„Die Psychologin und der Pfarrer“

Saarbrücken · Bürgerinnen und Bürger sollten „die Planung einer menschenwürdigen Stadt“ nicht alleine den Politikerinnen und Politikern überlassen, sagt Ulrike Donié. Weil sie sich seit Jahrzehnten so engagiert, hat sie nun von Bundespräsident Joachim Gauck das Bundesverdienstkreuz bekommen.

Im Schloss Bellevue verlieh Joachim Gauck Ulrike Donié das Verdienstkreuz am Bande. Foto: Michael von Lingen

Im Schloss Bellevue verlieh Joachim Gauck Ulrike Donié das Verdienstkreuz am Bande. Foto: Michael von Lingen

Foto: Michael von Lingen

Man macht sich nicht unbedingt beliebt, wenn man selbst denkt und sich einmischt. Das hat Ulrike Donié früh gemerkt in ihrem Leben. Sie hat sich nämlich fast ihr ganzes Leben lang eingemischt. Dabei schien ihr Leben anfangs gar nicht dazu bestimmt, das eines Quälgeistes zu sein. Nach dem Abitur machte sie eine Banklehre und wurde wegen überdurchschnittlicher Leistung "die Karrierefrau bei der Bank", erinnert sie sich.

Es scheint, als sei das ein anderes Leben gewesen. Mit Freunden begann sich Donié aus der 68er Bewegung heraus für Kinder starkzumachen, die in Heimen lebten. "Das war damals alles grau. Wir haben da Leben reingebracht", sagt sie. Zu viel Leben für den ein oder anderen. Noch zu wenig Leben für Donié. Nach zehn Jahren bei der Bank kündigte sie, studierte Psychologie und machte ihr bis dahin ehrenamtliches Engagement zum Beruf.

Beim Jugendamt kümmerte sie sich bis zu ihrer Pensionierung 2005 um Pflege- und Adoptivfamilien. Ehrenamtlich mischte sich nun in die Stadtplanung ein. Sie gründete mit Freunden das Saarbrücker Bürgerforum - "in der Tradition der Bürgerinitiativen der 68er und 70er Jahre". Das heißt: Sie begehrten als Bürger nicht gegen spezielle Missstände vor der Haustür (ein Baugebiet oder eine Müllverbrennungsanlage zum Beispiel) auf, sondern mischten sich ins Große und Ganze der Stadtentwicklung ein - und erfanden ganz nebenbei das Saarbrücker Altstadtfest.

"Das Saarbrücker Bürgerforum ist ein Beispiel für eine aktive Bürgergesellschaft. Ulrike Donié sind immer wieder wertvolle Anregungen zur Stadtentwicklung zu verdanken", heißt es in der Begründung dafür, dass der Bundespräsident ihr das Verdienstkreuz am Bande verliehen hat.

Das ist ihr nach der Verleihung erstmal aus der Hand gefallen. Und kein Geringerer als der Schauspieler Götz George ist aufgesprungen, um beim Aufheben zu helfen. Auch er wurde an jenem Montag im Berliner Schloss Bellevue geehrt. Am meisten hat Donié aber Joachim Gauck selbst beeindruckt. "Da stehen wir, habe ich mir gedacht: die Psychologin und der Pfarrer . Ich hatte das Gefühl, jetzt mit dem einen trinken gehen zu können." Das hat sie dann nicht getan. Und das Bundesverdienstkreuz wird sie wohl ebenso tragen wie die Verdienstmedaille, die sie vor fünf Jahren bekommen hat.

Auch wenn es in der Schublade landet, wichtig ist es ihr - weil es "Mut macht weiterzumachen", hoffentlich neue, junge Leute motiviert mitzumachen und die Arbeit des ganzen Bürgerforums würdige. Eine Arbeit, für die die Stadt Saarbrücken übrigens nie "Danke" gesagt habe. Man mache sich nicht unbedingt beliebt, wenn man selbst denkt und sich einmischt.

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HintergrundDas Saarbrücker Bürgerforum gründete sich 1975. In diesem Jahr organisierte die Gruppe das erste Saarbrücker Altstadtfest und den ersten Kunstmarkt im Innenhof der heutigen Stadtgalerie. Mit einer Unterschriftenaktion forderte das Forum, dass der St. Johanner Markt Fußgängerzone wird. In den folgenden Jahren stieß das Bürgerforum durch Veranstaltungen und Veröffentlichungen unter anderem Debatten um die Auswirkungen der Saarkanalisierung (unter anderem auf die Alte Brücke), die Restaurierung und Nutzung des Schlosses sowie die Altstadtsanierung an.Das Altstadtfest verband das Forum mit Diskussionen über Verkehrspolitik, Parks und Städtepartnerschaften. Die engagierten Bürger beschäftigten sich aber auch mit Krieg und Frieden, Umweltschutz, der Situation von Frauen, Kindern, älteren Menschen und Ausländern in der Stadt. Sie kämpften für den Erhalt des Stengelhauses gegenüber von Karstadt und machten sich fürs Nauwieser Viertel stark. Den Kampf um den Erhalt der Fassade von Walters Eck verlor das Bürgerforum ebenso wie den Kampf darum, dass der Beethovenplatz zum Park wird. olsInformationen: Tel. (06 81) 4 78 21saarbrueckerbuergerforum.de

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