Die Predigten sind wieder politisch

Saarbrücken/Trier · 2016 haben Geistliche so deutlich wie seit Jahren nicht mehr politisch Stellung bezogen. Die klare Kante gegen rechts ist innerkirchlich aber durchaus umstritten, ein früherer Theologie-Professor aus der Region zeigt sogar Sympathien für die AfD. Eindrücke aus dem Bistum Trier.

 Die katholischen Bischöfe, hier bei einem Treffen 2015 in Fulda, beziehen klar Stellung gegen Rechtspopulismus. Foto: Dedert/dpa

Die katholischen Bischöfe, hier bei einem Treffen 2015 in Fulda, beziehen klar Stellung gegen Rechtspopulismus. Foto: Dedert/dpa

Foto: Dedert/dpa

Die Zeiten, in denen Bischöfe ihren Schäfchen von der Kanzel predigten, wo sie bei der nächsten Wahl ihr Kreuz machen sollen, sind seit Jahrzehnten vorbei. Das heißt nicht, dass der Klerus unpolitisch geworden wäre. Schon gar nicht gilt dies für das abgelaufene Jahr. 2016 ist das Jahr, in dem die Politisierung der Gesellschaft auch die deutschen Bischöfe zu einer politischen Festlegung trieb. Gerade erst hat der Trierer Bischof Stephan Ackermann in seiner Weihnachtspredigt vor Populisten gewarnt. Sie schürten "negative Emotionen der Angst vor Überfremdung und Terror, der Aggression und auch des Hasses". Er bezog das auf "Populisten jeder Couleur", aber natürlich war jedem klar, dass er damit auch die AfD meinte.

Ackermanns Vorgänger Reinhard Marx , inzwischen Kardinal in München, warf der AfD im Februar vor, "eine radikale Hasssprache" zu sprechen. "Da kann man nicht von Versöhnung reden", so Marx, "da muss man sagen: Leute, so geht es nicht!" In Erfurt und Köln ließen die Bischöfe zu den dortigen Demonstrationen von AfD und Pegida das Licht am Dom ausknipsen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) lud die AfD vom Katholikentag aus - eine auch in den eigenen Reihen umstrittene Entscheidung. Und der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, klagte darüber, dass die AfD mit unhaltbaren Wertungen Stimmung mache und der Gesellschaft schade.

An der Kirchenbasis ist dieser Kurs der klaren Kante nicht ganz unumstritten. Sicher, es gibt viele ehrenamtliche Initiativen, um Flüchtlingen zu helfen, bis hin zum umstrittenen Kirchenasyl. Mit ihren Positionen zu Themen wie Abtreibung oder Homo-Ehe ist jedoch die AfD bei Evangelikalen und in Teilen des katholischen Milieus durchaus anschlussfähig, auch wenn ihr Wähleranteil unter regelmäßigen Kirchgängern unterdurchschnittlich ist, wie der katholische Publizist Andreas Püttmann herausgearbeitet hat.

Im Bistum Trier , sagt Sprecher André Uzulis, seien keine solchen kritischen Gruppen wahrzunehmen. Die liberale Position von Bischof Ackermann zur Flüchtlingspolitik sei unumstritten. "Ich habe nie in irgendeiner Weise etwas Negatives gehört, weder aus dem Klerus noch von Haupt- oder Ehrenamtlichen. Im Gegenteil: Wir bekommen viel Zustimmung", sagt Uzulis. Das Bistum habe auch deutlich mehr Geld für die Flüchtlingshilfe ausgegeben, ohne Diskussionen.

Vielleicht ist diese Kritik auch nur nicht nach oben bis zur Bistumsspitze durchgedrungen. Diese Vermutung legt jedenfalls die Erfahrung nahe, die Stephan Wahl gemacht hat. Der Monsignore sprach von 1999 bis 2011 das "Wort zum Sonntag" in der ARD und leitete mehrere Jahre lang die Kommunikationsabteilung des Bistums. Heute arbeitet er als Kooperator in der Pfarreiengemeinschaft Waldrach bei Trier. Wahl hatte im Januar 2016 Christsein und AfD wählen für unvereinbar erklärt. "Wer als Christ egal welcher Konfession mit den Rattenfängern der AfD sympathisiert und erwägt, sie zu wählen, soll so konsequent sein, seine/ihre Kirche zu verlassen", schrieb er auf seiner Internetseite.

Die Reaktionen waren heftig. Es gab viel Zustimmung, aber auch die Frage, was ihm überhaupt einfalle. "Was mich am meisten verletzt hat, waren Rückmeldungen aus dem Kreis meiner Mitbrüder, aus dem Klerus, nach dem Motto: Du spaltest die Gemeinde und das Bistum", sagt Wahl. Es gebe in der Kirche eine Angst vor Spaltung, einen Einheitsgedanken, keinen politischen Streit in die Gemeinde zu tragen. "Aber das halte ich für falsch", sagt Wahl. "Dadurch werden ja die unterschiedlichen Meinungen nicht weggewischt. Und dann ist es besser, man spricht darüber."

Ein besonders prominentes Beispiel, das die ganze Sache völlig anders sieht als Ackermann und Wahl, ist Wolfgang Ockenfels. Der wortgewaltige Dominikanerpater war von 1985 bis 2015 Professor für Christliche Sozialwissenschaft an der Theologischen Fakultät der Universität Trier , eine theologische Autorität. Im Juni erschien auf der privaten konservativ-katholischen Internetseite kath.net ein Beitrag von Ockenfels, der es in sich hat: "Parteipolitische Kampfspiele gehören eigentlich nicht zum geistlichen Auftrag von Bischöfen. Wer gern mit Islamfunktionären Dialoge führt, die er den AfD-Vertretern verweigert, verliert seine Glaubwürdigkeit. Er verspielt auch seine Amtsautorität. Denn schließlich braucht der mündige und kundige Laie in der Kirche keine Bischöfe , die sich als parteipolitische Gouvernanten aufspielen."

Ockenfels, der sich seit Jahrzehnten politisch einmischt, hält die Flüchtlingspolitik für grundfalsch, in einem Essay beklagte er einmal eine "islamische Invasion". Das ist auch sprachlich nicht weit entfernt von der AfD, die nach Ockenfels' Überzeugungen ähnliche Wertvorstellungen vertritt wie jene CDU , der er seit 50 Jahren angehört - "mit wachsendem Unbehagen", wie er kürzlich in einem äußerst Merkel-kritischen Aufsatz schrieb. "Schauderhafte und peinlich-populistische Positionen", sagt Wahl dazu. "Er hat Sympathisanten, leider auch unter den Priestern." Dort seien seine Anhänger aber wohl in der Minderheit.

Bischöfe und ZdK hätten die Umtriebe dieser katholischen "Rechtsausleger" in der Vergangenheit "als irrelevante Randerscheinung abgetan und ignoriert", schrieb Publizist Püttmann kürzlich in der Zeitschrift "Stimmen der Zeit". Mit ähnlicher Kritik wie Ockenfels geht übrigens die AfD selbst auf die Kirchen los, nicht nur auf die evangelische, deren Bischöfe und Leitungsgremien - von den Evangelikalen abgesehen - schon immer linker und progressiver waren als bei den Katholiken. "Inzwischen erheben einige Amtsträger der deutschen Kirchen ihre Stimme offenbar mehr für Muslime als für eigene Glaubensbrüder", stichelte AfD-Sprecherin Frauke Petry in diesem Jahr. Ihr Vize Alexander Gauland erklärte im Mai passenderweise in der "Zeit"-Beilage "Christ & Welt", die AfD sei "keine christliche Partei", sondern eine deutsche, und wenn die Kirchen die Flüchtlingspolitik des Bundes unterstützten, "dann gebe ich offen zu: Ich bekämpfe das Programm der Kirchen." Eine Aussage, über die die Bischöfe gar nicht einmal unglücklich sein dürften, aus einem einfachen Grund: Sie klärt die Fronten.

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