Die Schrecken des Krieges als Tanztheater

Saarbrücken/Sarajevo · "Es gibt hier in Sarajevo Geschäfte wie H&M oder Zara, die sehen genauso aus wie bei uns in Saarbrücken. Aber ein paar Meter dahinter steht dann ein total zerstörtes Haus mit Einschusslöchern. Diese Kontraste sind einfach heftig.

 Sie haben gemeinsam das Tanztheaterstück „#P.O.S.T. 14“ entwickelt, das als Mahnung und Appell für den Frieden wirken soll. Foto: Heiner Buchen

Sie haben gemeinsam das Tanztheaterstück „#P.O.S.T. 14“ entwickelt, das als Mahnung und Appell für den Frieden wirken soll. Foto: Heiner Buchen

Foto: Heiner Buchen
 Szene aus „#P.O.S.T. 14“. Foto: Anna Makarova

Szene aus „#P.O.S.T. 14“. Foto: Anna Makarova

Foto: Anna Makarova

Ich habe mir Sarajevo vorher überhaupt nicht so vorgestellt," sagt Miguel Klein-Medina, 17, aus Saarbrücken.

Er ist einer von 21 Saarbrücker Jugendlichen, die in den vergangenen beiden Wochen gemeinsam mit 34 Altersgenossen aus Frankreich, Bosnien und Rumänien in Sarajevo ein Tanztheaterstück entwickelt haben - Titel: "#P.O.S.T. 14". An diesem Samstag, 9. August, soll es in Grbavica, einem Stadtteil von Sarajevo , Premiere haben. Im Stück geht es um die Geschichte und Zukunft von Sarajevo . "Die größeren Szenenblöcke handeln vom 1. Weltkrieg, vom Bosnienkrieg und davon, wie die Jugendlichen die Zukunft Sarajevos sehen. Ich will jetzt aber auch noch nicht zu viel verraten", sagt Anja Curkovic. Sie ist eine der bosnischen Tänzerinnen und spricht akzentfrei Deutsch. Während des Bosnienkrieges flüchtete sie mit ihrer Familie und lebte dann zehn Jahre in Offenbach. Inzwischen ist sie nach Bosnien zurückgekehrt und wohnt in Sarajevo .

Die Tage der Tanzgruppe waren straff organisiert: Um halb acht klingelte der Wecker, um acht gab's Frühstück. Danach folgte eine kurze Besprechung mit der Kölner Profi-Choreografin Daniela Rodriguez. Um zehn begann das Aufwärmtraining. Insgesamt tanzten die Jugendlichen etwa sechs Stunden pro Tag. Einige waren gar nicht zu bremsen und machten nach den Proben noch in kleineren Gruppen weiter.

"Wir verlangen den Jugendlichen schon einiges ab", sagt der Leiter des Projekts, der katholische Pastoralreferent Heiner Buchen vom Dekanat Saarbrücken: "Sie sind die ganze Zeit sehr konzentriert und motiviert, das ist natürlich anstrengend. Aber die Stimmung ist insgesamt wirklich super."

Grbavica, der Ort, an dem die Uraufführung steigt, war während des Bosnienkrieges (1992 bis 1995) heftig umkämpft. Die Idee, dort zu tanzen, stammt von Buchen. Unter seiner Anleitung beschäftigten sich die jungen Leute mit der Geschichte Bosniens - was sie dabei empfanden, wollen sie beim Tanzen zeigen. Schwer beeindruckt waren sie beispielsweise vom Gräberfeld von Srebrenica. Dort töteten Serben 1995 rund 8000 Bosniaken.

In der Synagoge von Sarajevo informierten sich die Jugendlichen über das Judentum auf dem Balkan. Buchen: "Es ist etwas Besonderes, wenn in einer Stadt Juden, Christen und Moslems so lange zusammenleben wie in Sarajevo . Und die Spuren des Krieges sind hier noch an vielen Orten zu sehen."

In den Trainingspausen unterhielten sich die Saarbrücker Tänzer oft mit ihren bosnischen Partnern - denn die haben den Krieg zum Teil selbst erlebt oder von ihren Eltern viel darüber erfahren. "Ich habe von den Leuten aus Bosnien viel über die Geschichte des Krieges hier gelernt", sagt Claudia Alan Francis aus Saarbrücken: "Wir hatten viele Fragen, und sie haben uns viel erzählt. Das ist sehr emotional, weil es meistens ja um ihre eigenen Familien geht."

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