Die Telekom schickt den Abrissbagger

Saarbrücken · Jahrelang gammelte sie ungenutzt vor sich hin. Anwohner fanden, dass sie auch eine andere Bestimmung haben könnte und machten aus der Telefonzelle einen Bücherschrank. Die Telekom will sie bald abreißen.

 Sibille Strauch hat mit viel Mühe eine Telefonzelle am Schloss zum Bücherschrank umgestaltet. Der Telekom ist das egal. Foto: Iris Maurer

Sibille Strauch hat mit viel Mühe eine Telefonzelle am Schloss zum Bücherschrank umgestaltet. Der Telekom ist das egal. Foto: Iris Maurer

Foto: Iris Maurer

Wer früher mal wen anrufen musste und keinen Anschluss zu Hause hatte, der musste eine Telefonzelle suchen. Dort war es im Winter kalt, im Sommer zu warm, dort gab es Spinnen und Käfer. Wenn man telefonierte, musste man Münzen nachwerfen. Da konnte es passieren, dass die Münzen durchfielen und man wie wild die Münzen irgendwo rubbelte, um sie statisch aufzuladen. Manchmal haben draußen schon Leute gewartet und genervt geklopft.

Heute in Zeiten von Handys, Internet und WhatsApp klingt das, als wären seither Jahrhunderte vergangen. Die Relikte dieser Zeit, die gelben Telefonzellen, gibt es aber immer noch vereinzelt. Meist vergammeln sie trist und ungenutzt vor sich hin.

Dem Nachrichtendienst Heise Online hat die Telekom verraten, dass es nur noch knapp 30 000 dieser Zellen in Deutschland gibt. Vor zehn Jahren waren es noch 110 000. Ein Fernsprecher, der weniger als 50 Euro Umsatz hat, gelte als unwirtschaftlich und werde stillgelegt.

Am Schloss gibt es eine dieser vergessenen, stillgelegten Telefonzellen. Sibille Strauch, die gegenüber die "Tomate 2" betreibt, hat mit ihrer Tochter irgendwann überlegt, was man damit anstellen könnte. Weil sie auf ihre Anfragen bei der Telekom keine vernünftige Antwort erhielt, wie man das Ding übernehmen könnte, hat sie den gelben Kasten einfach orange angestrichen und einen Bücherschrank eingebaut. "Wir haben rund hundert Euro für alles ausgegeben. Mein Sohn macht das in Berlin auch, und dort gibt es die skurrilsten Telefonzellen", sagt die Saarbrückerin. Seit einem Jahr gehen Anwohner auf den Schlossplatz, nehmen sich ein Buch, das sie gern lesen würden, und bringen neue Bücher mit. Im Sommer stellt Sibille Strauch eine Bank davor, damit Leseratten einen gemütlichen Platz zum Schmökern haben.

Vor Kurzem bekam Sibille Strauch Besuch von einer Frau, die im Auftrag der Telekom alle Telefonzellen in Saarbrücken registriert. Sie sollen demontiert und verschrottet werden. "Das wäre schade, denn der Bücherschrank wird wirklich gut angenommen", sagt Strauch. Eine Anfrage der Saarbrücker Zeitung, wie die Anwohner ihren Bücherschrank retten könnten, beantwortet die Telekom standardisiert und mit wenig Fingerspitzengefühl für Anwohner: "Die Nutzung ist illegal. Diese Zelle wird abgebaut, damit sie keine weiteren Kosten mehr verursacht (Stromanbindung usw.). Wer möchte, kann sich eine alte Telefonzelle kaufen. Informationen über Preise und Konditionen können schriftlich erfragt werden unter info@telefon.de."

Meinung:
Keine Lösung unter dieser Nr.

Von SZ-Redakteur Fabian Bosse

Ein Kommunikationsunternehmen, mit dem man nicht richtig kommunizieren kann? Keine richtigen Ansprechpartner, Antworten und keine Lösungen - Telekom. Was Sibille Strauch berichtete, bestätigen auch die Recherchen der SZ. Die Antworten der Presseabteilung waren standardisiert, Nachfragen wurden nicht beantwortet. Eine liebevoll hergerichtete alte Telefonzelle soll abgerissen und verschrottet werden, und dafür kann man eine andere kaufen? Was für ein Blödsinn. Die Telekom verpasst hier eine Chance. Warum lobt sie nicht einen Wettbewerb aus, den gewinnt, der die kreativsten Lösungen für Telefonzellen im öffentlichen Raum findet?

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