„Die Menschen wollen Europa“

Der Saartalk ist eine Gesprächsreihe von SR und SZ. Diesmal stellten sich die saarländischen Europapolitiker Helma Kuhn-Theis (CDU) und Jo Leinen (SPD) den Fragen von SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst. Kuhn-Theis (61), seit 2012 Bevollmächtigte des Saarlands für Europa-Angelegenheiten, kandidiert neu für das Europaparlament. Jo Leinen (66) ist seit 1999 Europaabgeordneter und tritt erneut zur Wahl an. SZ-Redakteur Oliver Schwambach hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

Helma Kuhn-Theis (CDU), Bevollmächtigte des Saarlandes für Europa-Angelegenheiten in Brüssel, und EU-Parlamentarier Jo Leinen (SPD) im Gespräch mit SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (von links). Foto: Oliver Dietze

Helma Kuhn-Theis (CDU), Bevollmächtigte des Saarlandes für Europa-Angelegenheiten in Brüssel, und EU-Parlamentarier Jo Leinen (SPD) im Gespräch mit SR-Chefredakteur Norbert Klein und SZ-Chefredakteur Peter Stefan Herbst (von links). Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Herbst: Herr Leinen, richtige Wahlkampfstimmung und großes Interesse für die Europawahl ist noch nicht aufgekommen. Woran liegt das?

Leinen: Wir haben ja noch 14 Tage, und wir wissen, dass die Wahlen zum Schluss nochmal interessant werden. Dieses Mal ist es ja auch eine besondere Wahl: Wir wählen nicht nur Abgeordnete zum Parlament, sondern indirekt wählen die Bürger auch den Chef der europäischen Regierung, den Präsidenten der europäischen Kommission. (…) Ich hoffe, das Interesse steigert sich noch.

Klein: Was spielt im Wahlkampf die große Rolle? Sind es die materiellen Aspekte der europäischen Union oder sind es übertragene Dinge wie Frieden - angesichts der Krise in der Ukraine - und Freiheitsrechte?

Kuhn-Theis: (…) Die Motivation, was die Europawahl angeht, ist ganz unterschiedlich. Dazu gehört das Thema Frieden und Freiheit bei vielen Menschen, auch das Freihandelsabkommen. Aber bei vielen Menschen ist zu hören, sie fühlen sich von der europäischen Politik nicht mitgenommen. (…)Und das ist ein großes Problem. Denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Menschen Europa wollen, aber wie es sich ihnen darstellt, das wollen sie nicht.

Klein: Was halten Sie für gefährlicher für die europäische Idee: das Desinteresse an europäischer Politik oder, dass Europagegner, rechte Populisten reinkommen?

Leinen: Die Krise der letzten fünf Jahre hat Spuren hinterlassen. Wir haben eine Euro skepsis, die kann man mit den Fingern greifen. Die Euro- skeptiker werden wohl ins Parlament einziehen (…) Aber die große Masse der Menschen weiß doch, dass es zu Europa keine Alternative gibt.

Herbst: Es ist eine Besonderheit: Die CDU zieht als einzige Partei mit einer Landesliste in den Europawahlkampf. Jo Leinen ist auf der Bundesliste gut abgesichert. Sie brauchen aber eine hohe Wahlbeteiligung im Saarland, viele Stimmen für sich. Wie groß ist die Gefahr, dass die CDU Saar im nächsten EU-Parlament gar nicht vertreten ist?

Kuhn-Theis: Ich vertraue da wirklich auf die saarländischen Bürgerinnen und Bürger. Denn es kann niemand im Saarland ein Interesse daran haben, dass künftig nur noch ein Vertreter im europäischen Parlament das Saarland vertritt. (…)

Herbst: Ein zentrales Argument vieler Menschen, die man jetzt Russland-Versteher nennt, ist, die EU und die Nato seien zu nah an Moskau herangerückt. Ist das eines der Probleme? Kam zu schnell in einigen Fällen der EU-Mitgliedschaft auch eine Nato-Mitgliedschaft hinzu?

Leinen: Ich teile das nicht, die Völker im Baltikum, in Polen, die große Mehrheit der Bevölkerung in der Ukraine, die wollen Freiheit haben, die wollen Demokratie und Rechtsstaat, und sie wissen, dass die EU das verkörpert. (…) Die wollen eben nicht nach Russland. Das, was wir jetzt in der Ostukraine sehen, ist ja inszeniert, ist gesteuert. (…) Die Tür der europäischen Union muss offen stehen für alle Völker in Europa, die Frieden und Demokratie wollen. (…)

Herbst: Am Wochenende ist ein bemerkenswerter Leitartikel in der "Welt am Sonntag" erschienen: "Fremde Nachbarn - Frankreich war uns schon mal deutlich näher". Teilen Sie die These des Leitartikels? Und woran liegt es, dass wir an vielen Stellen mehr Probleme haben mit Frankreich als früher?

Kuhn-Theis: (…) Ich glaube, bei näherer Betrachtung kann man das nicht so formulieren. Es ist in der Tat so, dass Frankreich Probleme hat, was seine wirtschaftlichen Reformen betrifft. Es gibt viele Proteste in Frankreich, aber ich glaube, dass Deutschland und Frankreich auch in der Zukunft gut beraten wären, die Achse und das Fundament für Europa weiterhin zu stabilisieren. Und da müssen alle ihren Beitrag leisten. (…) Herbst: Euro- und Europakritiker wie die von der AfD sind gefährlich, weil….

Leinen:…sie kein Konzept für die Zukunft haben, sondern eher nach hinten schauen.

Klein: Eine niedrige Wahlbeteiligung bei der Wahl des europäischen Parlaments wäre…

Kuhn-Theis:…wenn wenige Menschen sich für die Europawahl entscheiden würden, das wäre nicht nur für das Saarland, sondern für die gesamte europäische Union ein großer Rückschritt.

Herbst: Martin Schulz ist der beste Mann für Europa, weil…

Leinen:…er ein halber Saarländer ist, in einer Grenzregion bei Aachen wohnt und die Europapolitik seit 20 Jahren in- und auswendig kennt.

Klein: Jean-Claude Juncker ist der beste Mann für Europa, weil…

Kuhn-Theis:…er ein großer Staatsmann ist und ein großer Europäer, der die Klaviatur der Europa- und auch Weltpolitik kennt wie kein anderer.

Herbst: An Helma Kuhn-Theis schätze ich besonders, dass…

Leinen: Sie hat sich für das Land und die Saar-Lor-Lux-Region engagiert und ist da sehr viel unterwegs.

Klein: An Jo Leinen schätze ich besonders, dass…

Kuhn-Theis:…er ein verlässlicher Partner ist. Er war es in der Landespolitik und wird das hoffentlich auch in der Europapolitik sein.

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