parteien, die diesen Konditionen nicht zustimmten, nicht zugelassen beziehungsweise verboten.

Selbst nach der Ära von Johannes Hoffmann und nach den Wirren um den Beitritt des Saarlandes 1957 wurde an der Eigenstaatlichkeit durch Ministerpräsident Franz-Josef Röder festgehalten und diese verteidigt. Es gilt, dass sich die Saarländer wieder auf diese Geschichte besinnen, insbesondere wenn es nun darum geht, diese Eigenstaatlichkeit des Saarlandes aus fiskalischen Gründen wieder zu opfern.

Unter der fachkundigen Moderation von Thomas Berenz vom Themenschwerpunkt Arbeit im Bistum Trier, der auch die Fachtagung moderierte, schilderten zwei Zeitzeugen, Klaus Altmeyer, Journalist aus Lebach, und Heinrich Lang, ehemaliger Fahrer der Landesregierung aus Honzrath, ihre persönliche Erinnerung und Einstellung zur Frage des Saarstatuts. Heinrich Lang, als Befürworter und "Ja-Sager", beobachtete in der damaligen Zeit bei vielen Saarländern, vor allem in den Dörfern, eine tiefe Dankbarkeit gegenüber JoHo, die darin begründet war, dass er ihnen wieder Brot, Arbeit und ein Dach über dem Kopf gegeben habe.

Es ging den Saarländern auch im Vergleich zur Bundesrepublik recht gut. Klaus Altmeyer sah als "Nein-Sager" den Trend zur Ablehnung des Statuts eher kurzfristig, weil genau in den Monaten vor der Abstimmung die Euphorie, mit der man die Europäisierung erwartete, sehr gedämpft wurde.

So war die Europäische Verteidigungsgemeinschaft in der Französischen Nationalversammlung gescheitert (1954), die Bundesrepublik hatte ihre volle Souveränität im Mai 1955 wieder erlangt, die Bundeswehr wurde gegründet. Während die Verteidigungsfrage auch für die Saar innerhalb der EVG geregelt werden sollte, hing das Saarland nach deren Ablehnung völlig in der Luft.

In der weiteren Diskussion und in Pausengesprächen meldeten sich auch die Familienmitglieder zu Wort und berichteten "aus dem Nähkästchen", wie sie die Abstimmungsnacht vom 23. Oktober 1955 erlebten, die ihr Vater überwiegend mit der Familie verbrachte. Selbst in späteren Jahren hatten die Enkelkinder den Eindruck, dass sie von ihren Spielkameraden und auch von den Lehrern als Hoffmann-Kinder nicht immer fair behandelt wurden.

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