„Die meisten sind einfach traurig“

Saarbrücken · Charlotte Schröck arbeitet seit zwei Jahren bei der Einheit „Koordinationsbüro Rückführung“, die bei der Bereitschaftspolizei in Saarbrücken angesiedelt ist. Die Kommissarin holt Flüchtlinge zur Abschiebung ab. Im Interview erzählt die 26-Jährige unserem Redaktionsmitglied Sarah Konrad von Tränen, Verzweiflung und einer Eritreerin, die sie so schnell nicht vergessen wird.

 Polizeikommissarin Charlotte Schröck bringt abgelehnte Asylbewerber zum Flughafen. Foto: Oliver Dietze

Polizeikommissarin Charlotte Schröck bringt abgelehnte Asylbewerber zum Flughafen. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Frau Schröck, wer entscheidet, ob eine Person abgeschoben wird?

Charlotte Schröck: Das Landesverwaltungsamt. Von dem bekommen wir auch Infos zum Flug, den Abzuschiebenden und deren Wohnort. Wir sind nur die ausführende Kraft.

Wie läuft eine Abschiebung ab?

Schröck: Den Zugriff machen die örtlichen Dienststellen. Sie sorgen dafür, dass die Betroffenen packen und ordentlich angezogen sind. Dazu haben sie etwa 45 Minuten Zeit. Wir übernehmen, wenn die Leute fertig sind.

Wie geht es dann weiter?

Schröck: Zunächst durchsuchen wir die Abzuschiebenden, ob sie gefährliche Gegenstände dabei haben. Danach geht es mit dem Auto zum Flughafen in Frankfurt. Wenn Kinder und Kranke abgeschoben werden, fährt immer ein Arzt mit. In Frankfurt endet für uns meist die Arbeit. Dort übergeben wir die Personen der Bundespolizei .

Sie begleiten die Abzuschiebenden also nicht auf dem Flug?

Schröck: Doch, manchmal. Wenn zu erwarten ist, dass die Person im Flugzeug Schwierigkeiten macht, wird sie von Polizisten begleitet. Das macht meist die Bundespolizei , aber in Einzelfällen fliegen auch saarländische Polizisten mit.

Man hört immer wieder von Personen, die zu Tricks greifen, um der Abschiebung zu entgehen. Was haben Sie da erlebt?

Schröck: Einmal haben wir eine junge Eritreerin begleitet. Die Frau hatte panische Angst. Während der Fahrt hat sie angefangen, sich zu kratzen, um sich selbst zu verletzen. Als wir sie in Frankfurt bei der Bundespolizei abgeben wollten, sagte sie, dass sie flugunwillig sei. Der Pilot hat entschieden, die Frau unter diesen Umständen nicht mitzunehmen.

Und dann?

Schröck: Haben wir den Fall dem Landesverwaltungsamt gemeldet. Während ich am Telefonieren war, hat die Frau begonnen, herumzuschreien, sich auf den Boden zu werfen. Sie hat sich ganz extrem gesträubt, bis wir ihr Handschellen angelegt haben. Wir haben sie dann zum Amtsgericht in Frankfurt gefahren. Dort hat ein Richter Haftbefehl erlassen, und wir mussten sie nach Ingelheim ins Gefängnis bringen. Die Fahrt dorthin war wirklich eine Tortur.

Was ist auf der Fahrt passiert?

Schröck: Die Frau hat sich den Kopf angeschlagen. Ich habe sie ganz dicht an mich herangezogen und ihren Kopf und die Hände fixiert. Mein Kollege hat die Füße festgehalten. Das war schon heftig. Sie hat so sehr geschrien, dass sie ohnmächtig geworden ist. Aber es war ein Arzt dabei, der sich gleich um sie gekümmert hat. Der Frau ist nichts passiert.

Wurde sie mittlerweile abgeschoben?

Schröck: Als wir die Frau das zweite Mal abgeholt haben, war sie im Krankenhaus, weil sie in den Hungerstreik getreten ist. Wir sollten sie auf dem Flug nach Rom begleiten. Auf dem Weg zum Flughafen hat sie sich aber das T-Shirt zerrissen. Hat Geldscheine zerrissen. Hat geschrien. Der Pilot entschied wieder, sie nicht mitzunehmen. Daraufhin haben wir die Frau zurück nach Ingelheim in Haft gefahren. Und so komisch das klingt, Rom wollte sie nach dieser Aktion nicht mehr aufnehmen. Die Frau darf in Deutschland bleiben. Aber so etwas kommt nur ganz selten vor.

Wie oft versuchen Abzuschiebende, sich zu widersetzen?

Schröck: Ich habe das in den vergangenen zwei Jahren drei Mal erlebt. Meistens widersetzen sich die Personen nicht, sondern sind nicht zu Hause, wenn wir sie abholen möchten. Gewalt, die sich gegen Polizisten richtet, gibt es sehr selten.

Haben Sie manchmal Bedenken, wenn Sie Personen abschieben?

Schröck: Dadurch, dass ich nicht die entscheidende Quelle bin, gehe ich eher positiv mit der Situation um. Ich bin jemand, der das Ganze sehr menschlich sieht, mit viel Empathie. Ich will den Leuten das Gefühl geben, dass sie Menschen sind. Es kommt auch öfter vor, dass sie sich bei mir für die gute Behandlung bedanken. Das gibt einem dann doch ein ganz positives Gefühl mit.

Wie reagieren die meisten Abzuschiebenden, wenn sie klingeln?

Schröck: Ich wundere mich immer wieder, die Leute gehen doch eher ruhig mit der Situation um. Tränen fließen oft. Aber die meisten sind nicht hysterisch, sondern einfach traurig.

Gibt's Fälle, die Ihnen in Erinnerung bleiben, an die Sie nach Feierabend noch denken?

Schröck: Ja. Der Fall mit der Eritreerin war so einer. Man hinterfragt halt teilweise das System. Ich weiß ja nicht, was die Leute nach der Abschiebung erwartet. Da denke ich schon drüber nach. Aber es macht mich nicht nachdenklich in dem, was ich tue.

Verändert der große Andrang von Flüchtlingen Ihre Arbeit?

Schröck: Im Moment bemerken wir fast gar keine Auswirkungen. Die Registrierung der meisten Flüchtlinge läuft ja noch. Ich denke, die Welle kommt erst.

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