Die Kollegen spielen heute gewissermaßen gegeneinander

St Wendel · Viertelfinale der WM: Heute trifft Deutschland auf Frankreich im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro. Das Traditionsduell sorgte in der Vergangenheit für viele hitzige Spiele. Doch nicht nur der Fußball verbindet die beiden Länder. Die Saarbrücker Zeitung wurde an einen historischen deutsch-französischen Ort eingeladen, um über das Spiel zu diskutieren.

 Philippe Hay (links) und Andreas Stillenmunkes hatten bisher viel Spaß bei der WM. Foto: Gefra

Philippe Hay (links) und Andreas Stillenmunkes hatten bisher viel Spaß bei der WM. Foto: Gefra

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Philippe Hay ist Franzose. Er wurde in Grosbliedersstroff geboren, lebt und arbeitet seit 2001 in St. Wendel. Er lud in die Räume seiner Firma KiM in der ehemaligen Tritschler Kaserne ein, wo von 1951 bis 1999 noch französische Soldaten stationiert waren. Gemeinsam mit seinem Kollegen Andreas Stillenmunkes analysiert er die Qualitäten der Manschaften.

"Beide Teams sind sehr stark", sagt Hay. Die deutsche Bank sei allerdings noch etwas besser besetzt. "Immerhin spielen die Franzosen mit einem echten Stürmer", wirft Stillenmunkes ein - nämlich Karim Benzema, der bisher drei Tore für die Equipe Tricolore erzielt hat. "Er ist bisher der beste Spieler der Franzosen", berichtet Hay. Allerdings sei das Zusammenspiel mit Offensiv-Kollege Olivier Giroud noch verbesserungswürdig. Benzema, der gerne aus der Tiefe startet, brauche mehr Unterstützung. Dafür könnte Antoine Griezmann sorgen, der nach seiner Einwechslung im Achtelfinale gegen Nigeria den französischen Angriff ankurbelte.

Deutschland tat sich in seinem Achtelfinalspiel gegen Algerien auch schwer; schaffte die erlösenden Tore erst in der Nachspielzeit. Stillenmunkes: "Da waren ein paar Totalausfälle dabei." Er bemängelt vor allem die vielen Fehlpässe im Offensivspiel der Deutschen. Für beide gab es ganz klar einen besten Mann im Spiel: Manuel Neuer , der mehrere Male weit vorm Sechzehner überragend klärte.

In der Vorrunde hat sich Frankreich, das bei der vorangegangen WM 2010 vor allem durch teaminterne Querelen von sich reden machte, zum Mitfavoriten auf den Titel gemausert.

Nicht selbstverständlich, da die direkte Qualifikation fürs Turnier nicht gelang und erst nach einer dramatischen Relegation gegen die Ukraine (Hinspiel 0:2 in Kiew, Rückspiel 3:0 in Paris), die Tickets für Brasilien gebucht werden konnten. Hay: "Das war vielleicht der positive Schock, den wir gebraucht haben." Den Ausfall des Bayern-Spielers Frank Ribery habe dem Spiel bisher nicht geschadet: "Das Team ist wichtiger als ein Einzelspieler."

So gehen auch beide davon aus, dass die Mannschaften von Brasilien und Argentinien nicht ins Finale vorrücken werden. Stillenmunkes: "Sie sind zu sehr auf ihre Starspieler Neymar und Messi fokussiert." Hay ist sich sicher: "Kolumbien wird gegen Brasilien weiterkommen." Die sogenannten kleinen Nationen haben sich während der WM zunehmenden ins Rampenlicht gespielt. "Sie haben taktisch aufgeschlossen und sind hochmotiviert", sagt Stillenmunkes. Herausragendes Beispiel sei das Team aus Costa Rica, das vor dem Turnier keiner auf dem Schirm gehabt habe.

Heißer Kandidat fürs Finale sei Holland. Hay: "Die sind eine Nummer für sich. Robben spielt eine fantastische WM." Stillenmunkes: "Vielleicht gibt es eine Wiederauflage des Endspiels von 1974 Deutschland - Niederlande", natürlich mit gleichem Ausgang für die Nationalelf. Für Hays Geschmack kommt das Spiel Deutschland gegen Frankreich etwas früh, was dem Turnierplan geschuldet ist: "Das war immer spektakulär." Er erinnert an die Nacht von Sevilla 1982, als Deutschland nach 1:3 Rückstand in der Verlängerung, die Franzosen noch im Elfmeterschießen 5:4 abfangen konnte und ins Finale einzog. Der deutsche Torhüter Toni Schumacher sorgte damals bei den französischen Fans für Entsetzen, als er gegen den gerade eingewechselten Patrick Battiston so hart einstieg, dass dieser mit angebrochenem Halswirbel und einer Gehirnerschütterung vom Platz musste.

Stillenmunkes über die Stimmung im Gastgeberland Brasilien: "Bisher super, auch wenn die Proteste vor der WM einen kleinen Schatten aufs Turnier geworfen haben." Für das heutige Spiel tippt Hay auf ein 2:1 für Frankreich. Stillenmunkes hält dagegen: "Die Deutschen gewinnen 2:0." Wie das Spiel auch ausgeht, das bisherige Turnier hat beiden viel Freude bereitet.

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